BIL 05/23 Invest Private Banking Rating 2023

Raiffeisen Zürich schlägt sie alle – schon wieder

Erich Gerbl
Von Erich Gerbl
am 30.04.2023 - 08:02 Uhr
Quelle: BILANZ

Die Banken mussten ihre Vorschläge vor einigen Mitgliedern der Kirchenpflege und einer Jury aus neun Finanzexperten verteidigen.

Quelle: Nik Hunger für BILANZ

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Wer darf das Vermögen der reformierten Kirche von Zürich-Witikon anlegen? 110 Angebote wurden eingeholt, drei Banken schafften es ins Finale.

An einem der letzten Nachmittage im März hasteten im Stundentakt kleine Grüppchen von drei, vier fein gekleideten Menschen bei Aprilwetter den recht steilen Hügel zur Alten Kirche Zürich-Witikon hinauf. Umgeben von verwachsenen Obstbäumen und ausgedehnten Wiesen thront sie dort, in malerischer Kulisse als höchstgelegene Kirche der Stadt über dem Zürichsee. Die Blicke in Richtung Eiger und Jungfrau blieben flüchtig, auch die Frühlingsblumen fanden kaum Beachtung. Die von Wind und Wetter etwas zerzausten Frisuren wieder in Form gebracht, traten schliesslich die Banker ein.

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Eingeladen worden waren die Anlageexperten von der Kirche Witikon, empfangen hat sie die Private-Banking-Jury von BILANZ. Für diesen bereits zum 15. Mal als Mystery Shopping durchgeführten Test der besten Private-Banking-Dienstleistungen der Schweiz stellte sich in diesem Jahr erstmals eine Kirche als Testkunde zur Verfügung.

Bisher hatte die reformierte Kirche von Zürich-Witikon ihr Vermögen bei der Zürcher Stadtkirche auf einem unverzinsten Kontokorrent geparkt. Seit diesem Jahr ist die Kirchgemeinde auch finanziell für ihr Vermögen verantwortlich und muss selber überlegen, ob und wie sie ihr Finanzvermögen anlegt. In die Finanzmärkte investieren wollte die Gemeinschaft anfänglich nicht. Zu gross die Sorge, an den von Gewinnmaximierung geprägten Börsen in Geschäfte zu investieren, die so gar nicht zu den Werten einer protestantischen Gemeinde passen.

Erst als der Kirchengutsverwalter klarmachte, dass auch als Sichteinlage gehaltenes Geld von der Bank auf eigene Rechnung an den Finanzmärkten angelegt wird – und dies noch dazu ohne Einflussmöglichkeit der Kirche –, gab das Kirchengremium grünes Licht, das Barvermögen erstmals anzulegen. «Die Gemeindemitglieder brauchten eine Bergpredigt, um sich in das Reich des Mammon zu wagen», so Jurypräsident Thorsten Hens.

In diesem aufwendigen Verfahren war der Kunde nicht anonym. Dass BILANZ hinter der Anfrage steckt, wurde erst in der Alten Kirche verraten. Bei 110 Banken hatte BILANZ für die Kirchgemeinde Angebote eingeholt. Die Anforderungen wurden in der Anfrage klar dargelegt. So richtig dem Mammon hinterherjagen wollen die Protestanten nicht. Aber selbst der Erhalt der Kaufkraft ist in Inflationszeiten ein anspruchsvolles Ziel. Wenn schon Börse, dann versucht die Kirche möglichst nachhaltig anzulegen.

«Als die Gemeinde begriff, dass das Geld sowieso beim Teufel ist, einigte man sich, den Einfluss des Teufels mit allerhand ethischen Vorstellungen zu begrenzen», sagt Thorsten Hens. Dazu wurde ein eigenes Anlagereglement mit Positivkriterien (faire Entlohnung, geringe Emissionen und vielem mehr) sowie Ausschlusskritierien (darunter Waffen, Tabak, Kernkraft, Kinderarbeit) erstellt. Auch Unternehmen, welche mit Regierungen zusammenarbeiten, die Menschen unterdrücken, waren zu meiden. Um Kosten zu sparen, wurde eine Direktanlagenquote von mindestens 75 Prozent definiert. Hedgefonds oder Private-Equity-Anlagen will die Kirche genauso meiden wie Fremdwährungsrisiken.

Eine knifflige Aufgabe

Neben dem Anlagevermögen geht es bei dem Fall um ein Bauprojekt. So soll das Areal um die Neue Kirche bis 2027 neu gestaltet werden. Veranstaltungsräume und Wohnungen sind bereits von einem Architekturbüro geplant. Um das Projekt zu realisieren, braucht die Kirche 40 Millionen Franken Kredit. Zusätzlich müssen für die Planung für die nächsten vier Jahre insgesamt vier Millionen Franken zur Verfügung stehen. Das alles in den Vorschlag zu integrieren, war eine knifflige Aufgabe.

