Braucht es Uhrenmessen wirklich? Einer, für den das keine Frage ist, heisst Jean-Sébastien Bolzli, CEO der kleinen Uhrenmarke Aerowatch im jurassischen Saignelégier. Bolzli hat den Niedergang der Uhrenmesse Baselworld hautnah miterlebt – man könnte auch sagen: mit erlitten. «Das Ende der Baselworld bescherte uns eine grosse Baisse», sagt er. «Plötzlich hatten wir zu einigen Kunden gar keinen Kontakt mehr.» Insbesondere Kundschaft aus Asien sowie dem Mittleren Osten blieb aus. Mit spürbarem Effekt: Gegen 20 Prozent betrug der Rückgang. Kompensiert wurde dies mit verstärktem Engagement in der Schweiz, Frankreich, Deutschland, Holland und Polen, man zeigte die Produkte zum Beispiel auch an einer Messe in Italien oder an der «Inhorgenta» in München. Und gute Ergebnisse brachten vor ein paar Wochen die «Time to Watches» in Genf, parallel zur Uhrenmesse Watches and Wonders: «Sehr positiv», rühmt Bolzli.
Eben hat er zusammen mit seinem Bruder Fred-Eric sowie Schwester Adeline die Firma Aerowatch ganz vom Vater übernommen, der dem Trio als Berater erhalten bleibt. Die Arbeitsteilung: Adeline Bolzli verantwortet die Administration, Fred-Eric die Ressorts Technik und Design, derweil Jean-Sébastien für Verkauf und Marketing zuständig ist.
In Genf punktete er mit dem neuen Modell Automatik-Regulator 1942, einem Zeitmesser, der ein puristisches Schwarz-Weiss-Design mit dem klassischen Regulator-Gesicht verbindet. Will heissen: Der grosse Minutenzeiger tickt aus der Mitte des Zifferblatts, Stunden- und Sekundenanzeigen sind dezentral auf silbergrauen Hilfszifferblättern angeordnet. Das Werk, ein Sellita-Kaliber, sitzt in einem 42-Millimeter-Gehäuse der Kollektion 1942, einer Signatur der Marke. Typisch für Aerowatch ist auch der moderate Preis der Uhr, sie ist für 1590 Franken zu haben. Generell sind für Aerowatch-Uhren 400 bis 3000 Franken fällig – mit wenigen Ausschlägen für Spezialitäten bis zu 10’000 Franken.
Erwähnt seien noch zwei weitere Modelle aus dem Katalog des Hauses. Erstens die Linie Milan, ein Vermächtnis des eben verstorbenen prominenten Uhrenhändlers René Beyer. Er war mit der Marke stark verbunden, liess seine Uhren mit Beyer-Logo dort produzieren – und hatte die Kollektion mit integriertem Metallband angeregt. Diese Uhren bietet die Chronometrie an der Zürcher Bahnhofstrasse ebenfalls an, und zwar unter dem Namen Aerowatch. Typisch für die Uhr im 41-Millimeter-Gehäuse ist das Zifferblatt mit Tannennadel-Dekor – ein Design-Gruss aus dem Jura: Tannen sind die wichtigste Baumart in den Freibergen, wo Aerowatch beheimatet ist. Auch das Gegengewicht des Sekundenzeigers zeigt eine stilisierte Tannennadel.
Eigenwillig ist ebenfalls das Modell 7 Time Zone auf Basis eines Unitas-6497-1-Kalibers mit einem hauseigenen Modul. Neben der Zeit im eigenen Land als Hauptanzeige kann auf sechs kleinen Zifferblättern rundherum die Zeit in sechs Städten dieser Erde abgelesen werden.
Das Modell Milan von Aerowatch.
Aerowatch wurde 1910 in La Chaux-de-Fonds gegründet und etablierte sich als Hersteller hochwertiger Taschenuhren. Die Firmengeschichte im Zeitraffer: 1942 übernahm Maxime Crevoisier die Marke und führte sie in Neuenburg weiter. 2001 erwarb Denis Bolzli das Unternehmen, um es gemeinsam mit seinen Kindern neu auszurichten. Unter ihrer Führung entwickelte sich Aerowatch zu einer vielseitigen Marke, die heute weltweit in 50 Ländern vertreten ist – in der Schweiz wird die Marke in 130 Boutiquen verkauft.
Als der damals 26-jährige Jean-Sébastien Bolzli 2003 bei Aerowatch startete, produzierte die Marke nichts anderes als Taschenuhren – Handlungsbedarf war also vorhanden, eine spannende Herausforderung ebenso. Inzwischen ist man bei 90 Prozent Armbanduhren angelangt – die Taschenuhr-Spezialität wird aber weiterhin gepflegt: Es gibt sie zum Beispiel in sehr moderner Ausführung mit einem skelettierten Unitas-Kaliber.
Woher der Markenname kommt? Nun, Aerowatch hat, anders als man glauben könnte, nie Fliegeruhren gebaut. Hingegen gab es schon früh Aerowatch-Werbeplakate mit Blériot-Doppeldeckern, die um den Eiffelturm flogen, als Sujet. «Die Fliegerei war damals eine aufregende Sache», sagt Bolzli. «Sie stand für Modernität und Fortschritt.»