Mit der Einführung des neuen Prämienflug-Systems am 3. Juni hat Lufthansa Miles & More, Europas grösstes Vielfliegerprogramm, für Aufsehen gesorgt. Viele Meilensammler befürchteten eine massive Entwertung ihrer hart gesammelten Punkte. Doch wie gravierend ist der Einschnitt wirklich?
Die Sorge war berechtigt: Im Vorfeld der Umstellung hielt sich Miles & More mit konkreten Zahlen bedeckt. In meiner letzten Kolumne hatte ich bereits erste Einschätzungen zum neuen dynamischen Preissystem gegeben, das für Lufthansa, Swiss (inklusive Edelweiss), Austrian Airlines und Lufthansa City Airlines gilt. Nun, mit Blick auf die ersten echten Buchungserfahrungen, lässt sich ein differenzierteres Fazit ziehen.
Nicht alles wurde teurer – einige Überraschungen inklusive
Tatsächlich ist die befürchtete Abwertung in der Praxis weniger dramatisch ausgefallen, als viele erwartet hatten. Zwar gibt es auf einigen Strecken spürbare Preissprünge – insbesondere in der Economy und der Premium Economy Class. Gleichzeitig aber sind in der Business und sogar in der First Class neue Sweetspots entstanden, bei denen sich Prämieneinlösungen mehr denn je lohnen. Auch die Dynamik bei der Preisgestaltung selbst überrascht: Von stark schwankenden Meilenwerten in Abhängigkeit der prognostizierten Auslastung, wie bei manch anderen Programmen längst üblich, ist bislang wenig zu spüren.
Alexander Koenig ist Gründer der Vielfliegerberatung First Class & More. Seit mehr als 15 Jahren hilft er seinen Kunden Business Class und First Class zum halben Preis zu fliegen, einen Top-Vielfliegerstatus zu erhalten und das Maximum aus ihren Meilen herauszuholen. In seiner Kolumne «Meilenkoenig» teilt er seine Expertise regelmässig auf www.bilanz.ch mit den Lesern.
Economy-Class-Prämien – endlich sinnvoll?
Über viele Jahre galt der Ratschlag: Finger weg von Economy-Class-Prämienflügen bei Miles & More – der Gegenwert war schlicht zu gering. Doch das Blatt hat sich gewendet. Wer über ein begrenztes Meilenbudget verfügt, kann sich jetzt erstmals über echte Sparangebote freuen. So gibt es auf besonders günstigen Strecken Tickets bereits im hohen dreistelligen oder niedrigen vierstelligen Meilenbereich.
Ein Beispiel: Für einen Flug von Zürich nach London werden aktuell 1685 Meilen in der Economy Class und 12’722 Meilen in der Business Class fällig – statt wie bisher pauschal 17’500 bzw. 25’000 Meilen auf allen Europastrecken. Eine positive Entwicklung, die vor allem Einsteiger im Vielflieger-Universum freuen dürfte.
Business Class günstiger als Economy? Ja, das ist möglich
Das neue Preissystem bei Miles & More bringt auch skurrile Situationen mit sich: An Tagen, an denen in der Economy Class nur noch teure Flex-Tarife verfügbar sind, kann ein Prämienflug in der Business Class tatsächlich weniger kosten als in der Economy. Besonders bei kurzfristigen Buchungen zeigt sich dieser Effekt immer wieder – ein Umstand, der den Wert der Meilen völlig neu definiert.
Auch auf Langstrecken sorgt das neue Modell für überraschende Konstellationen. So sind Business-Class-Prämien auf bestimmten Verbindungen kaum teurer oder sogar günstiger als Economy- oder Premium-Economy-Flüge. Ein konkretes Beispiel: Im Sommer ist ein Business-Class-Flug nach Los Angeles fast gleich teuer wie ein Economy- oder ein Premium-Economy-Class-Flug.
Neuer Sweetspot: München–Singapur
Ein besonders attraktiver Deal findet sich auf der Strecke München–Singapur: Statt der bisherigen 71’000 Meilen werden nun nur noch 65’214 Meilen fällig – für einen Direktflug in der Business Class.
In der Schweiz hingegen greift das neue Preissystem weniger erfreulich, da sich die Meilenpreise an den sehr hohen regulären Ticketpreisen in der Schweiz orientieren. Hier kostet der Flug nach Singapur 93’722 Meilen.
