Bei einer Bewerbung will sich jeder von seiner besten Seite präsentieren. Überraschend viele Schweizerinnen und Schweizer nehmen es dafür mit der Wahrheit nicht so genau. Das ergibt eine Analyse von 3.342 Bewerbungsdossier durch die Firma Aequivalent, die sich auf Mitarbeiter-Screenings spezialisiert hat. 

In 233 Dossiers, also sieben Prozent, wurden handfeste Lügen und bewusste Falschangaben aufgedeckt. Darunter fällt etwa ein erfundener Doktortitel. In 53 Prozent der Fälle kam es zu teilweisen Lügen und Übertreibungen, wenn etwa ein kurzes Praktikum zur mehrjährigen Festanstellung gemacht wird. In vielen Dossiers wurden zudem Nebentätigkeiten verschwiegen oder Qualifikationen erfunden, die der Bewerber gar nicht besitzt. "Hervorzuheben ist die 2018 verzeichnete Verdoppelung des Anteils der Dossiers mit falschen Angaben zu erhaltenen Diplomen und beruflichen Qualifikationen", erklärt Aequivalent-CEO Michael Platen. Waren solche Lügen im Vorjahr nur in 4 Prozent der Dossiers zu finden, sind es in diesem Jahr 8 Prozent.

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Bei fast 60 Prozent der in den Lebensläufen aufgeführten beruflichen Erfahrungen gibt es Ungenauigkeiten hinsichtlich der Stellenbezeichnung, des Anstellungszeitraums, der Stellenprozente oder des Arbeitsvertragstypus. Auch die Verweigerung der Einwilligung eines Bewerbers zur Kontaktierung eines ehemaligen Arbeitgebers oder das Fehlen eines Arbeitszeugnisses, vor allem bei Berufserfahrung in der Schweiz, kam bei den Screenings häufig vor. 

Grossteil der Dossiers aus der Finanzindustrie

28 Prozent der im Lebenslauf erwähnten Ausbildungen erwiesen sich als nach wie vor andauernd, abgebrochen oder auf einem niedrigeren Level als angegeben abgeschlossen. Das heisst, auch wenn jemand aus dem berufsbegleitenden Seminar zum Thema Business Administration geflogen ist, wird im Lebenslauf ein Titel angeführt. Die analysierten Dossiers stammen übrigens aus allen möglichen Berufsgruppen, von der Finanzindustrie, die den grössten Anteil ausmacht, der IT-Branche und dem Facility-Management.

Wenig Vorsicht lassen Bewerber auch bei ihrem Verhalten in Social Media walten - und schaden sich damit im Bewerbungsprozess. 37 Prozent der überprüften Personen veröffentlichen potenziell fragwürdige Inhalte im Internet. Darunter fallen Unstimmigkeiten im Lebenslauf, die Offenlegung vertraulicher Informationen, homophobe oder rassistische Äusserungen sowie wiederholte Anspielungen auf Gewalt, Nacktheit, Alkohol oder Drogen.

Amerikaner übertreiben noch mehr

Schweizer sind gemäss der Analyse übrigens nicht ehrlicher als andere beim Bewerbungsprozess. Deutsche und österreichische Arbeitnehmer scheinen wahrheitsgetreuer in ihren Angaben zu sein, so die Aequivalent-Zahlen. Bei Briten und US-Amerikanern kommt es zu noch mehr Verdachtsmomenten und Übertreibungen als hierzulande. 

Gemäss der Analysen weisen ausserdem junge Arbeitnehmer (bis 35) und solche die über ein externes Unternehmen im Betrieb beschäftigt sind ein höheres Risiko von Lügen und Übertreibungen in der Bewerbungsmappe auf. 

Stefan Mair
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