Die jüngste Klimadebatte zur Frage, ob mehr CO2-Ausstoss tatsächlich zu einer Klimaerwärmung führe, erinnert an einen alten jüdischen Witz. Dieser geht folgendermassen: Ein streitendes Ehepaar kommt zum weitherum für seine Weisheit bekannten Rabbi, der helfen soll, den Streit zu schlichten. Zuerst schildert die Frau ihre Sicht der Dinge.

Der Rabbi hört ihr zu, denkt kurz nach und meint: «Du hast recht.» Dann schildert der Mann seine Sichtweise, die jener seiner Frau diametral gegenübersteht. Der Rabbi hört aufmerksam zu und meint schliesslich: «Du hast recht.» Unbefriedigt zieht das Ehepaar von dannen. Im Anschluss meint der Schüler des Rabbi, der bei dem Gespräch anwesend war: «Rabbi, das kann doch nicht sein, dass einander widersprechende Aussagen beide richtig sind.» Der Rabbi denkt sehr lange nach. Schliesslich meint er: «Du hast auch recht.»

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Gerade erst am 27. September hat der Uno-Klimarat IPCC seinen neuen Klimareport veröffentlicht, der einmal mehr feststellt, dass es fünf vor zwölf ist. Die Ursache des Klimawandels besteht gemäss dem Bericht hauptsächlich im Kohlendioxid (CO2). Der Klimarat ist sich «zu 95 Prozent sicher», dass die Erderwärmung überwiegend menschengemacht ist, und kann dies auch mit entsprechenden Studien belegen. Basis dieser Schlussfolgerung sind computergestützte Klimamodelle, welche die künftige Erderwärmung abschätzen. Es geht um die Frage, um wie viel die Temperaturen sich erhöhen, wenn die CO2-Gehalte der Atmosphäre sich verdoppeln.

Nur sind leider die Ergebnisse je nach Modell und verwendeten Daten völlig unterschiedlich.

Die Voraussagen für die Erderwärmung variieren zwischen null und zehn Grad. Noch im letzten IPCC-Bericht aus dem Jahr 2007 wurden drei Grad als wahrscheinlichster Wert angenommen. Da inzwischen aber keine weitere Erderwärmung stattfand, wurde der Wert im neuen Bericht erheblich nach unten korrigiert, als wahrscheinlich gelten jetzt 1,5 Grad. Dann geht die Fragerei noch weiter. Sind diese 1,5 Grad tatsächlich auf menschliche Aktivitäten zurückzuführen, oder sind sie das Resultat natürlicher Klimaschwankungen? Für alle Hypothesen gibt es entsprechende wissenschaftliche Belege.

Der Fortschritt von immer komplexeren empirischen Untersuchungen und Computersimulationen in der Wissenschaft liegt nicht darin, wichtige Fragen zu klären, sondern eine Angebotsvielfalt von Resultaten zu kreieren, von denen man sich dann jene aussuchen kann, die genehm sind. Durch Verwendung unterschiedlicher Daten und Parameter unterschiedlicher Modelle und unterschiedlicher statistischer Methoden kann man fast jedes gewünschte Resultat erzeugen. Und die unterschiedlichen Resultate können alle wissenschaftlich begründet werden, auch wenn die Ergebnisse einander widersprechen.

Wie im jüdischen Witz mit dem Rabbi haben alle im Rahmen ihrer Annahmen und Methoden recht. Die stets «exakter» und «raffinierter» werdenden Wissenschaften dienen am Schluss dazu, jeder vorgefassten Meinung einen passenden «Beweis» zu liefern. Denn je mehr Daten analysiert werden und je umfangreicher die Modelle sind, umso breiter ist auch die Angebotspalette von unterschiedlichen, aber gut begründbaren Resultaten. Sowohl der Klimaschützer als auch der Klimaskeptiker finden heute geeignete Forschungsergebnisse, die «unzweideutig» ihre Meinung unterstützen.

 

Mathias Binswanger ist Professor für Volkswirtschaftslehre an der Fachhochschule Nordwestschweiz.