Am nächsten Sonntag stimmen wir über das neue Epidemiengesetz ab, das von offizieller Seite allgemein begrüsst würde. Schliesslich möchte jeder vernünftige Mensch einen möglichst weit gehenden Schutz vor ansteckenden und gefährlichen Krankheiten. Doch das ist nur die Vorderseite der Medaille. Landesweite Impfaktionen bei drohenden Epidemien gleichen in der Mehrheit der Fälle Kanonen, mit denen auf Spatzen geschossen wird. Das ist zwar gut für die Kanonenhersteller – in diesem Fall die Pharmaindustrie –, aber für die Bevölkerung erweist es sich als teuer und oft auch als sinnlos.

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Denn weder Schweine- noch Vogelgrippe waren ernsthafte Bedrohungen – trotz der mit grossem Aufwand inszenierten Panik. Besonders krass war dies im Falle der Schweinegrippe-Impfaktion 2009, für die insgesamt rund 130 Millionen Franken ausgegeben wurden. In den Medien wurde damals unaufhörlich Angst verbreitet, um den Bürgerinnen und Bürgern das Gefühl zu vermitteln, sich in Lebensgefahr zu befinden. Später gab das britische Gesundheitsministerium allerdings bekannt, dass die Schweinegrippe eine relativ ungefährliche Grippe darstelle, für die eine Sterberate von 0,026 Prozent ermittelt worden sei. Zum Vergleich: Die Sterberate bei der Spanischen Grippe von 1918, bei der mindestens 25 Millionen Menschen umgekommen sind, betrug 2 bis 3 Prozent, aber auch in einem schlimmen Grippejahr wie 1967/68 lag die Sterberate bei 0,2 Prozent und damit deutlich über den Schweinegrippewerten von 2009.

Kampf gegen ein Phantom

Im Prinzip wurde 2009 also ein Phantom bekämpft, das gar nicht existierte. Für die Pharmaindustrie erwies sich diese Aktion aber als äusserst lukrativ. Das Bundesamt für Gesundheit (BAG) bestellte bei den Firmen Novartis und GlaxoSmithKline 13 Millionen Dosen H1N1-Pandemie-Impfstoff, was rund 84 Millionen kostete. Kam hinzu, dass der Schweinegrippe-Impfstoff Pandemrix nur in Zehner-Ampullen geliefert wurde, die, einmal angebrochen, allesamt innerhalb von 24 Stunden verbraucht werden mussten. Da das öffentliche Interesse an der Impfung aber trotz der Panikmache relativ schnell nachliess, liess es sich nicht vermeiden, dass bei nur vereinzelten Impfungen ein Grossteil der Ampullen ungebraucht im Abfall landete. Ausserdem erwies sich die bestellte Menge von 13 Millionen Dosen als masslos übertrieben. Etwa 10 Millionen Dosen wurden gar nie gebraucht und sind seither verschollen.

Die nur vier Jahre zurückliegende Schweinegrippe-Impfaktion sollte uns ein warnendes Beispiel sein. Gerne werden vorschnell Horrorszenarien verbreitet, damit im Zweifelsfall ja nicht der Vorwurf erhoben werden kann, die Politik habe nichts getan. Selbst die jetzige Abstimmungskampagne des Bundesrats ist durch unbegründete Panikmache geprägt. Es wird behauptet, dass jährlich 2000 Menschen an Spitalinfektionen in Schweizer Spitälern stürben. Nur gibt es für diese Aussage leider genauso wenig einen Beweis wie damals im Jahr 2009 für die Gefährlichkeit der Schweinegrippe.

Kommt das neue Epidemiengesetz, dann ist damit zu rechnen, dass wir noch häufiger Impfkampagnen ausgesetzt werden, die uns mit grossem Aufwand vor nicht vorhandenen Gefahren schützen wollen. Bleiben Sie also skeptisch, wenn es das nächste Mal heisst: «Lassen Sie sich impfen!»

Mathias Binswanger ist Professor für Volkswirtschaftslehre an der Fachhochschule Nordwestschweiz.