Werde ich bald von einem Roboter ersetzt? Immer mehr Mitarbeiter stellen sich diese Frage. Denn Maschinen übernehmen zunehmend unsere Aufgaben. Autonome Staubsauger putzen unsere Wohnzimmer, Mähroboter kürzen unseren Rasen, selbstfahrende Busse bringen uns von A nach B. Direkt betrifft das: die Putzkraft, den Gärtner, den Chauffeur. Hinzu kommen der Robo-Advisor in der Bank oder der Robo-Anwalt in der Kanzlei.

Praktisch alle Jobs verändern sich durch Automatisierung und künstliche Intelligenz. «Was nicht vorhersehbar war, ist die Geschwindigkeit und das Ausmass der Veränderungen», sagt Rowan Trollope im Gespräch mit handelszeitung.ch. Trollope ist Chef des Bereichs Internet of Things, der Begriff beschreibt die Vernetzung von elektronischen Geräten mit dem Internet, beim IT-Giganten Cisco. «Unser System, also die Politik und das Bildungssystem, reagieren nicht schnell genug.»

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Sieben Millionen Jobs bedroht

Gemäss einer Studie des World Economic Forum werden in den nächsten fünf Jahren sieben Millionen Jobs durch Technologien ersetzt, aber nur zwei Millionen Jobs geschaffen. Besonders betroffen sind Büro- und Verwaltungsjobs, gefragter werden Profile in den bereichen IT und Ingenieurwesen. Um auf diesen Wandel zu reagieren, verändern sich Geschäftsmodelle rasant.

Bei Cisco kostet die Entwicklung vom Hardware-Unternehmen zum Softwarekonzern Tausende Stellen. Wie viele Jobs gleichzeitig geschaffen werden, ist nicht klar. Einfacher sei vorherzusagen, welche Jobs durch die Digitalisierung verdrängt würden, als welche geschaffen werden, sagt Trollope: «Ich hätte mir nie träumen lassen, dass ‹Instagram Model› mal eine Jobbezeichnung werden würde, aber anscheinend kann man damit viel Geld verdienen».

Mitarbeiter verunsichert

Die Veränderungen setzen zwangsläufig eine Transformation der Belegschaft voraus, neue Fähigkeiten und Qualifikationen sind gefragt. Nicht alle können mitgezogen, weitergebildet oder umgeschult werden. Mitarbeiter in vielen Firmen sind verunsichert. Für Angestellte gelte in diesen Zeiten, dass sie sich mehr mit neuen Chancen beschäftigen sollten, als Angst vor Stellenstreichungen zu haben, rät Trollope.

Um diese Chancen zu ergreifen, müssen Mitarbeiter sich weiterentwickeln. Die Verantwortung dafür liege sowohl beim Unternehmen wie auch bei der Einzelperson, sagt Martina Dalla Vecchia, Dozentin an der Hochschule für Wirtschaft FHNW zu handelszeitung.ch. Sie hat letztes Jahr das Seminar «Digital Leadership» lanciert, das Mitarbeiter im mittleren bis höheren Management fit für die Digitalisierung machen soll. «In Zeiten der Digitalisierung braucht es stärkere Führungsverantwortung, um den Mitarbeitenden Sicherheit zu geben», sagt sie. «Viele fürchten um ihren Arbeitsplatz oder dass ihre Qualifikationen zukünftig nicht mehr genügen».

Digitale Roadmap erstellen

Ideal sei es, einen persönlichen digitalen Entwicklungsplan zu haben. Für Führungskräfte bedeute dies, sich in digitalen Themen fit zu machen, um ein digitales Mindset zu entwickeln oder dieses zu stärken. Dalla Vecchia: «Eine ‹persönliche Digitale Roadmap› könnte beinhalten, dass man sich in den nächsten zwölf Monaten spezifisch mit dem Thema Datenschutz auseinandersetzt, Blogs liest, Events besucht, Youtube-Videos schaut, an Online-Kursen teilnimmt oder einen Zertifikatslehrgang im Bereich Digital Marketing absolviert.»

Was ihre Mitarbeiter betrifft, müssten Führungskräfte erkennen, wo diese bereits gut seien und sie dort abholen. «Es braucht neue Lernmethoden. Mitarbeiter sollten die Möglichkeit haben, Themen selbst zu entdecken», so Dalla Vecchia. Beispiele dafür seien Lernwerkstätten und Räume, in denen sich Angestellte austauschen können.

