Der Tod des Übervaters schweisst die Partnerschaft zusammen: Mehr als 200 Mitarbeiter des globalen Personalberaters Egon Zehnder wählten sich nach Bekanntwerden des Ablebens des Firmengründers in ein Town Hall Meeting ein, um des legendären Gründers zu gedenken. Die meisten von ihnen hatte er noch selbst gekannt.

Er ging im Alter von 91 Jahren, mit Rekordzahlen für die Firma, die seinen Namen um die Welt trug. Als einziger europäischer Anbieter hat es Zehnder geschafft, in die Phalanx der Amerikaner einzubrechen und im Executive Search sogar zur weltweiten Nummer eins aufzusteigen.

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Sehr erfolgreich ist es Zehnder in den letzten Jahren auch gelungen, die Sparte der Evaluation von Konzernleitungen und Verwaltungsräten auszubauen – das Geschäft erzielt mittlerweile gegen ein Drittel der Erträge von geschätzten 700 Millionen Franken.

Formal hatte der Gründer die Macht längst abgetreten. Der letzte Schritt war 2012 die Übergabe der sogenannten A-Shares an die Partnerschaft: Sie gaben ihm ein Vetorecht bei zentralen Entscheidungen und bei der Namensgebung.

Als Berater sind zwar seine Söhne Andreas und Peter Zehnder noch in der Firma aktiv, doch sie sind Partner wie alle anderen auch. Es war die wohl grösste Tat des Gründers, seine Aktien an die Partner zu verschenken und so für einen reibungslosen Übergang an die nächste Generation zu sorgen.

Villa Zehnder

VILLA ZEHNDERDie Mitarbeiter ziehen im Frühjahr aus dem Stammsitz am Zürichberg.

Quelle: David Biedert

Seine Firma wie etwa der deutsche Beraterdoyen Roland Berger zum besten Preis an seine Nachfolger zu verkaufen, war für ihn undenkbar: «Das wäre schäbig gewesen», verfügte er vor acht Jahren in der BILANZ-Titelstory «Die Firma», in der sich die verschwiegenen Berater bislang zum einzigen Mal gegenüber den Medien öffneten.

Den Impuls zur Firmenidee hatte dem jungen Egon Zehnder einst der legendäre Alfred Schaefer gegeben, in den sechziger Jahren Chef der UBS-Vorgängerbank SBG. Zehnder, der in Harvard studiert hatte, baute damals für den amerikanischen Headhunter Spencer Stuart das Europa-Geschäft auf.

«Mit Ihrem Provisionsmodell sind Sie ja ein Broker für Köpfe», hatte ihm Schaefer zugeworfen, als Egon Zehnder ihm einen Kandidaten vermittelt hatte. Zehnder fühlte sich fast schmutzig – es störte ihn, dass er nicht als Berater auf Augenhöhe, sondern als Provisionsjäger gesehen wurde.

So entwickelte er mit seiner Firma ein Modell, das heute noch Bestand hat: Keine Bezahlung über Provision wie bei der Konkurrenz, sondern Beratung auf Fixpreis-Basis und eine gleichmässige Verteilung des Gewinns unter den Partnern. Das Wort «Headhunter» war für Zehnder ein Schimpfwort – und ist es auch heute noch unter den mehr als 500 Beratern.

Utoquai Egon Zehnder

NEUES BÜRO: Am Utoquai 55 am Zürcher Seeufer belegt Egon Zehnder ab dem Frühling eine Etage.

Quelle: David Biedert

Bis Ende Oktober kam Egon Zehnder noch jeden Morgen in sein Büro am Zürichberg, gerade 200 Meter von der Zehnder-Zentrale entfernt – stets mit Krawatte, allem neumodischen Unbill zum Trotz.

Ein Familienfoto dort zeigte ihn im Kreis seiner fünf Kinder und 16 Enkelkinder – mit dem Kommentar: «Der Einzige, der auch am Wochenende eine Krawatte trägt.» Er liess es sich fast bis zum Schluss nicht nehmen, neue Kräfte noch selbst zu treffen. Obwohl doppelt geimpft, schwächte ihn am Ende das Coronavirus zu stark.

Den Wegzug aus der Zehnder-Villa, die ihm gehörte, erlebt er nicht mehr: Im Frühjahr verlassen die knapp 50 Mitarbeiter ihren langjährig so innig gepflegten Stammsitz am Zürichberg und ziehen in das frisch renovierte Gebäude am Utoquai 55.

Die 18 Berater haben keine fixen Büros mehr. Im nächsten Jahr steht auch die Neuwahl des formal obersten Repräsentanten der Partnerschaft an. Die bisherige Chairwoman Jill Ader tritt nach vier Jahren ab, weil sie die Altersgrenze von 62 Jahren erreicht. «Die Abläufe sind längst modernisiert», betont der langjährige Partner Philippe Hertig. «Aber Egons Werte werden immer weiterleben.»

Dirk Schütz
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