Jedes Jahr befragt Universum weltweit Studierende nach ihren Karrierezielen und den Wünschen an potenzielle Arbeitgeber. In der Schweiz hat die Zahl der Teilnehmer dieses Jahr einen neuen Rekord erreicht: Über 12’000 Studierende haben an der grössten Erhebung dieser Art teilgenommen. Die Ergebnisse zeigen den Arbeitgebern, was sie für die Talente und damit die Leader von morgen attraktiv macht.

Um das Interesse der Besten zu wecken, reichen ein interessanter Job und ein anständiges Gehalt längst nicht mehr. Die Studierenden achten ebenso sehr auf das Ansehen des Unternehmens in der Gesellschaft, auf seinen Markterfolg und auf die Unternehmenskultur.

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Was sich Studierende von den Arbeitgebern wünschen

Entscheidend für die Wahl der ersten Stelle nach dem Studium ist die gute Referenz. Google, ABB oder Novartis gehören zu den Favoriten, weil sie zur Spitze ihrer Branche zählen, international tätig sind und Höchstleistungen honorieren. Wer in diesem Umfeld bestehen kann, steigert seine eigene Arbeitsmarktfähigkeit, was für die Studierenden gerade in Zeiten dynamischer Märkte und geringer Jobsicherheit besonders wichtig ist. Nach einer Studie von Universum, INSEAD und der Head Foundation fürchtet ihre Generation, die «Millennials», nämlich nichts mehr, als in ihrer beruflichen Laufbahn steckenzubleiben.

Von ähnlicher Bedeutung wie die Referenz sind ein kreatives, dynamisches Arbeitsumfeld und eine herausfordernde Arbeit. Ingenieure und Informatiker legen darauf besonderen Wert. Auch die Innovationskraft des Unternehmens ist ihnen wichtig. Der Internet-Riese Google bleibt deshalb für die Informatik-Studenten die unangefochtene Nummer eins: Jeder zweite von ihnen will bei Google arbeiten, beim zweitplatzierten Technologie-Unternehmen Microsoft jeder dritte.

Die attraktivsten Arbeitgeber

Betriebswirtschaftler hingegen achten mehr auf die Internationalität und auf die Möglichkeiten, sich zu entwickeln und eine Führungsposition zu übernehmen. Entsprechend verbessert die Fluggesellschaft SWISS ihre Position und rangiert neu auf Platz fünf der attraktivsten Arbeitgeber von Betriebswirtschaftlern. Auch die Nationalbank steigt um ganze neun Ränge auf Platz acht. Veränderungen gibt es zudem an der Spitze: UBS sichert sich neu Platz zwei nach Google, dem Favoriten auch für Betriebswirtschaftler.

Unter den Studierenden der Naturwissenschaften bleibt die Pharmabranche weitaus am attraktivsten. Jeder zweite Student will zu Novartis oder Roche. Im Bereich Gesundheitswesen und Medizin ist das Universitätsspital Zürich auf dem Spitzenplatz, gefolgt vom Inselspital, Universitätsspital, Bern.

Work-Life-Balance als langfristiges Karriereziel

Welche Arbeitgeber die Studierenden für besonders attraktiv halten, hängt jedoch nicht allein von ihren kurzfristigen Bedürfnissen und Wünschen ab, sondern auch von ihrer individuellen, langfristigen Karriereplanung. Die Universum Talent Research 2015 gibt auch darüber Aufschluss und zeigt vor allem eines: Das erste Karriereziel, unabhängig von der Studienrichtung, ist die Work-Life-Balance. Daran hat sich in den letzten Jahren nichts geändert.

Aurelie Urwyler, verantwortlich für die Einstiegsprogramme der Post, bestätigt diesen Trend. «In den letzten Jahren haben wir festgestellt, dass es für die Absolventen wichtiger geworden ist als früher, ihr Privatleben mit dem Beruf koordinieren zu können. So sind zum Beispiel Bewerber aus weiter entfernten Regionen nicht mehr unbedingt bereit, ihr Umfeld aufzugeben und in Bern zu arbeiten.»

Die Millennials – Erwartungen und Realität der Arbeitswelt

Work-Life-Balance bedeutet aber nicht, dass die Studierenden weniger arbeiten und mehr freie Zeit geniessen wollen. Dies zeigt die Studie von Universum, von der Business School INSEAD und von der Head Foundation, die weltweit über 16’000 «Millennials» befragt haben – die zwischen 1980 und der Jahrtausendwende Geborenen. Die Trendforscherin Daniela Tenger vom GDI in Rüschlikon (ZH) erklärt, was es mit der Work-Life-Balance auf sich hat: «Gerade für die ‹Millennials› ist es wichtig, Leben und Arbeit nicht als Gegensatz zu sehen. Die Arbeit ist Teil ihres Lebens. Sie soll sie persönlich weiterbringen und ihrer Selbstverwirklichung dienen.»