Mit Meilen in die neue Lufthansa Allegris Business Class
Die neue Allegris Business Class – Lufthansas neuestes Kabinenprodukt – ist weiterhin mit Meilen buchbar. Die Preisgestaltung unterscheidet sich bislang nicht von anderen Business-Class-Flügen im Programm. Wer prüfen möchte, ob auf einem bestimmten Flug das Allegris-Produkt zum Einsatz kommt, findet den Hinweis («Allegris: Neues Sitzkonzept») direkt auf der Lufthansa-Buchungswebsite – in der Miles-&-More-Prämienflugsuche hingegen nicht.
Kolumnist Koenig in der Allegris Business Class.
Aktuell ist Allegris exklusiv auf einigen A350-900-Maschinen ab München im Einsatz, unter anderem auf Flügen nach:
- New York (JFK/EWR)
- San Francisco
- San Diego
- Chicago
- Kapstadt
- Charlotte
- Miami
- Bangalore
- Shanghai
- Tokio (HND)
Die neue Allegris First Class hingegen bleibt weiterhin der Barzahlung vorbehalten – sie war bisher nie mit Meilen buchbar, und das hat sich auch mit der Umstellung nicht geändert. Doch auch die normale Lufthansa First Class hat definitiv ihren Reiz.
First Class mit Meilen: Luxus zum Greifen nah
Die Einlösung von Meilen für First-Class-Flüge zählt seit je zu den attraktivsten Möglichkeiten im gesamten Programm. Mit der richtigen Taktik und etwas Flexibilität lassen sich selbst Flugerlebnisse der höchsten Komfortstufe realisieren – auch ohne ein entsprechend prall gefülltes Bankkonto.
Ein wichtiger Hinweis für alle, die von der Swiss First Class träumen: Diese ist ausschliesslich für Lufthansa-Senatoren und HON-Circle-Mitglieder mit Meilen buchbar – und das auch nur telefonisch über die entsprechende Hotline. Nur die Lufthansa First Class kann regulär online über das Miles-&-More-Portal gebucht werden. Deshalb werfen wir im Folgenden einen genaueren Blick auf diese Option.
Wie zu erwarten war, hat die Programmumstellung die Meilenpreise für First-Class-Prämienflüge deutlich erhöht. Auf Nordamerika-Strecken etwa stieg der Preis im Basic-Tarif von 91’000 auf mindestens 120’000 Meilen pro Strecke, der Flex-Tarif schlägt aktuell sogar mit 150’000 Meilen zu Buche.
Unverändert hoch geblieben sind die obligatorischen Zuzahlungen – ein weiterer Wermutstropfen: Die bisher verfügbare «Flex Plus»-Option, bei der sich diese Zusatzkosten durch den Einsatz zusätzlicher Meilen reduzieren liessen, wurde abgeschafft. Das wirkt sich vor allem auf Flüge von und nach Nordamerika negativ aus, wo die Zuschläge traditionell besonders hoch sind.
Tipp für Profis: Abflug im Ausland
Wer seine Meilen clever einsetzt, kann von enormen Preisunterschieden profitieren – und das neue dynamische Preissystem macht es möglich. Ein First-Class-Flug von Frankfurt nach Riad kostet 73’287 Meilen. Wer jedoch mit einem Zubringerflug ab Budapest startet, kommt für nur 46’876 Meilen ans Ziel – rund 36 Prozent Ersparnis gegenüber der Direktverbindung und sogar 28 Prozent weniger als im alten System.
Dasselbe Prinzip funktioniert auf vielen anderen Strecken. So kostet ein Flug von Sofia nach Hongkong 59’901 Meilen, während für den Direktflug ab Frankfurt über 103’000 Meilen fällig werden – im alten System waren es sogar 111’000.
Vergleichbare Effekte gibt es auch in der Business Class: Wer statt ab München ab Lissabon nach Charlotte fliegt, spart rund 33 Prozent – 36’530 statt 55’294 Meilen.
