Bei Salt ist man derzeit grosszügig: «55 Prozent lebenslangen Rabatt!» erhält, wer dort das neue Mobilfunk-Abo Swiss Max bucht. Bei Yallo ist man derzeit grosszügig: «10.50 Franken pro Monat Rabatt für immer» erhält, wer dort das TV-Angebot bucht. Bei Wingo ist man derzeit grosszügig: 30  Franken Rabatt jeden Monat erhält, wer dort den 1-Gigabit-Internetanschluss bucht, «Preis gilt lebenslang».

Es herrscht ein beispielloser Verdrängungswettbewerb auf dem Schweizer Telekommarkt. Nicht weniger als 487 Anbieter sind beim Bakom registriert, hinzu kommen zahlreiche internationale Firmen, die die Schweiz vom Ausland her bespielen. Das Spektrum reicht von A wie Aldi bis Z wie Zattoo.

«Es gab im hiesigen Telekommarkt noch nie so viele relevante Player wie heute», sagt Jörg Halter von der Beratungsfirma Ocha. Er muss es wissen: Seit 23 Jahren erhebt er jedes Jahr exklusiv für BILANZ das grösste Schweizer Telekom-Rating.

So viele Carrier wie heuer hatte er noch nie in der Auswertung. 11'352 Privat- und 1086 Geschäftskunden antworteten auf die Fragen nach der Zufriedenheit mit ihren Anbietern, aufgeschlüsselt nach den Kategorien Qualität, Innovation, Preis, Flexibilität und Support.

Trend zu Individuallösungen

Ein klarer Trend dieses Jahr: «Der Wille der Kunden, zu einem kleinen Anbieter zu wechseln, ist noch stärker geworden», so Halter. Zum einen haben die wiederholten Netzpannen bei Platzhirsch Swisscom viele Kunden vergrault. Doch auch Sunrise, die Nummer zwei im Markt, lässt Federn: Nach der Übernahme durch UPC herrscht Unsicherheit, wie es genau weitergeht.

«Sunrise hat durch den Merger viel Profil verloren: Die Firma ist heute unklar positioniert», sagt Peter Messmann, Co-Autor der Studie: «Das fängt bei den Infrastrukturen – Coax plus Glasfaser – an und geht bis zu den Produkten, die von Sunrise teils noch unter dem UPC-Brand weitergeführt werden.» 

 
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Zudem zeigt sich ein Trend zur individualisierten Telekomlösung: «Dafür sind die kleinen Player in einer besseren Position als die grossen», so Messmann weiter. Alles aus einer Hand, wie es Swisscom, Sunrise und Co. jahrelang beschworen haben, will inzwischen nur noch jeder vierte Nutzer. «Wer bei mehreren verschiedenen Providern Kunde ist, hat eine höhere Ausfallsicherheit und profitiert häufig vom spezifischeren Know-how», so Halter.

Netz verliert an Bedeutung

Auffällig: Immer neue Player drängen auf den Markt, aber anders als früher starten sie jetzt auf dem Privatkundenmarkt. Erst wenn sie sich dort etabliert haben, greifen sie den lukrativen Geschäftskundenmarkt an. So wie Digital Republic, erstmalig mit dabei und bei den Privatkunden aus dem Stand auf Platz zwei im Mobilfunk und auf Platz drei im Internet.

Das Besondere: Die Firma setzt ganz auf Mobilfunk, auch das Breitbandangebot wird über das Handynetz bereitgestellt. Das scheint auf den ersten Blick wie eine Notlösung, dennoch erhält Digital Republic gute Noten auch bei der Qualität. «Wenn man sich nicht bewegt, was daheim per definitionem der Fall ist, dann ist die Datenrate via 5G gut und stabil», so Halter. Und erlaubt eine Breitbandversorgung auch dort, wo kein Glasfaserkabel hinreicht.

Auffallend im Mobilfunk für Privatkunden: Die ersten 11 der 14 Anbieter besitzen kein eigenes Netz, sondern sind MVNOs (Mobile Virtual Network Operators) oder Reseller. Und im Gegensatz zu früher werben sie nicht mal mehr damit, welches Netz – jenes der Swisscom, von Sunrise oder Salt – sie benutzen. «Die Kundenbindung und das Abomodell sind heute wichtiger als die Netzverfügbarkeit», sagt Messmann.

Vor allem hat der Preis an Bedeutung verloren: Früher waren die teuren Tarife das grösste Ärgernis der Handynutzer, heute erhalten hier die meisten Anbieter gute Noten: «Preislich ist die Schweiz jetzt fast auf dem Niveau von Deutschland oder Österreich», sagt Halter.

Unzufrieden sind die Kunden dafür inzwischen mit dem Mangel an Innovationen. So erklärt sich auch der Absturz von Salt: «Die Firma hat grosse Erwartungen geschürt in Sachen Innovation, Preisen, aber dann ist nichts passiert», so Halter. Auch Aldi hat massiv verloren, möglicherweise wegen unglücklicher neuer Produktpakete.

