Letzte Prüfungen geschrieben, Bachelorarbeit abgegeben, Masterarbeit verteidigt oder sogar erfolgreich doktoriert – viele schliessen aktuell ihr Studium ab. Jahre der Qual oder die beste Zeit des Lebens? Die Meinungen zur Studienzeit gehen oft weit auseinander. Ebenso die Höhe der Einstiegslöhne, die es beim Berufseinstieg gibt. 

180’000 Franken Jahreslohn direkt nach dem Studium erwarten die geschicktesten Coder aus den IT-Schmieden der ETH und Co., wie die «NZZ» schreibt. US-amerikanische Big-Tech-Firmen bauen ihre Standorte in der Schweiz aus und suchen dafür die Universitäten nach dem talentiertesten Nachwuchs ab.

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Der Schweizer Medianlohn ist weniger als die Hälfte

2023 lag der Schweizer Vollzeit-Medianlohn nach Angaben des Bundesamtes für Statistik (BFS) bei 84’500 Franken im Jahr. Median bedeutet, dass genau 50 Prozent der Vollzeitbeschäftigten weniger und 50 Prozent mehr als diesen Betrag verdienen. Herr und Frau Schweizer verdienen also nicht halb so viel wie ihr Nachwuchs mit IT-Expertise.

Und wie viel erhält jemand, der nach dem Studium keinen Job bei einer Big-Tech-Firma angeboten bekommt? Der Beobachter untersuchte die Median-Einstiegslöhne nach Bildungsabschluss in den verschiedenen Branchen. Die Zahlen gehen aus einer im Herbst 2024 veröffentlichten BFS-Studie hervor.

Ein Jahr nach dem Studium öffnet sich die Schere weit. Während ein Bachelor in Wirtschaftswissenschaften (Betriebs- oder Volkswirtschaftslehre) 80'000 Franken einbringt, gibt es mit einem Bachelor in Medizin nur 45'000 Franken – eine Tatsache, die die Universität Zürich damit erklärt, dass das Medizinstudium erst nach dem Master und der eidgenössischen Prüfung als vollständig gilt.

Nach dem Studium ab ins Praktikum

Ebenfalls auffällig ist die Situation in den Rechtswissenschaften: Nach dem Bachelor verdienen Jus-Absolventen und -Absolventinnen zunächst 63'300 Franken. Erstaunlicherweise steigt dieser Wert nach dem Master kaum an, auf lediglich 65'000 Franken. Doch wieso dieser geringe Anstieg zwischen Bachelor und Master, gefolgt von einer annähernden Verdoppelung des Lohns auf 120’000 Franken nach dem Doktorat? René Rall, Generalsekretär des Schweizerischen Anwaltsverbands (SAV), erklärt dies mit dem obligatorischen einjährigen Praktikum in einer Anwaltskanzlei, das für die Anwaltsprüfung notwendig ist und üblicherweise nach dem Masterabschluss absolviert wird.

Fünf Jahre nach dem Studium ebnen sich die Lohnunterschiede zwischen den Fächern ein. Besonders in den zuvor niedriger entlöhnten Bereichen Recht und Technik steigen die Gehälter. Auch der Abstand zwischen den höchsten und tiefsten Medianlöhnen verringert sich: Lag dieser beim Berufseinstieg zwischen Wirtschaft (bestbezahlt) und Medizin (schlechtestbezahlt) noch bei 35'000 Franken, schrumpft er nach fünf Jahren auf 27'000 Franken und liegt dann zwischen Recht und technischen Wissenschaften.

Jus-Löhne steigen am meisten

Die beeindruckendste Lohnsteigerung ist in den Rechtswissenschaften zu beobachten: Der Medianlohn für Jus-Bachelor-Absolventen wächst um 63 Prozent auf 103'000 Franken. Auch bei Jus-Master-Absolventinnen in Rechtswissenschaften um 60 Prozent auf 104'000 Franken. Auffallend ist, dass der Jahresmedianlohn von Rechts-Bachelor-Absolventen nach fünf Jahren lediglich 1000 Franken unter jenem der Master-Absolventen liegt.

Die hohen Löhne von Google und Co. liegen also nicht nur über dem Schweizer Medianlohn, sondern auch weit über den Löhnen, die die meisten Uni-Absolventen anderer Fachrichtungen erwarten können. Sind solche Löhne eine Bedrohung für die Schweizer IT-Branche, weil die talentiertesten Coderinnen von den namhaften US-Unternehmen abgeworben werden? 

Es kommt nicht nur auf den Lohn an

Philipp Binaghi vom IT-Fachverband SwissICT macht sich darüber keine Sorgen. «Ein hoher Lohn sagt nichts über die Arbeitsbedingungen aus», findet er. Gerade bei US-Tech-Firmen gelten oft andere arbeitsrechtliche Rahmenbedingungen als in der Schweiz. «Für viele junge Fachkräfte sind Stabilität, familienfreundliche Arbeitsmodelle oder flexible Arbeitsformen wie Homeoffice und Workation mindestens genauso entscheidend wie ihr Salär, auch schon nach dem Studium.»

Der Artikel erschien zuerst beim «Beobachter» unter dem Titel «So viel verdienen Uni-Abgänger in der Schweiz»