Rundumkultur – Sozialverantwortung im Wirtschaften: Das Motto des zu Beginn der neunziger Jahre gegründeten Unternehmens ist bewusst zweideutig zu verstehen. Einerseits betreibt der Gründer, Patrick Honauer, seit 14 Jahren Bio-Knospe-zertifizierte Gastronomiebetriebe, die den Gast und dessen Wohlbefinden ins Zentrum stellen. Andererseits steht dahinter aber auch der in der Firma integrierte Verein Axis-Bildung, der im Unternehmen Lebens- und Lernfelder gestaltet und den Menschen einen nachhaltigen Zugang zur Arbeitswelt ermöglicht. Dies, indem in den drei Restaurants, in der Geschäftsstelle und einem Werkhof Ausbildungsplätze für Jugendliche mit schwierigem Hintergrund angeboten werden.
Zurzeit erhalten bei Axis-Bildung rund 50 Jugendliche ohne Berufsbildungschancen Zugang zu einer Ausbildung. «Wir bieten ihnen Lehrstellen in den Berufen Koch, Restaurantfachperson, Betriebspraktiker und Kaufmann beziehungsweise Kauffrau an», erklärt Renato Blättler, Mitglied der Geschäftsleitung von Axis-Bildung und Rundumkultur. «Dabei arbeiten wir mit den IV-Stellen, dem Bundesamt für Sozialversicherung, mit Jugendanwaltschaften, den Sozialbehörden der Gemeinden und dem nächsten Umfeld der Jugendlichen, wie Eltern oder anderen Begleitpersonen, zusammen.»
Ziel sei es, Jugendliche über die praktische Arbeit abzuholen, sie in der Axis-Bildungswerkstatt fachlich, praktisch und persönlich zu begleiten und in ihrer Entwicklung zu mehr Eigen- und Weltkompetenz zu unterstützen. «Wir sind keine geschützte Werkstatt», betont Blättler. «Das heisst, wir beziehen keine Staatsgelder für unsere Wirtschaftsbetriebe, sondern müssen Gewinn bringend arbeiten.»
Die Ausbildung der Jugendlichen ist nach den üblichen Vorgaben des Bundesamts für Berufsbildung und Technologie und den Bildungsverordnungen gestaltet und ermöglicht den Lernenden das Erlangen eines eidgenössischen Attests oder Fähigkeitsausweises. Während ihrer Lehrzeit durchlaufen die Lernenden drei Phasen: In Phase eins arbeiten sie in einem der erwähnten Betriebe in geschütztem Rahmen. «Dabei besuchen sie einen Tag pro Woche die Axis-Bildungswerkstatt sowie einen Tag unsere interne Schule.» Ziel des Vorgehens sei es, die Voraussetzungen zum Übertritt in eine Berufsausbildung in Phase zwei zu schaffen.
«In dieser besuchen die Jugendlichen während eines Tages pro Woche die normale Berufsfachschule und weiterhin unsere Axis-Bildungswerkstatt.» In Phase drei der Ausbildung arbeiten die Lernenden in einem Partnerbetrieb in der freien Wirtschaft. Dabei besuchen sie ebenfalls einen Tag pro Woche die Axis-Bildungswerkstatt sowie einen Tag die Berufsfachschule.
Ziele sind der Lehrabschluss und das Finden einer festen Anstellung. «Der Lehrvertrag und die Lohnzahlung bleiben weiterhin bei uns, sodass für unsere Partnerfirmen keinerlei Zusatzkosten entstehen. Zudem kümmern wir uns um die sozial- und sonderpädagogische sowie die therapeutische Begleitung der Jugendlichen und die Beratung und das Coaching der Berufsbildner in den Partnerbetrieben.»
Zu den externen Partnern, die bereits mit Axis-Bildung zusammenarbeiten oder sich für eine Zusammenarbeit interessieren, gehören neben der Compass Group und dem Technopark kleinere Unternehmen im Kanton Zürich wie Leo’s Homeservice GmbH oder die Bruno Röllin AG, die Betriebspraktiker-Lehrstellen anbieten. Was haben denn die externen Partner von der Zusammenarbeit? «Sie helfen mit, eine neue Bildungs- und Verantwortungskultur zu etablieren, nehmen als Unternehmen ihre soziale Verantwortung wahr und erhalten Unterstützung in ihrer Ausbildungstätigkeit durch die Axis-Bildungswerkstatt», sagt Blättler.
Es sei ihm bewusst, dass allfällige Partner derzeit vor allem Unternehmen seien, die bereits über ein Sozialverständnis verfügten. «Denn die wirtschaftliche Lage ist nicht so, dass sozialverantwortliches Wirtschaften im Zentrum des Interesses stehen würde.» Zudem bauen viele Firmen im Moment Lehrstellen ab. «Eine fatale Entwicklung, denn irgendwann wird der gut ausgebildete Nachwuchs fehlen.»
Renato Blättler stiess vor etwas mehr als einem Jahr zum Verein Axis-Bildung und zur Rundumkultur. Der 36-jährige diplomierte Hotelier SHV/VDH hat noch nie im sozialen Bereich gearbeitet. Gleiches gilt für seine Geschäftsleitungskollegin Tanja Geiger, die erst seit vergangenem Herbst als Finanzfachfrau bei Axis-Bildung und Rundumkultur mit von der Partie ist.