Fazit: Für Optimierer ist das neue System ein Paradies
Als ich vor fast 20 Jahren die Vielfliegerberatung First Class & More gründete, war es unser Anspruch, für jede Top-Destination die besten Abflugorte in Europa zu identifizieren – denn wer flexibel ist, kann oft bis zu 50 Prozent sparen. Seit dem 3. Juni machen wir das nicht nur für reguläre Tickets, sondern auch für Prämienflüge von Miles & More. Denn: Wer bereit ist, umzudenken, profitiert enorm.
Und wie sieht es bei den Partner-Airlines aus?
Das neue dynamische Einlösungssystem gilt aktuell ausschliesslich für Flüge mit Lufthansa, Lufthansa City Airlines, Swiss (inklusive Edelweiss) und Austrian Airlines. Für alle übrigen Partner von Miles & More – etwa Turkish Airlines, Thai Airways oder Discover Airlines – bleibt weiterhin die klassische Meilentabelle relevant. Diese wurde allerdings zum 3. Juni ebenfalls angepasst.
Vor allem in der Business und der First Class kam es dabei zu spürbaren Erhöhungen – durchschnittlich um 10 bis 20 Prozent. Besonders stark betroffen sind die Regionen Australien/Ozeanien mit rund 35 und Südostasien mit bis zu 41 Prozent Aufschlag in der Business Class. In der Economy Class hingegen wurden viele Werte leicht gesenkt.
Ein Beispiel, das aufhorchen lässt: Ein Turkish-Airlines-Flug nach Singapur in der Business Class kostet nun 100’000 Meilen oneway. Mit Lufthansa ist dieselbe Strecke ab München schon ab 65’000 Meilen buchbar – bei Abflug aus dem europäischen Ausland sogar für weniger als 40’000 Meilen.
Fixpreis-Prämien mit attraktiven Bedingungen
Ein Pluspunkt bei Partnerfluggesellschaften: Trotz der Preisanpassungen bleiben die bisherigen Umbuchungs- und Stornobedingungen bestehen. Prämientickets lassen sich bis kurz vor Abflug für nur 50 Euro stornieren oder umbuchen – ein Vorteil gegenüber dem neuen dynamischen System, bei dem sich die Konditionen je nach gewähltem Tarif deutlich unterscheiden.
Nur wer den vergleichsweise teuren Flex-Tarif bucht, erhält bei Lufthansa und Co. im dynamischen System dieselbe Flexibilität wie früher. In günstigeren Tarifstufen wie Saver oder Basic sind Umbuchungen entweder eingeschränkt oder gar nicht möglich. Zudem sind bei Partner-Airlines standardmässig Aufgabegepäck und eine Sitzplatzreservierung im Prämienticket enthalten – was beim dynamischen Pricing der Lufthansa-Gruppe nicht immer der Fall ist.
Wie geht es weiter mit Miles & More?
Unterm Strich fällt die Bilanz der jüngsten Umstellung überraschend positiv aus. Die befürchtete radikale Entwertung ist nicht eingetreten – im Gegenteil: Durch die Besonderheiten des dynamischen Pricings und eine nach wie vor attraktive Meilentabelle bei Partner-Airlines ergeben sich weiterhin zahlreiche lukrative Einlösemöglichkeiten. So lassen sich beispielsweise Business-Class-Flüge nach Dubai, Oman, Kenia oder Tansania für 75’000 Meilen hin und zurück buchen – ein Wert, der sich im Wettbewerbsvergleich mehr als sehen lassen kann.
Damit bleibt Miles & More trotz der Veränderungen eines der attraktivsten Vielfliegerprogramme Europas – insbesondere im Vergleich mit anderen Programmen, bei denen das dynamische Pricing teils deutlich härtere Einschnitte mit sich brachte und kaum neue Vorteile geschaffen wurden. Miles & More hingegen hat die Umstellung in der Summe vergleichsweise positiv über die Bühne gebracht.
Gleichzeitig darf man sich auf den derzeitigen Sweetspots nicht ausruhen. Denn: Wie bei allen Programmen mit dynamischer Preisgestaltung können Meilenwerte jederzeit angepasst werden – auch ohne Vorankündigung. Preissteigerungen erfolgen künftig leise, ohne sichtbare Tabellenänderung – was sie schwerer greifbar, aber nicht weniger real macht.
Eines ist sicher: Wer jetzt flexibel denkt, smart plant und die neuen Spielregeln versteht, kann aus dem veränderten System weiterhin enorm viel herausholen.