Charles Darwin hatte es beim Sex wie die Hühnervögel.

Bevor wir uns aber mit dem Liebesleben des Begründers der Evolutionstheorie beschäftigen, müssen wir uns kurz den Wachteln zuwenden. Denn sie haben dieselben Vorlieben wie Darwin.

Es gibt ein hübsches Experiment zur Partnerwahl der Wachteln. Man brachte die Tiere in verschiedenen Käfigen unter, die miteinander in Verbindung standen. In den Käfigen sassen Eltern, Geschwister, Cousins und Cousinen sowie Wachteln ohne Verwandtschaftsbeziehung. Die Forscher beobachteten nun, mit wem die Hühnervögel am liebsten zusammen waren.

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Der Befund war eindeutig. Am meisten Zeit verbrachten die Wachteln mit ihren Cousinen ersten Grades. Auch die Liebe gedieh hier am besten. In keiner anderen Verbindung wurden mehr fertile Eier produziert. In der Biologie nennt man das «optimal outbreeding». Der grösste Fortpflanzungserfolg stellt sich ein, wenn die Partner zwar sehr ähnlich, aber nicht zu nah verwandt sind.

Auch Charles Darwin heiratete seine Cousine Emma Wedgwood. Der Erfolg der Fortpflanzung war wachtelhaft. Die beiden hatten zehn Kinder.

In der genetischen Theorie gehört es zu den gern diskutierten Fragen, ob Sex unter Cousins und Cousinen riskant oder bedenkenlos sei. In der Praxis hat die Menschheit die Antwort längst schon gegeben. Es ist höchst auffallend, wie viele grosse Figuren der Zeitgeschichte ihre Cousine und ihren Cousin in die Bettstatt nahmen.

Im Adel etwa war die Vetternehe während Jahrhunderten eher die Regel als die Ausnahme. Kaiser Franz Joseph zum Beispiel heiratete 1854 seine Cousine Sisi. Von den Bourbonen bis zu den Tudors hielt man sich bis heute an dieselbe Wachtel-Regel. Spaniens König Juan Carlos zum Beispiel ist Spross einer Cousinen-Ehe.

Der Reiz der Cousine hat immer auch die Hochbegabten der Welt fasziniert. Albert Einstein zum Beispiel heiratete Elsa Einstein. Werner von Siemens heiratete Antonie Siemens. Johann Sebastian Bach heiratete Maria Barbara Bach. Georg von Opel heiratete Irmgard von Opel. Lionel de Rothschild heiratete Charlotte von Rothschild. Arnold Zweig heiratete Beatrice Zweig.

Auch Theodor Storm, Igor Strawinsky, Edgar Allan Poe und Wernher von Braun betrieben die Fortpflanzung auf der Cousinen-Basis. Die Wachteln, wenn sie es wüssten, würden sich freuen. Meist produzierten die verwandtschaftlichen Liaisons einen famosen Kindersegen.

Und was lernen wir daraus für unsern Büroalltag? Es geht um das Prinzip von Nähe und Ferne. Produktiv und erfolgversprechend ist meist, was vertraut ist, aber nicht allzu nahe verwandt. Akquisitionen von Firmen etwa, die im genau gleichen Markt wie die eigene Firma tätig sind, gehen oft schief. Unternehmen in nahe verwandten, aber nicht identischen Märkten hingegen sind erfolgversprechende Kandidaten. Dasselbe Nähe-Ferne-Axiom zeigt sich im Personalbereich. Wenn der Finanzchef gleich tickt wie der CEO, ist das auf Dauer kontraproduktiv. Wenn er konträr tickt, ist es ebenso problematisch. Auch hier ist das Cousinen-Prinzip optimal.

Dass die Produktivität in der nahen Verwandtschaft am höchsten liegt, zeigte sich übrigens nicht nur bei Wachteln, sondern auch bei Mäusen und Kohlmeisen. Man sieht, die Sache zieht allmählich weitere Kreise.

Kurt W. Zimmermann ist Verlagsunternehmer. Er ist Kolumnist und Buchautor zu den Themen Medien und Outdoor-Sport. Zudem studiert er Biologie.