Die Finanzkrise machte vor zehn Jahren auch vor den Besitztümern der Allerreichsten nicht halt. Seither sind deren Vermögen allerdings stark gewachsen, pro Jahr im Durchschnitt um 5,3 Prozent oder 28 Milliarden Franken. Doch 2018 war Stagnation angesagt: Die Vermögen der 300 Reichsten in der Schweiz sind noch um 0,2 Prozent gewachsen. In absoluten Zahlen entspricht das einer Zunahme von 1650 Millionen Franken.

Der gesamte Vermögensbestand stellt sich auf beeindruckende 675 300 Millionen, einen neuen Rekord.

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Das durchschnittliche Pro-Kopf-Vermögen der 300 Reichsten der Schweiz – dazu zählen Personen mit dem roten Pass oder Ausländer, die sich in der Schweiz niedergelassen haben und entsprechend Steuern bezahlen – beträgt 2251 Millionen Franken.

Von den Rahmenbedingungen her hätte auch dieses Jahr einen höheren Vermögensschub bringen sollen. Weltweit brummt die Konjunktur; die Kunstmärkte boomen; das Immobiliengeschäft liefert immer noch ansprechende Gewinne; die Nachfrage nach Luxus hat sich spürbar belebt. Dagegen verlor Gold, mit dem mancher unter den Reichsten sein Portfolio gerne anreichert, an Glanz – sprich an Wert. Auch die Preise einiger Rohstoffe, Quell manch grosser Vermögen, zeigten südwärts. Doch am meisten an den Kontoständen vieler Reichster gezehrt haben die rückläufigen Aktienkurse an den europäischen Börsen.

Minus 7 Milliarden in 52 Wochen

Das Plus von 0,2 Prozent ist schon fast eine Zufallsgrösse. Denn unter den Reichsten der Reichsten kam es bei den Vermögen zu starken Verschiebungen – nach oben wie nach unten. Vor allem bei den zehn Reichsten hat es kräftig gerappelt.

Einen Riesenverlust, zumindest auf dem Papier, registriert der Brasilien-Schweizer Jorge Lemann, dessen Vermögen innert 52 Wochen um 7 Milliarden Franken schmolz. Schuld an der Einbusse: die Aktienmärkte. Alleine seine Beteiligung am weltgrössten Bierbrauer AB InBev, Hauptpfeiler des lemannschen Vermögens, verlor sechs Milliarden an Wert. Dessen ungeachtet hat er unter den zehn Reichsten der Schweiz lediglich einen Platz verloren und musste Rang zwei für die Roche-Erben Hoffmann und Oeri räumen.

Massiv Geld an den Börsen verloren hat auch Viktor Vekselberg. Nachdem der Wahlschweizer im April auf die Russland-Sanktionsliste der US-Regierung geraten war, kamen seine Anteile an Sulzer, OC Oerlikon und Schmolz + Bickenbach unter die Räder. Doch auch die breit gefächerten Beteiligungen in seinem Heimatland verloren grösstenteils massiv an Wert. Vekselberg musste seinen langjährigen Platz unter den zehn Reichsten des Landes räumen. Aus den Top Ten gefallen ist auch die Familie Blocher. Die Schwäche der Ems-Chemie-Aktien sowie der tiefe Sturz der Papiere von Dottikon ES hat ihre Habe um 1 Milliarde geschmälert. Mit einem Restvermögen von 10 bis 11 Milliarden Franken besteht dennoch kein Grund zur Klage.

Um 8 Milliarden reicher

Dank einem Zuwachs von zwei Milliarden Franken neu unter die Top Ten vorgerückt ist die Familie Jacobs. Ebenfalls frisch aufgeführt wird Gérard Wertheimer. Er hat gleich 8 Milliarden zugelegt und ist nun mit 18 bis 19 Milliarden Franken die Nummer fünf unter den 300 Reichsten. Der Grund seines Aufstiegs ist eine Neueinschätzung: Erstmals hat das französische Modehaus Chanel, das Gérard Wertheimer zusammen mit seinem Bruder Alain zu je 50 Prozent besitzt, Ertragszahlen veröffentlicht. Und diese liegen weitaus höher als von Analysten sowie BILANZ bisher eingeschätzt. Auch weitere Reichste verzeichneten 2018 starke Schwankungen bei ihren Vermögen.

Seit vielen Jahren führt die Familie Kamprad die 300 Reichsten an. Nach einem Plus von zwei Milliarden steht sie mit 50 bis 51 Milliarden Franken zu Buche. Seit dem Tod des Möbelhändlers Ingvar Kamprad im Januar teilen sich die drei Söhne Peter, Jonas und Mathias Kamprad, alle mit dem Schweizer Pass versehen, in die Ikea-Gruppe.