Bei der Vorselektion wählte die Jury die 20 besten Vorschläge aus. Wer den Fall falsch verstanden oder sich zu wenig Mühe gegeben hatte, flog bereits aus dem Rennen. «Es waren unglaublich schlechte Angebote dabei. Man gab keine Kosten an und ging nicht auf den Anlagebedarf ein», sagt Jurymitglied Alex Hinder. Enttäuscht haben auch grosse Namen. Julius Bär etwa stellte keine Rückfragen. Auf 40 Seiten wurde zwar der eigene Nachhaltigkeitsansatz umfassend vorgestellt, dieser aber nicht auf die genauen Bedürfnisse der Kirche abgeleitet. «Auf das Finanzierungsproblem, in der Anfrage ein Knackpunkt, gehen sie nicht ein», kritisiert Ueli Etzweiler.

Die UBS zeigte, wie dynamisch und gut sie das Geld anlegen würde, ging aber nicht wirklich auf den Fall ein. Die vorgeschlagenen Portfolios bestehen zur Gänze aus aktiven und passiven Fonds. Die sind zwar Insti-Tranchen und daher billig, kamen aber alle aus dem eigenen Haus. Zudem bestand die UBS darauf, dass die Kirche ihre Anlegerschutzrechte durch Opting-out aufgibt.

Den Vontobel-Vorschlag fand Peter Wüthrich enttäuschend: «Total Standard, Kundenbedürfnisse nur copy & paste und kein Bezug zur Anlagerichtlinie. Ich weiss, dass sie es besser könnten. Fragen zu Ausschlusskriterien und zur Baufinanzierung wurden keine gestellt.» Die hätten sich gerechnet. So wurden auf Anfrage Bauunterlagen und das Anlagereglement der Kirche zugeschickt. «Aus dem Reglement kann man die Aktienquote auf das Prozent ablesen, aber kaum einer hat das geschnallt», sagt Thorsten Hens.

St. Galler und Berner fallen positiv auf

Die Wünsche des Kunden zu 100 Prozent zu erfüllen, ist im Private Banking nicht immer die beste Dienstleistung. «Sagt der Kunde, er wolle zu 100 Prozent in Aktien investieren, kann man schon mal zur Vorsicht raten», sagt Hens. Gemacht hat das die St. Galler Kantonalbank (SGKB). Wegen der hohen Aktienquote seien Schwankungen normal. «Unsere Erfahrungen mit Kirchen zeigen, dass es bei negativen Wertentwicklungen vermehrt zu Diskussionen und auch kritischen Stimmen unter den Kirchbürgern kommen könnte.»

Nicht nur die St. Galler machten ihre Sache gut. «Die Berner KB hat sehr detailliert nachgefragt, die Situation des Kunden gut verstanden und überzeugend erklärt, warum der Vorschlag zum Kunden passt», sagt Jurymitglied Susanne Kundert. Die Bedürfnisse des Kunden ähnlich gut verstanden hat die BLKB. Die Baselländer studierten dann auch die Ethik-Richtlinien der Kirche genau und zeigten die detaillierte Umsetzung in der Anlagelösung auf, dafür gab es einen Sonderpunkt.

Die Luzerner KB fand Ueli Etzweiler bei den Kosten «extrem transparent bis auf den Stempel runter». Die Experten der Bank hätten sich wirklich Gedanken gemacht und den Fall diskutiert. Ähnlich habe sich die Baloise laut Jurymitglied Dirk Rathjen bei einem massgeschneiderten Vorschlag «richtig Mühe gemacht», und das bei Kosten von lediglich 0,4 Prozent.

Das mit 0,6 Prozent ebenfalls günstige VZ VermögensZentrum gefiel mit detaillierten Szenarien, Belehnungsgraden und ESG-Report. Globalance fragte detailliert nach, überforderte den Kunden laut Alex Hinder jedoch mit einer 66-seitigen Offerte, 21 Seiten Anlagevorschlag und acht Beilagen. Gefehlt hat Hinder dann «das weitere Vorgehen». Vom «Look and Feel her eine gute Präsentation» verschickte die LGT laut Ueli Etzweiler. Das Angebot ist in seinen Augen mit 0,87 Prozent Gesamtkosten (TER) eher teuer, aber transparent.

Risikoaufklärung Standard

Insgesamt stellt das IVA fest, dass die Risikoaufklärung zumindest im Hinblick auf die Standardrisikomasse bei fast allen bewerteten Vorschlägen vorhanden gewesen sei, allerdings nur bei weniger als der Hälfte davon in guter oder sehr guter Form.

