Herr Bhatia, 2022 ist für Anleger und Geldverwalter eine Katastrophe. Wie steht es um Ihre Branche?

Das Asset Management befindet sich in einer Transitionsphase. Nach der Finanzmarktkrise wurde der Fokus immer stärker auf Gebühren gelegt. Die meisten Anlageklassen brachten über viele Jahre wie von selbst eine ansehnliche Performance, so konzentrierten sich die Investoren auf die Kosten. Nun haben wir bei den Fees die Talsohle erreicht, und bei den Anlagen sind Gewinne viel schwieriger erziel- und prognostizierbar. Der Fokus wandert jetzt von den Kosten wieder auf den Anlageerfolg. Das ändert die Struktur der ganzen Branche.

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Inwiefern?

Die Zeit, in der es vor allem auf die Grösse und Skaleneffekte ankam, ist vorbei. Die Annahme «Je grösser ein Asset Manager, umso besser» stimmte wohl nie und jetzt noch viel weniger. Bei passiven Anlagen verhilft die Grösse zu tieferen Kosten. Beim aktiven Investieren steht die Grösse mitunter im Weg. Der Sweet Spot bei den Anlagevermögen liegt derzeit bei 200 bis 1000 Milliarden Dollar. Die besten Asset Manager befinden sich dort.

Was ist das Problem, wenn es über die Billion geht?

Dann muss man in alles investieren, was angeboten wird, ist also wieder ganz in der Nähe der Indizes. Es gibt keine Anlageklasse, die gross genug wäre, um mit so einem Volumen die nötigen Spezialisierungen vorzunehmen.

Die Kostendiskussion kam auch auf, weil die meisten Fondsmanager ihrer Benchmark über längere Frist hinterherlaufen.

Bei Large Caps ist es tatsächlich schwer, den Vergleichsindex zu übertreffen, aber im Bereich der Small Caps und in vielen Emerging Markets sieht es ganz anders aus. Da gibt es viele Firmen, die von Analysten übersehen werden. Dort ist der Markt nicht effizient. Gute Fondsmanager nutzen dies und schlagen ihre Benchmark deutlich. Auch im Bereich der High Yield Bonds macht es keinen Sinn, den Index zu kaufen. Bei Anleihen entscheidet über den Anlageerfolg zudem auch die Wahl der richtigen Laufzeit.

Von Kanpur nach New York

Kamal Bhatia wuchs als Sohn eines Chemieprofessors in der indischen Metropole Kanpur auf. Für seinen Master (Advanced Computer Science) ging er in die USA und startete im Anschluss direkt in der Finanzindustrie. Seit seinem Eintritt bei Principal 2019 ist er COO von Principal Asset Management. Principal verwaltet für Kunden 500 Milliarden, rund 5 Milliarden stammen aus der Schweiz. Kamal Bhatia lebt in New York.

Bei negativen Zinsen fühlte sich ein Prozent Kosten besonders hoch an. Sind die höheren Zinsen für Asset Manager ein Vorteil?

Nein, im Gegenteil. Wenn Cash schon vier Prozent Rendite generiert, muss ein Asset Manager umso mehr machen. Zudem hat der Markt korrigiert. Die Investoren mochten Negativzinsen nicht, eine negative Performance noch viel weniger.

In den vergangenen 100 Jahren lag die Rendite an den Aktienmärkten im Schnitt bei 7 Prozent. Ist so ein Niveau überhaupt noch erreichbar?

Ich glaube, die Renditen werden in Zukunft deutlich tiefer sein. In den nächsten 10 bis 15 Jahren müssen sich Anleger wohl mit 4 bis 5 Prozent zufriedengeben. Bei einem klassischen 60:40-Portfolio dürften es 3 bis 4 Prozent sein.

Lässt sich die Kaufkraft mit einem klassischen 60:40-Depot angesichts der hohen Inflationsraten überhaupt erhalten?