 
Die besten Telekom-Anbieter  für Privatkunden 2022

Zu den besten Anbietern für Privatkunden und Geschäftskunden geht es hier.

Auch im lange Zeit totgesagten Markt für Fixnetztelefonie tut sich viel. Hier hat es ebenfalls ein Newcomer auf Platz eins geschafft, sowohl bei den Privat- wie bei den Geschäftskunden: Phonestar mit Sitz in Kaltbrunn SG hat sich auf leicht programmierbare, virtuelle Telefonanlagen spezialisiert, die auch Cloud- und VoIP-Lösungen wie Zoom oder Microsoft Teams integrieren – was in Zeiten des Homeoffice offensichtlich auch viele Nutzer daheim attraktiv finden. Andere Anbieter wie Sipcall, Peoplefone oder Netvoip konzentrieren sich ebenfalls auf Fixnetzlösungen und können prächtig davon leben.

Die Bedeutung des Internetanschlusses hat klar zugenommen, und das nicht nur wegen der Pandemie: Er ist die Basis für die Arbeit im Homeoffice, für TV, Fixnetz und Cloud-Dienste. Schweizer Privatkunden, das zeigt die Untersuchung, sind bei der Wahl ihres Internet-Service-Providers (ISP) technologieaffin und bevorzugen eigenverantwortliche Lösungen wie jene von Init7 oder iWay. «Wer selber sein Modem installiert, hat Freude an solchen Anbietern», drückt es Halter aus.

Auffallend ist der Absturz des Goldküstenanbieters GGA Maur: «Die Firma hat sich umpositioniert und deshalb manche Kunden abgehängt, das kam nicht gut an», analysiert Messmann. Auch im Bereich Cloud liegen Self-Service-Lösungen wie jene von Synology, Nextcloud oder Tresorit vorne in der Gunst der Privatkunden: «Wenn diese richtig vorkonfiguriert sind, können auch Normalsterbliche gut damit umgehen», so Messmann. Bei den TV-Anbietern haben die Streamingdienste etwas Boden eingebüsst gegenüber den linearen Anbietern – auch weil Letztere nachgerüstet haben in Sachen elektronische Programmführer (EPG), Speicher- und Spulmöglichkeiten.

US-Player enttäuschen

Bei den Geschäftskunden wird der Internetanschluss ebenfalls immer wichtiger, er dient hier als Schnittstelle ins Datacenter und für Remote-Anwendungen. Entsprechend rückt die Bedeutung des Handyproviders etwas in den Hintergrund. Zumal das Feld der Mobilfunkanbieter zusammengerückt ist. Die Netzqualität ist dabei das grösste Ärgernis. Dies dürfte mit den Pannen der Swisscom zu tun haben und mit der Unsicherheit beim 5G-Ausbau: Den braucht es weniger, um schneller zu surfen, sondern primär zur Kapazitätserweiterung.

 

Weil der Ausbau aber wegen der strengen Verordnung zum Schutz vor nichtionisierender Strahlung (NISV) und rigider Bauvorschriften kaum stattfindet, fallen die Kunden immer häufiger aus dem Netz und sind entsprechend unzufrieden. Pikanterweise leidet Salt am wenigsten darunter, weil die Firma bei annähernd gleichem Netzausbau die wenigsten Kunden hat, das Kapazitätsproblem also kleiner ist. Wohl auch so erklärt sich der Aufstieg auf Platz zwei.

Bei den Datacenter-Anbietern ist das Feld stabil. Newcomer Microsoft landet auf dem letzten Platz: «Microsoft hat Erwartungen geschürt, die sie nicht erfüllen kann», sagt Halter: «Das Produkt ist viel zu komplex und nicht massentauglich.» Auch bei den Cloud-Diensten landen die grossen US-Player – wie in der Vergangenheit – auf den letzten Plätzen, oft weil die Preise hoch sind und ein Kundendienst vor Ort und in einer Landessprache fehlt. Löbliche Ausnahme: AWS, der Cloud Service von Amazon, macht diese Fehler nicht und landet bei seiner ersten Teilnahme im Ranking deshalb auch gleich auf Platz fünf.

Gelichtet hat sich das Feld der Universalanbieter, seitdem UPC nicht mehr aktiv auf dem Markt auftritt. Sunrise, in den letzten Jahren in verschiedenen Kundengruppen auf Platz eins, verliert wegen der Fusion, Stichwort unklare Positionierung. Die Swisscom leidet unter der Pannenserie der letzten beiden Jahre, die nicht mit der Positionierung eines Qualitätsanbieters zusammenpasst. «Dass die Swisscom bei Preissenkungen häufig vorprescht, hilft ebenfalls nicht», so Halter. Lachender Dritter ist Salt. Die frühere Orange hat zwar auch keine klare Positionierung mehr, aber auch weniger Probleme: Erstmals holt Salt bei Privatkunden und bei KMUs den Titel des besten Universalanbieters. Die lebenslangen Rabatte haben dabei zumindest nicht geschadet.