Volle 677 Tage sind vergangen zwischen jenem Freitag im Dezember 2018, als der Bundesrat das ominöse Rahmenabkommen auf den Tisch legte, und dem 14. Oktober 2020, als er Livia Leu zur neuen Verantwortlichen für das Dossier ernannte. 677 Tage Stillstand, 677 Tage Ducken, 677 Tage ohne Entscheide. Die Erfolgsaussichten für den vorliegenden Vertrag sind in diesen gut 22 Monaten nicht besser geworden, im Gegenteil. Heute mag sich kaum mehr jemand für dieses Rahmenabkommen in die Bresche werfen, Rückzugsgefechte prägen die Szenerie: unter der Bundeshauskuppel, bei den Sozialpartnern, bei den Wirtschaftsverbänden. Dennoch hat Livia Leu diesen undankbaren Job übernommen. «Man muss Herausforderungen lieben, das ist klar», sagt sie nur und lacht.

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Nach über 30 Jahren im diplomatischen Dienst weiss Leu genau, auf was sie sich da eingelassen hat. Sie sei sehr pragmatisch, aber auch ehrgeizig und zielstrebig. Das jedenfalls sagen jene, die sie schon lange kennen. Herausforderungen abzulehnen, ist nicht ihre Art. Und so sagte sie auch zu, als Aussenministerin Micheline Calmy-Rey sie 2008 für ihren ersten Auslandseinsatz als Botschafterin gleich nach Teheran schicken wollte – als zweite Frau überhaupt, hatte doch bis dahin nur Sierra Leone eine Botschafterin in den Iran delegiert. Sie zog mit ihrem Ehemann Donat Agosti, einem Spezialisten für die Artenvielfalt und Stammesgeschichte der Ameisen, und ihren zwei kleinen Söhnen nach Teheran.