A woman’s place is on top», verkündete der T-Shirt-Bestseller der ersten American Women’s Himalayan Expedition, und tatsächlich erreichten Irene Miller und Vera Komarkova am 15. Oktober 1978 den Gipfel des Annapurna auf 8091 Metern. Zwei Sherpas gingen ihnen voraus. Zwei Kolleginnen, die am Tag darauf den Gipfelaufstieg ohne männliche Hilfe versuchten, stürzten ab. Auf den Geschmack der Top-Position gekommen, kreierten die Höhenbergsteigerinnen ihr nächstes T-Shirt: «It’s better on top», und stürmten 1980 ohne männliche Hilfe Richtung Dhaulagiri-Gipfel auf 8167 Metern – diesmal allerdings vergeblich.

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Früher bedeutete eine «expeditio» einen Kriegszug in unbekanntes Feindesland, Rückkehr ungewiss, und war darum Männern vorbehalten. Ausschliesslich wagemutige Mannsbilder stürmten zum Nord- und zum Südpol, auf Mount Everest und Nanga Parbat. Auch der Schweizer Alpenclub war XY-Chromosomen-Trägern vorbehalten, der Besuch von Frauen in unseren Himalaja-Basislagern der siebziger Jahre kreierte nervöse Hektik. Da wirkte noch das Diktum des berühmten Kletterers Paul Preuss: «Die Frauen sind der Ruin des Alpinismus.»

Inzwischen ist der Ruin eingetreten. Wir Männer sind dabei, unsere letzten Privilegien zu verlieren. Denken Sie daran, dass auch unsere anatomischen Vorteile zur Nutzlosigkeit verkommen, wenn Sie auf dem Gäste-WC aufgefordert werden: «Bitte im Sitzen pinkeln!» Die katholische Kirche und die Banken sind also bald die letzten Rückzugsgebiete für echte Kerle. Während Helena sich noch damit begnügte zuzuschauen, wie beim Krieg um ihr Becken Tausende von Helden starben, sind die Frauen heute die wahren Akteure. Das gilt auch für Höhenbergsteigen und «Expeditionen». So vermarkten derzeit geschminkte Abenteuerinnen am Schweizer Fernsehen eine motorisierte Schlittenfahrt auf Spitzbergen als «Expedition».

Das führt mich nun gänzlich unabsichtlich zu den Gründen und Methoden weiblichen Tuns, und naiv betrete ich vermintes Feuchtgebiet. Dass Frauen maximalen Erfolg wollen und manchen von ihnen dabei jedes Mittel recht ist, zeigen im derzeitigen Sommertheater Anführerinnen aus Wirtschaft, Politik und Journalismus. Erwähnt seien hier nur die Erbinnen reicher Unternehmer in der BILANZ, Urenkelinnen von Lady Macbeth in Bundesbern oder aktuell Rupert Murdochs Adlatin Rebekah Brooks in London. Da ist doch der Rücktritt der besten Schweizer Turnerin eine kontrastierende Wohltat und eine Geste der Vernunft. Vertrauter ist mir leider die Schonungslosigkeit von Höhenbergsteigerinnen. Frauen sollen ja leidensfähiger sein als Männer. Das zeigte sich an den Achttausendern: Bevor eine Frau schliesslich letztes Jahr mit Hilfe von Männern und allerlei Tricks alle 14 bestiegen hatte, waren fünf Kolleginnen bei ihren Versuchen umgekommen, darunter eine Mutter von zwei kleinen Kindern. Und während Ueli Steck aus Angst um seine Zehen am Mount Everest umkehrte, stieg Joelle Brupbacher in diesem Mai am Makalu über ihre Grenze hinaus ins unbekannte Land.

Auch propagandistisch wird intrigiert. In einem Blog lese ich, dass die blondeste Schweizer Bergsteigerin ihre männlichen Konkurrenten der Unfreiheit bezichtigt: Der Zwang zum Training für Spitzenleistungen nehme die Unbeschwertheit und Leichtigkeit. Nur hat sie selbst trotz von Ringier dokumentiertem Training schon länger keine Topleistung mehr erbracht.

Prof. Dr. med. Oswald Oelz war bis Ende Juli 2006 Chefarzt für Innere Medizin am Triemli-Spital Zürich. Der Bergsteiger und Buchautor liess sich mit 63 Jahren pensionieren.