Weiterbildungen und Umschulungen

Firmen sollten ausserdem den Unternehmergeist der Mitarbeiter fördern und auf Weiterbildungen und Umschulungen setzen, sagt Trollope von Cisco. Der IT-Gigant hat zu diesem Zweck ein Programm mit 10'000 Cyber-Security-Scholarships gestartet. Ausserdem sei man dabei, ein Fortbildungsprogramm für Ingenieure zu lancieren, um diese für den Bereich künstliche Intelligenz zu schulen.

In der Schweiz suchten Dalla Vecchia zufolge immer mehr Menschen aus eigenem Antrieb Weiterbildungen. Oft stemmen Arbeitnehmer die Kosten dafür selbst, wenn der Arbeitgeber nicht bereit ist, diese zu übernehmen. «Die Menschen wissen: Sie verbesseren ihren Marktwert, um bei einem Stellenwechsel eine bessere Position zu erlangen», so Dalla Vecchia.

Menschen ersetzen Roboter


Weiterbildung hin oder her – nicht jeder Mitarbeiter kann sich zum Ingenieur oder Programmierer weiterbilden lassen. Bleibt die Frage, was mit den sogenannten Blue-Collar-Workern, also Industriearbeitern oder Handwerkern, passiert. «Daten zeigen, dass mehr White-Collar-Arbeiter von Robotern ersetzt werden, als Blue-Collar», sagt Trollope von Cisco.

Er erklärt das folgendermassen: «Im Bereich Robotics und künstlicher Intelligenz sagt man oft, dass etwas, das einfach aussieht, schwierig ist und umgekehrt». Nur weil die Arbeit eines Gärtners also einfacher scheine als die eines Chirurgen, ist sie nicht leichter zu ersetzen. «Es ist sehr schwierig, einen gärtnernden Roboter zu programmieren – während es relativ einfach ist, einen Roboter Röntgenbilder auf Anomalien scannen zu lassen», so Trollope.

«Mehr Flexibilität gefordert»

Dalla Vecchia rechnet damit, dass es auch für Menschen mit weniger guter Ausbildung neue Berufsbilder geben wird. «Künftig wird mehr Flexibilität gefordert sein. Menschen können in gewissen Jobs schneller und flexibler reagieren als Roboter, die erst umprogrammiert werden müssen.»

In gewissen Bereichen würden erste Roboter bereits wieder durch Menschen ersetzt. Etwa bei den Autobauern Toyota und Daimler: Hier wird die Automatisierung in gewissen Bereichen wieder heruntergefahren. «Den Firmen fehlen die Kreativität und Innovationskraft, die aus menschlicher Arbeit hervorgehen», so Dalla Vecchia. Ausserdem müssten viele Unternehmen oft schnell und flexibel auf Trends und Kundenwünsche reagieren. Bei Kleinserien sei die Automatisierung oft schlicht zu kostenintensiv. Das betrifft etwa den Flugzeugbau. «Hier punkten die Menschen», so Dalla Vecchia.

Mischform von Mensch und Maschine

Trollope von Cisco glaubt derweil an eine Zukunft der Arbeitswelt, in der man eine Mischform von Mensch und Maschine sehen wird: «Wir können Technologien dazu nutzen, Menschen zu verbessern. Die besten Mitarbeiter werden jene sein, die ihren eigenen Intellekt mit den Fähigkeiten der Maschine verknüpfen.» Man müsse sich ansehen, welche Technologien die Menschen verbessern und die langweiligen Arbeiten an Maschinen auslagern.

Grundsätzlich müsse aber auch die Gesellschaft einen Teil der Verantwortung für die arbeitende Bevölkerung übernehmen, sagt Dalla Vecchia: «Man weiss nicht hunderprozentig, was die Probleme der Zukunft sein werden. Darum ist es schwierig zu sagen, welche Jobs gefordert sein werden.» Es brauche Alternativszenarien, wie das zur Zeit diskutierte bedingungslose Grundeinkommen, welches Verschiebungen auf dem Arbeitsmarkt abfedern könnte.

Wer die wichtigsten digitalen Köpfe der Schweiz sind, sehen Sie in der Bildergalerie:

Redaktorin Caroline Freigang
Caroline Freigangschreibt seit 2019 für den Beobachter – am liebsten über Nachhaltigkeit, Greenwashing und Konsumthemen.Mehr erfahren