Schwieriger Abschied: Wie in der Schweiz gekündigt wird

Es ist eine schwierige und emotionale Situation – und es muss dennoch sachgerecht und professionell ablaufen: die Kündigung. Was läuft bei diesem Prozess in Schweizer Firmen professionell und sozial verträglich und was eher weniger? Wo sehen HR-Managerinnen und -Manager die drängenden Probleme? Das wollte die Beratungsfirma Von Rundstedt in einer Umfrage unter 950 HR-Verantwortlichen und anderen Führungskräften aus dem Personalbereich erfahren. Die Ergebnisse geben einen Einblick, wie oft etwa die viel diskutierte Altersgruppe der über Sechzigjährigen von Kündigungen betroffen ist und wie sich der Prozess der Kündigung verändert. «Der Schweizer Arbeitsmarkt erlebt bereits seit einigen Jahren eine paradoxe Zeit», sagt Von-Rundstedt-CEO Pascal Scheiwiller. «Während auf der einen Seite viele Firmen und Verbände einen grossen Mangel an geeigneten Fachkräften beklagen, bekundet auf der anderen Seite eine Gruppe Arbeitskräfte zunehmend Mühe, sich im Arbeitsmarkt zu halten.» Dabei erhitze vor allem die wachsende Ausgesteuertenquote der über Fünfzigjährigen die Gemüter. Insgesamt sieht Scheiwiller in der Schweiz aber eine nicht per se sozial ungerechte Kündigungskultur. Wie häufig wird Ü60 gekündigt?Bei rund 66 Prozent der in der Studie befragten Unternehmen ist man der Meinung, dass über Fünfzigjährige bei Kündigungen nicht oder kaum benachteiligt werden und gleich betroffen sind wie jüngere Arbeitnehmende. In der öffentlichen Wahrnehmung wird es häufig als verwerflich angesehen, wenn über Sechzigjährigen kurz vor der Pensionierung gekündigt wird. Trotzdem scheint dies in der Schweiz kein Tabu mehr zu sein. Bei rund 38 Prozent der Unternehmen wird auch den über Sechzigjährigen gekündigt, wenn es nötig ist. Das zeigt einerseits auf, dass über Sechzigjährige bei einem Grossteil der Firmen speziell geschützt werden. Bei immerhin 62 Prozent der Unternehmen wird über Sechzigjährigen kaum oder gar nicht gekündigt. Dazu kommt, dass bei 35 Prozent der Firmen in diesen Fällen Frühpensionierungen finanziert werden. Wie häufig wird virtuell gekündigt?Bis vor kurzem war es völlig verpönt, Kündigungsgespräche nicht persönlich durchzuführen. Schriftliche oder virtuelle Kündigungen waren glücklicherweise die seltene Ausnahme. Durch die Homeoffice-Pflicht (oder -Empfehlung) war es für viele Unternehmen jedoch teilweise schwierig, Kündigungen ordentlich und respektvoll vor Ort durchzuführen. Das hatte zur Folge, dass in der jüngsten Vergangenheit in mehr als einem Drittel der Firmen Kündigungen auch virtuell ausgesprochen wurden. Die gute Nachricht ist, dass trotz den widrigen Umständen nach wie vor fast zwei Drittel der Firmen auf persönlichen Kündigungsgesprächen vor Ort bestehen. Für Entlassene bedeutet der virtuelle Abschied eine verstärkte Stresssituation und Belastung. Warum sehen HR- Manager das Arbeitszeugnis als Problem?Es wird innerhalb der HR-Community schon länger darüber diskutiert, ob und inwieweit durch den zunehmenden Einsatz von Softwarelösungen bei der Erstellung von Arbeitszeugnissen die Qualität und Individualität der Zeugnisse verloren geht. Die Kausalität ist ziemlich unbestritten, das Ausmass aber unklar. Im Tessin und in der Romandie werden Arbeitszeugnisse grossmehrheitlich noch immer persönlich erstellt. Nur 30 Prozent der Firmen im Tessin und 36 Prozent in der Romandie arbeiten mit digitaler Softwareunterstützung. Deshalb erstaunt es nicht, dass im Tessin der Qualität und Individualität von Arbeitszeugnissen nach wie vor eine grosse Bedeutung beigemessen wird (60 Prozent). Es erstaunt jedoch, dass sich in der Romandie nur eine knappe Minderheit von 47 Prozent für die Qualität und Individualität der Arbeitszeugnisse einsetzt. In der Deutschschweiz liegt das Commitment ähnlich hoch wie im Tessin (57 Prozent), obwohl hier viel häufiger bei der Zeugniserstellung mit digitalen Tools gearbeitet wird (51 Prozent). Wie unterstützen Firmen Gekündigte?Schweizer Firmen zeigen sich allgemein grosszügig, wenn es um die Unterstützung von Gekündigten geht. Am meisten setzen Schweizer Arbeitgeber dabei auf frühzeitige Freistellungen (79 Prozent), gezielte Outplacement-Unterstützung (63 Prozent) und finanzielle Abfindungen (48 Prozent). Über die Hälfte der Befragten glaubt, dass in ihrem Unternehmen die Hilfsbereitschaft und Unterstützung besonders gross ist, nur 22 Prozent empfinden sie als klein. Was ist das Problem bei den Massenentlassungen?Bei Massenentlassungen fällt auf, dass die Kündigungsprofessionalität betreffend interner und externer Transparenz, Kommunikation, Prozesse, Konsistenz des Managements, Unterstützung der «Survivors» und der gezielten Unterstützung der Gekündigten polarisiert wahrgenommen wird. Die Einschätzungen sind meist regelmässig zwischen sehr professionell und gar nicht professionell verteilt. Daraus lässt sich ableiten, dass die Professionalität bei der Durchführung von Massenentlassungen in der Schweiz stark vom Unternehmen abhängt, und dies obschon dieser Bereich vom Gesetzgeber stärker reguliert ist. Allerdings ist zu erwähnen, dass wir hier einen signifikanten Unterschied zwischen den Sprachregionen festgestellt haben. So fallen in der Deutschschweiz die Professionalität und Qualität bei Massenentlassungen bei allen Merkmalen recht viel höher aus als in der Romandie. Auch betreffend interner und externer Transparenz erzielen die in der Deutschschweiz sitzenden Firmen einen klar höheren Wert.