Was hat die beiden motiviert, sich vom normalen Karriereweg abzuwenden und einer Arbeit, die viel Idealismus und persönlichen Einsatz verlangt, zuzuwenden? «Mir fehlte bei meinen früheren Stellen die Beziehungsarbeit», erklärt die Treuhänderin. «Renato und ich kennen uns bereits lange und haben im Zulieferer-Auftraggeber-Verhältnis schon an einer Privatschule in einem anderen Bildungsprojekt zusammengearbeitet.» Die Idee von Axis-Bildung habe sie begeistert, und als Renato Blättler sie dann angefragt habe, ob sie die Stelle als Finanzverantwortliche übernehmen wolle, habe sie keine Sekunde gezögert.
«Als Unternehmer blicke ich auf eine schöne und klassische Karriere im Hotelbereich zurück», sagt Blättler. «Ich weiss, dass ich mich behaupten kann, und wollte auch immer Verantwortung für mein Tun und Handeln übernehmen. Innerlich finde ich aber keine Erfüllung darin, mich die Leiter im klassischen Sinn noch weiter hochzukämpfen. Meine jetzige Arbeit ist extrem befriedigend und hoch spannend für meine persönliche Entwicklung.»
Zu lernen und zu krampfen gibt es für die beiden auch in ihrer neuen Aufgabe viel. So steht im laufenden Jahr eine Reorganisation an. «Wir haben eine relativ komplizierte Organisation, weil der Verein mit der AG sehr eng zusammenarbeitet und umgekehrt», sagt Blättler. «Im laufenden Jahr wollen wir nun eine Prozessorganisation einführen: Gründer Patrick Honauer leitet den Prozess Entwicklung und Fortbildung, Renato Blättler die Berufs- und Fachausbildung. Tanja Geiger ist verantwortlich für die Finanzen und Ute Kümpel für den sozialpädagogischen Prozess.»
Künftig sollen kleinere Firmen unterstützt werden, die sich Axis-Bildung und Rundumkultur anschliessen, Ausbildungsplätze anbieten und ökologisch wirtschaften wollen. «Diversifikation ist ebenfalls ein Thema für die Zukunft, denn wir sind sehr gastronomielastig.»
Wie finanzieren sich eigentlich Axis-Bildung und Axis-Bildungswerkstatt? «Einerseits durch die Taggelder für unsere Jugendlichen, aber auch durch zahlreiche Gönner und Spender, andererseits durch die eigenen Gastronomiebetriebe», erklärt Tanja Geiger. Dazu zählen auch Stiftungen und Gemeinden, die uns Geld insbesondere für Investitionen sowie für klare Projekteingaben zur Erweiterung des Lehrstellenangebots zukommen lassen. Seit der Gründung sei kein Rappen Fremdkapital in die AG gesteckt worden. «Und das soll auch weiterhin so bleiben.»
Die AG besitzt im Moment ein Aktienkapital von 174 000 Franken. Als Aktionäre fungieren einerseits die Geschäftsleitungsmitglieder, andererseits wurden die Wertpapiere in den vergangenen Monaten breiter gestreut: Man findet Lieferanten, Gäste der Betriebe, Interessenten usw. unter den Aktionären. Alles Menschen, welche die Idee unterstützen. Zurzeit ist Blättler zudem intensiv daran, ein Fundraising-Konzept auszuarbeiten. Was das heisst, erklärt er am Beispiel der Axis-Bildungswerkstatt. «Da unterstützen uns diverse Zulieferer, indem sie uns Werkzeug und anderes Material zur Verfügung stellen. Die Zuwendungen sind jeweils zweckgebunden.»
Das Ziel für die Zukunft ist, mehr Ausbildungsplätze für Jugendliche mit schwierigem Hintergrund zu schaffen. «Im Moment müssen wir leider noch immer 40 bis 50 Bewerber pro Jahr abweisen.» Es steht zur Diskussion, ob Axis-Bildung in anderen Kantonen aufgebaut werden kann. Dies hängt davon ab, ob der Verein geeignete Partner für eine Zusammenarbeit gewinnen kann. «Denn unser Konzept und unser Ansatz in der Ausbildung sind einzigartig und eine heutige Notwendigkeit», so Tanja Geiger.
Rundumkultur
Gegründet: 1999
Umsatz: keine Angaben
Anzahl Mitarbeitende: 20
Geschäftsleitung: Patrick Honauer, Ute Kümpel, Renato Blättler, Tanja Geiger
Verwaltungsrat: Mitglieder der Geschäftsleitung sowie Vertreter aus dem Aktionärskreis
Finanzierung: eigenfinanziert, langfristige Darlehen von Nahestehenden
Geschäftsidee: Bewusstsein und Verantwortung im Wirtschaften
Philosophie: Rundumkultur stellt in der Firma den Menschen als Individuum im Rahmen der Ausbildungs-Organisation Axis-Bildung in den Mittelpunkt, dies unter Einbezug ökonomischer, sozialer und ökologischer Anliegen.
Führungsgrundsätze: Wir streben eine dialogische Führungskultur an. Zusammenarbeit heisst für uns autonome Kooperation zur Umsetzung der individuellen Initiativen. Wir lernen, eine umfassende Verantwortungskultur zu realisieren.
Junior Chamber
BILANZ präsentiert in jeder Ausgabe ein Beispiel von jungem Unternehmertum – in Zusammenarbeit mit der Junior Chamber Switzerland (JCS). Die Chamber ist das grösste Netzwerk von jungen Führungskräften und Unternehmern in der Schweiz. Weitere Infos und Angaben zu JCS-Veranstaltungen auf www.juniorchamber.ch