Ein typischer Vertreter dieser Generation ist Silvan Krähenbühl. Er studiert Betriebswirtschaftslehre im sechsten Semester, bis im Sommer an der Rotterdam School of Management der Erasmus Universität, vorher an der Universität St.Gallen (HSG). Zu seiner beruflichen Zukunft sagt er: «Es sollte da, wo ich arbeite, eine StartupMentalität herrschen, und die Firma müsste stark von Innovation geprägt sein. Starre Hierarchien sind nicht mein Ding. Selbstständigkeit ist mir sehr wichtig.»

Das Beste aus sich herausholen

Diese verwirklicht er schon während des Studiums. Zusammen mit drei Mitstudierenden rief er den «Young Entrepreneurs Club» an der HSG ins Leben: ein Netzwerk für Studierende, die an der Gründung eines StartupUnternehmens interessiert sind. Damit nicht genug. Mit dem eigenen Startup «Gymhopper», gegründet mit zwei Studienkollegen, hat Krähenbühl bereits einen ersten Erfolg erzielt. In einem Wettbewerb, bei dem Post Finance «Alltagsvereinfacher» suchte, landete das Projekt in der Siegergruppe.

Krähenbühl ist in manchem ein typischer Vertreter seiner Generation. «Millennials« wollen das Beste aus sich herausholen, denken aber eher in Projekten als in lebenslangen Karrieren. Daniela Tenger spricht von der Projektisierung des Lebens. «‹Millennials› fühlen sich weniger an ihren Arbeitgeber gebunden als frühere Generationen. Sie sind flexibler, suchen mehr Unabhängigkeit und wollen möglichst selbstständig sein.»

Führung, Herausforderung und sinnvolle Aufgaben

Nach der ausgeglichenen Work-Life-Balance setzen Wirtschaftsstudenten den Wunsch, ein Leader zu sein und Leute zu führen, an die zweite Stelle ihrer langfristigen Karriereziele. Führungsverantwortung zu übernehmen ist zunehmend auch ein Bedürfnis der Ingenieur-Studenten, wie die Universum Talent Research 2015 zeigt. Fast ebenso wichtig ist es für die Studierenden aller Fachgebiete, im Job intellektuell herausgefordert zu sein und sich in einem Konkurrenzumfeld bewähren zu können.

Dazu kommt der Wunsch, etwas Sinnvolles zu tun, auch wenn er je nach Fachrichtung unterschiedlich ausgeprägt ist. Einige Studierende engagieren sich schon während ihrer Ausbildung für Charity-Projekte. Zu ihnen gehört Lukas Frischknecht, der an der ETH Zürich Maschinenbau studiert. Er arbeitet in der Hilfsorganisation Swiss Support Foundation beim Projekt «Accident & Health Insurance» mit. Dank dieser Initiative sind Kinder auf den Philippinen, deren Familien sich das nicht leisten könnten, gegen Krankheit und Unfall versichert.

«Bewerberinnen und Bewerber suchen noch mehr als früher eine sinnhafte Aufgabe», hat Alexander Senn, Head of Recruiting and Employability bei der Swisscom, in vielen Gesprächen mit Studierenden erfahren. Anna Polek zum Beispiel, Studentin der Materialwissenschaften an der ETH Zürich, wünscht sich vor allem eine Aufgabe, «zu der ich stehen und auf die ich mich freuen kann».

Weiterentwicklung wichtiger als Statussymbole und viel Geld

Die Vorstellungen der drei Studierenden entsprechen in manchem jenen einer ganzen Generation, wie die «Millennial»Studie zeigt. Sich persönlich entwickeln zu können, ist wichtiger als Statussymbole und viel Geld. Lange Arbeitszeiten nehmen die «Millennials», besonders die Schweizer unter ihnen, mindestens für eine gewisse Zeit in Kauf, wenn das ihren Karrierezielen dient. Wichtig ist, dass ihnen die Arbeit Befriedigung bietet, dass sie Verantwortung übernehmen und innovativ tätig sein können.

Diese Wünsche müssen Arbeitgeber kennen und respektieren, wenn sie erfolgreich rekrutieren wollen. Eine herausfordernde Aufgabe. Denn «Talente anzuziehen ist keine Kunst, sondern immer mehr eine Wissenschaft», heisst es in der Universum-Studie «Outlook 2020». Die Auswertung von über 2300 Interviews mit CEOs, sowie HR und Marketingmanagern in 18 Ländern lässt erkennen, dass Talente ein strategisches Asset sind, welches Wachstum und Innovation vorantreibt. Das Talent Management der Zukunft müsste deshalb die selbe Sorgfalt und Priorität geniessen wie die Produkteentwicklung oder die Finanzen eines Unternehmens.