Vor Wochen machte in der Weltpresse eine Meldung die Runde, wonach die Sprösslinge vom Vater lediglich 146 Millionen Franken vererbt bekommen hätten. Doch dabei handelt es sich nur um die Haushaltskasse. Die Unternehmen selbst sind in diversen Familienstiftungen untergebracht, auf die das brüderliche Trio Zugriff hat. Mit dem Verweis auf die Stiftungen hat das US-Magazin «Forbes» einst das geschätzte Vermögen der Kamprads um neun Zehntel zusammengestrichen. Und dazu geschrieben: «Wir sind nicht sicher, ob dies ein unglaublicher Akt von Freigiebigkeit ist oder der grösste Steuercoup der Geschichte.» Familienstiftungen sind in den USA unbekannt.

Die Kamprad-Sprösslinge sollen vom Vater lediglich 146 Millionen Franken vererbt bekommen haben. Doch dabei handelt es sich nur um die Haushaltskasse.

30 Jahre ist es her, seit BILANZ die Reichsten der Schweiz erstmals Parade laufen liess. Damals wurden 100 Personen oder Familien erfasst, die zusammen 66 Milliarden Franken besassen. Von wenigen Ausnahmejahren abgesehen, haben die Vermögen der Reichsten seither kräftig zugelegt. Die 66 Milliarden, die einst Erstaunen auslösten, werden heute alleine von den Familien Kamprad sowie Hoffmann und Oeri locker um mehrere Milliarden übertroffen. Das Wachstum lässt sich auch an der Entwicklung des Pro-Kopf-Vermögens ablesen: Damals waren es 660 Millionen, heute liegt es beim 3,4-Fachen.

134 Milliardäre gibt es in der Schweiz

«Forbes» ortet in der Schweiz 36 Milliardäre. Anderen Ländern zugeschlagen werden etwa Jorge Lemann, Charlene de Carvalho-Heineken, Klaus-Michael Kühne oder Viktor Vekselberg, berühmte Namen aus der BILANZ-Liste der 300 Reichsten. «Forbes» zählt nur jene Milliardäre, die Schweizer sind – und auch da erscheinen viele nicht auf dem Radarschirm der Amerikaner. Wir dagegen erfassen auch jene Reichsten, die zwar Ausländer sind, sich aber in der Schweiz niedergelassen haben, bei der Wohngemeinde angemeldet sind – und hier Steuern bezahlen.

Deshalb zählt BILANZ in der Schweiz weitaus mehr Milliardäre, nämlich deren 134. Und ja, die Mehrheit stellen die Wahlschweizer.

Darunter sind viele, die seit Jahrzehnten hierzulande wohnen – und für zahlreiche Arbeitsplätze sorgen: so die Familie Liebherr mit ihrem gleichnamigen Baumaschinenkonzern oder Klaus-Michael Kühne mit seinem Logistikunternehmen Kühne + Nagel.

15 Neue unter den 300 Reichsten

Wie jedes Jahr präsentiert BILANZ auch 2018 neue Namen. Diesmal sind es neu 15 Reichste, die ein Vermögen von mindestens 100 Millionen Franken besitzen. Denn so hoch ist die Schwelle, die zum Eintritt in den Club der 300 Reichsten berechtigt. Zusammen besitzen die Neuen 6,6 Milliarden. Den bekanntesten Namen trägt Urs Hölzle. Seit 20 Jahren ist er Technologiechef von Alphabet, dem Mutterkonzern von Google, und damit Herr über 20 Rechenzentren und Zigtausende Server. In seiner Zeit bei den Kaliforniern hat der gebürtige Liestaler über Aktien und Optionen ein geschätztes Vermögen von 900 bis 1000 Millionen Franken angehäuft.

Wohlbekannt in Politikerkreisen ist Hermann Hess. Der 66-Jährige war der grösste Unternehmer in der FDP-Fraktion in Bundesbern, nach nur zwei Jahren räumte er seinen Sitz. Heute verwaltet Hess ein Immobilienportfolio im Wert von über 200 Millionen Franken.

Britischer Adel hält Einzug

Britischen Titularadel trägt Sir Henry Angest in die Liste. Der gebürtige Basler zog in den 1970er Jahren nach London, blieb dort und hat es zum VR-Präsidenten, CEO und Hauptaktionär der Arbuthnot Banking Group gebracht. Für einen klangvollen Namen unter den Modemachern sorgt neu Stella Ahlers: Die 53-jährige promovierte Theologin steuert von Zug aus die Männermodegruppe Ahlers.

Wo 15 neue Namen aufscheinen, muss dieselbe Anzahl aus der Liste gestrichen werden, um die selbst gesetzte Obergrenze von 300 Reichsten zu wahren. Vom wohl etwas zu kühlen Kilchberg nach Miami gezogen ist der Immobilienunternehmer Ralph Winter. Nach Jahren des Aufenthalts im Waadtland hat auch der Brite James Ratcliffe, milliardenschwerer Hauptaktionär des Chemiekonzerns Ineos, seine Koffer gepackt und ist gen London verreist.

Gestorben ist Media-Markt-Mitgründer Erich Kellerhals, Witwe Helga verlegte ihren Lebensmittelpunkt vom Tessin nach Salzburg. Ebenfalls verstorben sind Andreas Goer, einst Herr über 30 000 Güterwaggons, sowie Fiat-Chefpilot Sergio Marchionne.

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