Das VZ VermögensZentrum, die Berner KB (BEKB) und Raiffeisen Zürich schnitten in der Vorauswahl am besten ab und schafften es ins Finale. Die drei Banken wurden eingeladen, ihre Anlagevorschläge in der Alten Kirche Witikon gleich hinter dem Taufbecken vor dem Kunden und der Jury zu präsentieren. Alle drei gingen mit sehr guten Vorschlägen ins Rennen, was die Entscheidung schwer machte. Raiffeisen Zürich sicherte sich wie 2022 den Gesamtsieg. 

Von Raiffeisen kam vor allem die Finanzierung des Bauprojekts gut an. Die Bank entwickelte zwei Varianten und stellte diese einander gegenüber. Variante 1, welche sie der Kirche empfahl, nimmt die für die Projektplanung vorgesehenen vier Millionen aus den vorhandenen neun Millionen und investiert sie in Termingeld, je eine Million gebunden auf ein, zwei, drei und vier Jahre.

Variante 2 deckt die vier Millionen über Kredite ab. Auf den ersten Blick für die Bank ein zusätzliches Geschäft, aber diese Variante könnte trotz Zinskosten von 95 600 Franken für die Kirche einen Mehrertrag von 68 900 Franken bringen. Das zumindest, falls die Anlage über vier Jahre fünf Prozent oder 200 000 Franken einholt. Die Variante rechnet sich schon bei einer Nettorendite von 3,3 Prozent.

Im Anlagevorschlag setzt Raiffeisen neben einer fünfprozentigen Cashquote zu 95 Prozent auf Aktien, und dies, um Währungsrisiken zu vermeiden, zur Gänze aus der Schweiz. Vontobel liefert das Research. Bis auf einen UBS-ETF auf den SPI (als taktisches Element, um die Aktienquote kurzfristig zu verändern) investiert die Bank ganz in Schweizer Einzeltitel. «Wegen der Währungsrisiken auf globale Aktien zu verzichten, ist zwar pragmatisch, aber riskant», kritisiert Jurymitglied Nadja Bleuler.

Besser gefiel der Jury der Anlagevorschlag der Berner Kantonalbank: «Die BEKB hat sich mit der Gesamtstrategie befasst und fristenkongruent Aktienexposure aufgebaut», sagt Stephanie Feigt. Um die vier Millionen für die Planung bereitzustellen, wären die Berner mit einer Obligationenquote von rund 40 Prozent gestartet und hätten diese dann zugunsten von Aktien binnen vier Jahren auf null Prozent reduziert. In der Fachsprache wird so «linear interpoliert». Auf Schweizer Aktien entfielen dann 67 Prozent, auf ausländische 29 Prozent. Der Rest bleibt in Cash.

Stephanie Feigt befand den Vorschlag aus Bern als «sehr institutionell». «Es war ein Insti-Mandat mit Insti-Methodik gefragt, und das haben die Berner auch geliefert.» Mit einer Managementgebühr von 36 Basispunkten war die BEKB unter den Finalisten zudem der mit Abstand billigste.

Nicht durchgehend Anklang fand die Präsentation. Die Sinnhaftigkeit einer Währungsabsicherung wurde sehr ausführlich erklärt. «Die BEKB geht zu schnell und zu tief ins Detail», so Peter Wüthrich.

«Am klarsten strukturiert»

Wie man perfekt präsentiert, machte das VZ-Team vor. «Die werden für Präsentationen stark geschult, das hat man gemerkt», sagt Wüthrich. Ein Mitglied der Kirchenpflege fand die Präsentation «am klarsten strukturiert». Zahlreiche Details um das Immobilienprojekt zeugten von einer guten Vorbereitung.

Bei der Finanzierung der vier Millionen für die Planungsphase ging das VZ einen ganz eigenen Weg. Sie würden diese zusätzlich zu den 40 Millionen in die Immobilienfinanzierung packen. Zwei der neun Millionen Franken Barvermögen hätten die VZ-Experten für die zahlreichen Unwägbarkeiten, die bei einem Bau entstehen können, als Reserve gehalten – «rollierend in Festgeld, eventuell Kassenobligation, um wenn nötig Zugang zu dem Geld zu haben». Die verbleibenden sieben Millionen hätten die Zürcher zu 100 Prozent in Aktien gesteckt. Konkret 75 Prozent in 25 Schweizer Aktien, 15 Prozent in zwei globale ESG-ETFs und 25 Prozent in drei Themen-ETFs für Wasser, nachhaltige Ernährung und Gender Equality.

Insgesamt reichte es nicht für den Sieg. Dass die Bank das Prädikat «Langjähriger Qualitätsleader» zu Recht trägt, bewies sich jedoch eindrucksvoll.