Das wird nicht leicht. Um die Inflation wettzumachen, ist ein grosser Anteil von Sachwerten notwendig. Ich denke hier nicht an Gold, sondern an Aktien, Immobilien oder Infrastrukturanlagen. Derzeit würde ich nicht auf das klassische 60:40-Depot setzen, sondern auf eine Mischung aus 80 Prozent Risikoanlagen und 20 Prozent Cash. Ein Viertel der Risikoanlagen sollten Sachwerte sein. Die verbessern die Inflationsresistenz des Portfolios, insbesondere Rohstoffe und Infrastruktur. Börsenkotierte Infrastruktur hat in der Vergangenheit in Zeiten höherer Inflation höhere Renditen erzielt als globale Aktien.

Welchen Titeln abseits der Infrastruktur liegt ein inflationäres Umfeld?

Firmen mit starker Preissetzungsmacht, sogenannten Quality-Growth-Titeln, wie sie häufig im Konsumgüterbereich zu finden sind.

Kurzfristig bestimmt an den Märkten die Frage einer Rezession das Geschehen. Rechnen Sie mit einer?

In den USA erwarte ich eine milde Rezession – etwa drei Quartale mit negativem Wachstum und drei Quartale mit Nullwachstum. In Europa sieht es etwas düsterer aus. Hier dürften es vier oder sogar fünf Quartale mit negativen Wachstumsraten sein. Die Schweiz ist unabhängiger von der Industrie und sollte sich besser schlagen.

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Sie erwarten eine Rezession, raten aber zu Aktien. Wie passt das zusammen?

Wir haben Aktien kürzlich untergewichtet, sind aber nach wie vor der Meinung, dass Qualitätsaktien bei Rückschlägen die Risiken innerhalb der Anlageklasse verringern. Die Bewertungen sind weiter gesunken, und zu Beginn des vierten Quartals sind US-Aktien nun in 69 Prozent der Fälle günstiger, während Europa und viele Schwellenländer selten so attraktiv waren wie heute.

Steigende Zinsen belasten Obligationenkurse, gleichzeitig werden die Renditen von Anleihen wieder interessant. Wann ist der richtige Einstiegszeitpunkt bei Obligationen?

Die Fed hat klargemacht, dass sie eine Rezession herbeiführen muss, um die Nachfrage und die Preise nach unten zu drücken. Obwohl sie die Kosten für Kapital bereits deutlich erhöht hat, ist ihr das bisher nicht gelungen. Also müssen die Zinsen weiter rauf. Solange die Zinsen steigen, werden lang laufende Bonds leiden. Aber irgendwann wird klar, dass die Zinsen ihr Hoch erreicht haben. Das wäre ein guter Zeitpunkt, in Bonds zu investieren.

In Staatsanleihen?

Das glauben viele. Aber hier sehe ich folgendes Problem: Warum sollte ein Investor das Zinsänderungsrisiko auf sich nehmen, wenn er für kurzfristige Cash-Anlagen fast gleich hohe Renditen erhält? Ich sehe eher in zweijährigen Bonds und Unternehmensanleihen Potenzial. Der Unterschied zu Langläufern ist von der Rendite her gesehen klein.

Senkt die Fed die Zinsen, wenn sich die Rezession manifestiert?

In der Vergangenheit haben die Notenbanken genau so reagiert. Aber die Zeiten haben sich geändert. Die Fed weiss, dass sie die Rezession erzwingen muss und die Zinsen erst senkt, wenn die Inflation nachhaltig nach unten geht. Nehmen wir zum Beispiel den CPI-Bericht für Oktober in den USA. Es ist die erste positive Überraschung bei der Inflation seit Monaten, aber sicherlich kein Grund für die Fed, sich sicher zu fühlen. Sie könnte die für Dezember erwartete nächste Zinserhöhung von 75 Basispunkten auf 50 Basispunkte herabsetzen, aber eine Pause der Fed wird erst dann möglich, wenn eine Reihe von Berichten auf eine nachlassende Inflation hinweist.

Sie haben einen Technologie-Background. Lassen sich hohe Renditen mit Daten und künstlicher Intelligenz erzielen?

So mancher Hedgefonds versucht das. Aber die Ergebnisse sind durchwachsen. Solche Strategien funktionieren meist nur so lange, bis andere Trader sie entdecken und mitspielen. Längerfristig kann der Einsatz von Daten und künstliche Intelligenz im Asset Management dabei helfen, komplexe Trends zu entdecken. Auch im Asset Mangement ist die Technologie wichtiger geworden als je zuvor.

Erich Gerbl
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