Am Ende passte es dann doch nicht mehr. «Ganz offen: Das ist nicht jedermanns Sache», sagte Boris Collardi vor zwei Jahren in seinem einzigen Interview bei Pictet gegenüber BILANZ über die langsamen Entscheidungsprozesse bei der Privatbank, bei der jeder Teilhaber allen wichtigen Entscheidungen zustimmen muss.

Jetzt ist es nicht mehr seine Sache. Mit seinem abrupten Abgang zog der 47-Jährige einen Schlussstrich, der trotz aller Anstandsbekundungen beide Seiten nicht gut aussehen lässt: Die Kompatibilitätsprobleme hatten sich schon vor der Rekrutierung deutlich gezeigt, trotzdem nahmen die damals sieben Partner Collardi 2018 in ihren Kreis auf.

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Es lohnte sich. Die Pictet-Partnerschaft gilt als monetäres Hochamt der Schweizer Bankenszene. Wie gross der Gewinnanteil ist, den die Partner jedes Jahr unter sich aufteilen, können zwar selbst hochrangige Mitarbeiter nur ahnen – die Erleuchtung wird erst gewährt, wenn man in den erlauchten Teilhaberkreis eintritt. Doch als gesichert darf gelten: Mindestens die Hälfte des Profits wird verteilt.

100 Millionen Franken...

...dürften Boris Collardi in seinen dreieinhalb Jahren bei Pictet zugeflossen sein – mindestens.

Genug Startgeld für eine Investoren-Karriere.

Im letzten Jahr lag der Gewinn bei 580 Millionen Franken, was jedem Teilhaber einen Verdienst von mindestens 30 Millionen Franken gestattet haben sollte. Collardi dürfte in seinen dreieinhalb Jahren bei Pictet mehr als 100 Millionen Franken verdient haben, zusätzlich zu den mehr als 50 Millionen, die er als Bär-CEO bezog. Offenbar war da die Aussicht, noch 18 Jahre in dem Korsett der Partnerschaft zu verharren, nicht verlockend genug.

Ob es einen konkreten Auslöser für den Ausstieg gab, bleibt unklar. Ein offenes Zerwürfnis zwischen Senior Partner Renaud de Planta oder anderen Partnern und Collardi gilt jedoch als ausgeschlossen: Collardi ist für seine soziale Geschmeidigkeit bekannt und hatte die Pictet-Konsenskultur bestens internalisiert.

Doch auch wenn das Finma-Verfahren und die staatsanwaltlichen Untersuchungen abgeschlossen waren: Collardi hatte sicher registriert, wie stark der negative Nachrichtenfluss die edelmütigen Genfer verstörte, zumal auch die Riege der ausgeschiedenen Partner weiterhin ihre Büros bei der Privatbank aufsuchte und den ständigen Collardi-Sturm kaum goutiert haben dürfte.

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An seiner Arbeit kann es nicht gelegen haben: Die Wachstumsziele für 2023 wurden durch die Rekordbörse schon dieses Jahr erreicht, der Anteil der asiatischen Gelder ist von 10 auf mehr als 15 Prozent gestiegen. Vor seinem Antritt führte Teilhaber Rémy Best das Wealth Management allein, jetzt wird Marc Pictet, bislang mit Collardi Co-Chef, die Sparte auch allein lenken.

Collardi ist zudem nicht der Erste, der die Partnerschaft aufgibt. Ende der neunziger Jahre hatte Fabien Pictet das Gremium verlassen, weil ihm die Abläufe zu schwerfällig waren – er gründete in London eine Finanzfirma.

Auch Philippe Bertherat und Jean-François Demole schieden aus. Collardi ist vor zwei Jahren Vater geworden, mit seiner Partnerin und der neunjährigen adoptierten Tochter aus erster Ehe hat die Familie an Bedeutung gewonnen. Seine Bankkarriere dürfte vorbei sein. Doch sich als Investor bei Firmen ausserhalb des Bankings zu beteiligen – das reizt ihn. 

 

Dirk Schütz
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