Ende 2016 lebten gemäss Eidgenössischem Departement für auswärtige Angelegenheiten 774 923 Schweizerinnen und Schweizer im Ausland, also einer von neun Schweizer Staatsangehörigen. Dabei gehen Schweizer natürlich nicht nur ins Ausland, um die Rente zu geniessen, sondern auch, um zu arbeiten und als Expat für kurz oder länger beruflich im Ausland Fuss zu fassen.Bei der Vorbereitung eines solchen Auslandsaufenthalts sind unendlich viele Themen zu bedenken. Während bei vielen Ratgebern vor allem das Thema kulturelle Anpassung im Mittelpunkt steht, ergänzt das im Beobachter Verlag erschienene Buch «Auswandern – Neustart im Ausland» kulturelle Themen mit den eher trockenen, aber umso wichtigeren Bereichen Versicherungen, Finanzen und Jobsuche im Ausland.

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Die Autorin Christine Brand sieht in der Schweiz gar eine «Auswanderernation», die aber oft von Ängsten vor diesem bedeutenden Schritt gehemmt wird. «Es tauchen viele ‹Aber› auf, sobald man ernsthaft über das Thema Auswandern nachdenkt. Das fehlende Geld oder die Angst, in der Schweiz nie wieder eine Stelle zu finden, wenn man zurückkehrt», so Brand. Die Autorin erläutert den Prozess von ersten Überlegungen bis zu einer eventuellen Rückkehr in die Schweiz in fünf Kapiteln. Besonders umfangreich ist der Abschnitt über die Stellensuche im Ausland, in dem sich die Autorin die Mühe macht, alle Hürden und Problemchen bei den Themen Krankenversicherung, Unfallversicherung, Arbeitsvertrag oder Jobsicherheit im Ausland aufzudröseln.

Finde ich wieder einen Job?

Aufgelockert wird die Lektüre durch Erfahrungsberichte von Schweizerinnen und Schweizern, die den Sprung nach draussen gewagt haben. Dabei wird nichts beschönigt. Die Expats erzählen über kulturelle Anpassungsprobleme, übergriffige Behörden, schlechte Bausubstanz und Jobunsicherheiten. Dennoch ist den meisten Befragten gemeinsam, dass sie den Schritt raus aus der Schweiz und in eine neue Arbeits- und Lebenswelt nicht bereut haben.

Hilfreich für Auswanderungswillige sind die Empfehlungen, wie man einen tragfähigen Finanz- und Auswanderungsphasenplan entwickelt. Hier spielt es eine nicht unwesentliche Rolle, wie viel finanzielle Mittel man eventuell aus den Schweizer Vorsorgesäulen mit in sein Abenteuer nehmen kann. Nicht zuletzt deshalb, weil viele völlig verzerrte Vorstellungen vom angeblich so niedrigen Kostenniveau in anderen Ländern haben.
In einem Interview mit dem Psychiater Thomas Ihde, das im Buch abgedruckt ist, wird zudem erläutert, was das Auswandern aus psychologischer Sicht so schwierig macht – und vor allem, was die Eingewöhnungsphase in fremden Ländern erleichtert oder erschwert. «Man erfährt bei einer Auswanderung immer wieder Mikro- oder Makro-Entwertungen», so Ihde.

Scheitern einkalkulieren

Viele Auswanderer unterschätzten, in wie vielen Bereichen sie «verwundbar» werden; das kann etwa durch eine gar nicht böse gemeinte Bemerkung geschehen oder durch strukturelle Probleme oder Schwierigkeiten mit Aufenthaltstiteln. Menschen, die ihr ganzes Leben in der relativen Komfortzone Schweiz verbracht haben, reagieren auf diese Entwertungsvorgänge ganz unterschiedlich – wie genau, weiss man aber vor der effektiven Auswanderung nicht. Deswegen würden auch so viele Auswanderer «scheitern» und irgendwann wieder in ihr Heimatland zurückkehren.

Trotz seinen überschaubaren 200 Seiten ist der Ratgeber ein Must-read für Auswanderungswillige. Wer sich für eine kritische Auseinandersetzung mit dem Lebenstraum Auswandern interessiert, ist mit dem Berater gut bedient. Nicht zuletzt die umfangreiche Sammlung von Schweizer Institutionen, Medien, Bildungsinstitutionen und qualitätsvolle Internetressourcen zum Thema ist unverzichtbar. Die Autorin selbst, ehemals Journalistin für «NZZ am Sonntag» und SRF, hat übrigens selbst eine starke Auslandssehnsucht, obwohl sie nicht ausgewandert ist. Sie lebte mehrere Wochen in Sydney, Kapstadt, Lissabon und Havanna und besuchte unter anderem bei einer siebenmonatigen Weltreise sechzig Länder.

Christine Brand: «Auswandern – Neustart im Ausland», 31 Fr. Beobachter Edition

 

Stefan Mair
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