Er trat an, um bei der skandalgeschüttelten Bank die Vergangenheit vergessen zu machen: Stefan Bollinger (51), bei Goldman Sachs geschulter Banker und seit Mitte Januar CEO von Julius Bär. Doch nach nur vier Monaten muss auch er sich mit Altlasten herumschlagen und einen Abschreiber von 130 Millionen Franken für faule Kredite verkünden. Die Mitarbeiter ärgern sich: Da hat der neue Chef der Belegschaft gerade erst ein Kostensparprogramm von 110  Millionen aufgebürdet, und nun werden 130  Millionen zum Fenster hinausgeworfen. Das Verlustloch sei mehr oder weniger durch Zufall aufgetaucht, berichten Bär-Insider. Dass es entdeckt wurde, ist im Grunde ein Nebenprodukt der neuen Ausrichtung der Corporate Governance, die Bollinger beschloss.

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Bei Bär bestand die für eine Bank dieser Grösse ungewöhnliche Situation, dass gleich drei der wichtigsten Aufsichtsfunktionen bei einer Person angesiedelt waren: Risk, Legal und Compliance standen alle unter der Obhut von Oliver Bartholet, der 2018 zu Bär gestossen war und der auch das Ausmisten der Führung nach dem Amtsantritt von Bollinger überlebt hatte. Diese Ballung der Funktionen wollte Bollinger aufbrechen und zudem im Bereich der Kreditrisiken aufrüsten. Es gelang Bollinger, sich einen Topmann zu angeln: Ivan Ivanic, der lange in Diensten der UBS in Asien gestanden hatte. Er trat im Februar an, durchforstete das Kreditbuch – und stiess auf das Verlustloch.

<p>Der von Stefan Bollinger geholte neue Chief Credit Officer Ivan Ivanic (im Bild) stiess auf die faulen Kredite.</p>

Der von Stefan Bollinger geholte neue Chief Credit Officer Ivan Ivanic (im Bild) stiess auf die faulen Kredite.

Quelle: PR

Nun soll er neuer Risikochef werden – Oliver Bartholet wird per 1.  Juli in die Pension geschickt. Auch die Aufteilung wird durchgezogen: Legal kommt unter die Führung des Chefjuristen Christoph Hiestand, ein neuer Chief Compliance Officer werde gesucht und in Kürze dazustossen, berichtet die Bank.

Ein wachsames Auge auf das weitere Geschehen wird auch der frisch angetretene Präsident der Bank, der Brite Noel Quinn, haben. Der Ex-HSBC-Topmanager gilt als fordernder Chef. Mit etwas gutem Willen kann man den jetzigen Abschreiber noch als «kitchen-sink» der neuen Führung abtun. Klar aber ist: Bollinger ist bei Bär knallhart in der Realität angekommen. 

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