Bereits seit mehr als acht Jahren gibt es in Europa einen Emissionshandel (European Union Emission Trading System, kurz ETS), an dem sich alle 28 EU-Staaten plus Liechtenstein, Island, Norwegen und bald auch die Schweiz beteiligen. Ziel ist die Reduktion der CO2-Emissionen in der Industrie und bei der Energieherstellung. Doch seit ebenfalls acht Jahren trägt dieser Handel nichts zur Verringerung dieser Emissionen bei.

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Theorie und Praxis klaffen bei den Emissionszertifikaten weit auseinander. In der Theorie ist es die marktwirtschaftlich perfekte Lösung. Für jede Tonne CO2, welche die Industrie ausstossen möchte, muss sie ein entsprechendes Emissionszertifikat besitzen. Dieses Zertifikat kann an den Strombörsen in Leipzig und London gehandelt werden, wo sich dann der Preis für die Emission einer Tonne CO2 ergibt. CO2-Emittenten haben nun die Wahl: Sie können Zertifikate kaufen oder die Emissionen durch Investitionen in klimaschonende Technik senken und die dadurch eingesparten Zertifikate verkaufen. Natürlich werden sie die Variante wählen, die billiger ist. Auf diese Weise werden CO2-Emissionen dort eingespart, wo dies zu den geringsten Kosten möglich ist.

Nun kann dieser künstlich geschaffene Markt zwar im Idealfall eine optimale Allokation der CO2-Emissionen bewerkstelligen, jedoch muss die insgesamt erlaubte Menge an CO2-Emissionen durch den Staat vorgegeben werden. Und hier beginnt schon das Problem. Diese erlaubte Gesamtmenge wird im politischen Prozess zwischen den beteiligten Ländern ausgehandelt mit dem Resultat, dass Emissionszertifikate in viel zu grossen Mengen zugeteilt werden. Denn der Zertifikatehandel findet nur so lange bei allen betroffenen Parteien Gefallen, als CO2-Emissionen billig bleiben.

So herrscht praktisch seit Beginn ein gewaltiges Überangebot an Zertifikaten, und der Preis kannte bisher längerfristig nur eine Richtung: nach unten. Lag dieser zu Beginn noch bei Werten von über 20 Euro pro Tonne, so hat er sich inzwischen auf einem Niveau von etwa 5 Euro eingependelt. Ein Preis, der nicht den mindesten Anreiz setzt, tatsächlich CO2-Emissionen einzusparen.

Die tiefen Preise werden aber nicht nur durch grosszügige Zuteilung der Emissionszertifikate garantiert, sondern auch durch die Möglichkeit, mit Klimaschutzmassnahmen in Entwicklungs- und Schwellenländern an Zertifikate zu gelangen (Certified Emission Reductions). Industrien und Energieversorger können sich von CO2-Emissionen in Europa freikaufen, indem sie etwa in Ägypten Windräder aufstellen oder kurz zuvor abgeholzte Wälder in Tansania wieder aufforsten. Solche Outsourcing-Optionen des Klimaschutzes in Entwicklungsländern verringern in jedem Fall die tatsächlich benötigte Menge an CO2-Zeritifikaten, aber nur selten die Menge an emittiertem CO2.

Alle diese Probleme sind seit langem bekannt, ohne dass sie gelöst werden. So sollen etwa Emissionszertifikate, die bisher zum grössten Teil gratis zugeteilt wurden, in Zukunft vermehrt versteigert werden. Aber das betrifft nach wie vor nur einen kleinen Teil der Zertifikate und wird den Preis kaum nennenswert beeinflussen. Und an den Certified Emission Reductions wird eisern festgehalten. Tiefe Preise für CO2-Emissionen sind also auch in nächster Zukunft garantiert.

Mathias Binswanger ist Professor für Volkswirtschaftslehre an der Fachhochschule Nordwestschweiz.