Karriere-Profile - Talent Management der Zukunft?

In diesem Sinn arbeiten immer mehr Organisationen mit Profilen, in die neben der Studienrichtung und den Noten auch Persönlichkeitsmerkmale, Ambitionen oder die Motivation der Kandidaten einfliessen. Nur, wenn das Profil der ausgeschriebenen Stelle und jenes des Kandidaten zusammenpassen, kann die Anstellung erfolgreich sein. «Die ethische Grundhaltung und die Wertvorstellungen eines Kandidaten sind oft entscheidend dafür, ob er in die neue Umgebung passt», heisst es in der Studie «Outlook 2020».

Alexander Senn kann dem nur zustimmen. «Für uns steht immer die Persönlichkeit der Studierenden im Vordergrund. In unserer Branche ist es zum Beispiel unerlässlich, dass die Bewerberinnen und Bewerber den Wunsch haben, in einem extrem dynamischen Umfeld selber mitzugestalten und sehr rasch Verantwortung zu übernehmen.»

Im Wissen, wie wichtig Profile für die Arbeitgeber sind, hat Universum die Antworten der Studierenden ausgewertet und sieben Karriereprofile identifiziert. «Harmonisers» zum Beispiel sind verantwortliche und loyale Menschen. Sie eignen sich besonders gut für Teamarbeit und pflegen einen freundlichen Umgangston. «Hunters» hingegen streben nach beruflichem Aufstieg und einer hohen Vergütung, sie können besonders gut Probleme der Kunden erkennen und lösen. Nicht überraschend, sind «Harmonisers» in den Geistes und Sozialwissenschaften sowie in der Medizin gut vertreten, «Hunter» unter den Wirtschaftswissenschaftlern.

Die Wünsche der Arbeitgeber

Unternehmen wünschen sich in ihren Reihen ausdrücklich mehr «Leader» und «Entrepreneurs», wie die Universum-Studie «Outlook 2020» zeigt. Fast 40 Prozent der weltweit befragten CEOs, sowie Marketing und Personalmanager suchen Entrepreneur-Typen, 31 Prozent vor allem Leader. Genau diese Persönlichkeitsprofile sind aber unter Schweizer Studierenden nicht besonders häufig zu finden. Die Lücke zwischen Angebot und Nachfrage mag daran liegen, dass die befragten Manager in der Regel deutlich älter sind als die Studierenden.

Doch «unterschiedliche Wertvorstellungen zwischen Generationen werden generell überschätzt», ist Inés Constantin Kleven überzeugt. Sie ist Career Advisor und Project Manager beim ETH Career Center und weiss: «Erfolgreich sind Arbeit geber, die es schaffen, eine Diversität der Persönlichkeiten in den Teams und Projekten zu vereinen.»

Ruhig auch etwas Aussergewöhnliches

Sie achten deshalb auch auf die Aktivitäten der Bewerber neben dem Studium. «Für uns ist es wichtig, dass sie idealerweise bereits praktische Erfahrungen gesammelt haben», bekräftigt Sandra Roth, Leiterin des Kompetenzcenters Personalmarketing bei der SBB. «Dies darf – neben dem Absolvieren eines ‹klassischen› Praktikums in einem Unternehmen – ruhig auch etwas Aussergewöhnliches sein. Ich denke zum Beispiel an eine Mitarbeiterin, die vier Wochen bei einem Charity-Projekt in Indien engagiert war, oder an einen Absolventen, der jahrelang an einem Abend pro Woche eine kranke Person gepflegt hatte.»

Diese Erfahrung hat Tim Zurfluh gemacht, als der HSG-Student einen Praktikumsplatz suchte. «Neben den guten Noten werden Engagements ausserhalb des Studium sehr geschätzt». Er selber hat mit seinen zwei Partnern, Pascal Schneider und Peter Vogel, noch als Student das Startup-Unternehmen Testudo gegründet, das eine neue Art von Schienbeinschonern für Fussballer entwickeln will.

Das sind Erfahrungen, die bei den Arbeitgebern gut ankommen, weil sie viel über die Persönlichkeit und die Werthaltung verraten. Die SBB zum Beispiel wünscht sich Kandidaten, «die unsere Unternehmenswerte teilen: ambitioniert, verantwortlich, beweglich, leidenschaftlich und respektvoll». Persönlichkeitsmerkmale wie diese werden in Zukunft noch an Bedeutung gewinnen, wenn immer mehr Fachkräfte fehlen. «Skills» – Fähigkeiten und Fertigkeiten – lassen sich ohne grossen Aufwand trainieren, nicht aber die Persönlichkeit.