Das Schlüsselwort heisst Guanxi. Gemeint ist das Netzwerken, der Aufbau eines Vertrauensverhältnisses. «Wer in China geschäftlich Fuss fassen will, muss zuerst eine persönliche Beziehung aufbauen», sagt Simon Michel, der schon um die 50 Mal nach China reiste und in der zweiten Generation den Medtech-Konzern Ypsomed leitet. Das Burgdorfer Unternehmen, spezialisiert etwa auf Injektions- und Infusionssysteme für die Selbstmedikation im Diabetesbereich, ist seit 20 Jahren aktiv in Fernost. Wolle man etwas umsetzen, sitze man zuerst einmal mit den chinesischen Geschäftspartnern beim Essen zusammen, via Übersetzer werden dann gegenseitig Statements ausgetauscht. Kommt man irgendwann zum Geschäftlichen, geht es meist schneller als im Westen. «Da zeigt sich dann das kapitalistische Element der Chinesen.» Ist man sich einig, wird nicht lange gefackelt: Was man per Handschlag beschliesst, das gilt. «Der erste grosse Deal in China», erinnert sich Michel, «wurde auf der Rückseite einer Tischunterlage festgehalten.» Das ist Guanxi. Doch wenn man es einmal verspielt, ist die Geschäftsbeziehung vorbei.

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Stimmung hat gedreht

Wie es mit der Geschäftsbeziehung zu China weitergeht, ist aktuell besonders in Verwaltungsräten das Thema der Stunde. Da sind die zunehmenden Spannungen zwischen China und den USA, da ist die rigide Covid-Politik mit den strengen Lockdowns, da ist ein gewaltiger Überwachungsstaat, der wegen Menschenrechtsverletzungen in der globalen Kritik steht, und da ist eine ins Marxistische tendierende Regierung, deren Parolen jeden Unternehmer schaudern lassen. Die Stimmung habe gedreht, sagt ein Verwaltungsrat, der anonym bleiben möchte und im Board eines Schweizer Industriekonzerns sitzt. «Innert kurzer Zeit ist die China-Euphorie einer totalen Verunsicherung gewichen.» Früher seien auf der Liste für mögliche Übernahmen immer auch chinesische Firmen gestanden. Da sei man nun zurückhaltend. «Heute diskutiert man vermehrt wieder Akquisitionsziele in Europa und den USA.» Und noch etwas hat sich laut dem VR-Mitglied geändert: Bisher habe man neue Produkte für Asien stets im China-Werk lanciert. «Wer heute bereits einen zweiten Produktionsstandort hat, etwa in Malaysia oder Vietnam, weicht nun aus.» Es ist die Strategie der Risikominimierung. Seit Monaten wurden immer wieder Unternehmen mit vorübergehenden Schliessungen oder massiven Einschränkungen konfrontiert. China griff bisher hart durch mit seiner Zero-Covid-Politik. Im Westen machten Bilder die Runde, wie in Schutzanzüge gekleidete Wachmänner auf die protestierenden Mitarbeiter des Apple-Zulieferers Foxconn einprügeln. Nach den landesweiten Protesten hat die Regierung inzwischen Lockerungen versprochen und einen Zehn-Punkte-Plan veröffentlicht: keine flächendeckenden Lockdowns mehr, Quarantäneregeln werden gelockert und die Impfkampagne für ältere Menschen forciert. Es dürfte das Geschäften mit China erleichtern. Die rigiden Vorschriften waren für viele Unternehmer ein Problem, Kontakte zu den chinesischen Tochterfirmen liefen zuletzt vor allem über Videocalls. Nicht einfach, unter diesen Umständen das Guanxi herzustellen. Oder zu erhalten.