Beim Tauchen entscheiden primär die Tiefe und die mitgeführte Luftmenge darüber, wie lange man unter der Wasseroberfläche bleiben kann. Vereinfacht gesagt: Je tiefer man taucht, umso kürzer wird der Tauchgang und umso grösser wird die Notwendigkeit für einen Dekompressions-Stopp, um Stickstoff aus Gewebe und Blut zu lösen und sicher auftauchen zu können. Aber keine Sorge: Die Professional Association of Diving Instructors (PADI) beispielsweise sieht 40 Meter als maximale Tiefe für Sporttaucher mit Pressluftflasche auf dem Rücken, und das weit verbreitete «Open Water Diver»-Zertifikat sieht ein Tiefenlimit von noch moderateren 18 Metern vor. Sporttaucher planen ihre Tauchgänge zudem so, dass die Dekompression entfällt und lediglich ein Sicherheitsstopp von drei Minuten in einer Tiefe von fünf Metern angebracht ist.

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Ganz anders sieht es für Zeitgenossen aus, die tiefer gehen wollen: 2014 verbrachte beispielsweise der Ägypter Ahmed Gabr gerade mal 14 Minuten in 332,35 Meter Tiefe (mit einer Uhr von Charmex am Arm), für die anschliessende Dekompression brauchte er auf den letzten 27 Metern satte sieben Stunden. Nebst einer stattlichen Anzahl von – in diesem Fall 92 – Pressluftflaschen kommt bei solchen Tauchgängen nicht einfach nur Luft, sondern auch ein Atemgas-Gemisch zum Einsatz, um die Anreicherung von Stickstoff im Gewebe zu verlangsamen.

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Für Berufstaucher in grossen Tiefen sind solche Zeiten indes erst gar nicht zumutbar, für zehn Minuten Arbeit am Fuss einer Bohrinsel können nicht sieben Stunden für die anschliessende Dekompression aufgewendet werden. Sie bleiben deshalb gleich mehrere Tage einem konstanten Umgebungsdruck ausgesetzt, und sie müssen nur am Ende eines Einsatzes eine meist mehrtägige Dekompressionsphase im Trockenen absolvieren. Die Druckkammer agiert dabei quasi als Aufenthaltsraum, die Tauchglocke als Lift zum nassen Arbeitsplatz. Passenderweise spricht man dabei von Sättigungstauchgängen, weil der Körper konstant gesättigt ist. Apropos sprechen: Das verwendete Atemgas-Gemisch enthält unter anderem auch Helium, wodurch selbst die hartgesottensten Tiefseetaucher wie Micky Maus klingen.

Für die Uhrenindustrie brachte das Sättigungstauchen zu Beginn aber ein völlig neues Problem mit sich: Ausgerechnet die bedeutend sicherere Dekompression in der trockenen Druckkammer sollte ab den 1960er-Jahren bislang zuverlässige Uhrenmodelle an ihr Limit bringen, weil eben jenes mit Helium angereicherte Gasgemisch nicht schnell genug wieder aus dem Gehäuse entweichen konnte. Mit anderen Worten: Über ein halbes Jahrhundert lang hatten sich Uhrenhersteller darauf konzentriert, das delikate Innere einer Uhr zuverlässig vor Staub und Wasser zu schützen, nicht aber darauf, einen zu hohen Innendruck auszuhalten. Die naheliegendste Lösung? Ein Überdruckventil im Gehäuse der Armbanduhr sollte verhindern, dass das Glas aus seiner Fassung gedrückt wurde. Sowohl der ursprüngliche Patent-Inhaber Rolex als auch Doxa gelten als Pioniere dieser Konstruktion, während Hersteller wie Omega und Seiko einen bedeutend aufwendigeren Weg einschlugen und ab den 1970er-Jahren mit völlig neu konstruierten Extremtaucheruhren das wahrlich exklusive Kundensegment zufriedenstellen wollten.

<p>Der Prototyp einer Doxa Sub 300 Professional aus den 1960er-Jahren dürfte eine der ersten Uhren gewesen sein, die mit einem Heliumventil ausgestattet und getestet worden sind.</p>

Der Prototyp einer Doxa Sub 300 Professional aus den 1960er-Jahren dürfte eine der ersten Uhren gewesen sein, die mit einem Heliumventil ausgestattet und getestet worden sind.

Quelle: PR

Während Seiko damals von einem japanischen Berufstaucher einen Brief mit der Bitte erhalten hatte, man möge bitte eine passende Uhr entwickeln, da offenbar keine einzige ihrer Uhren eine ausreichend starke Glasfassung für Sättigungstauchgänge hatte, waren Rolex und zu Beginn auch Omega mit den Tauchern der französischen Compagnie Maritime d’Expertises (Comex) eng liiert und somit nahe am Ort des Geschehens. Ein kommerziell erfolgreiches Produkt für die Massen zu entwickeln, stand dabei bei keiner der drei genannten Marken im Zentrum, womit zum Teil prestigeträchtige Technologieträger mit exotischen Formen, grösseren Gehäusen und massiv höherer Wasserdichtheit einhergingen, wie beispielsweise die Seamaster 600 «Ploprof» (Plongeur Professionnel) von Omega, die mit voller Absicht ohne Heliumventil konstruiert worden war.

Heute nutzen zahlreiche Uhrenhersteller die Konstruktion (entweder im Gehäuse integriert oder als zusätzliche Schraubkrone) als Abgrenzungselement zwischen normalen und professionellen Taucheruhren, also beispielsweise der Submariner und der Sea-Dweller von Rolex oder der Fifty Fathoms und der neuen Tech-Reihe von Blancpain, während fast alle Taucheruhren von Omega mittlerweile ein Heliumventil verbaut haben. Seiko auf der anderen Seite setzt bis heute unverändert auf spezielle Dichtungen und ganz besonders dichte und robuste Gehäuse und teilt die Kollektion in «Air»- und «He-Gas»- Modelle auf.

Den realen Tiefenrekord beim Sättigungstauchen hält seit den 1990er-Jahren übrigens eben jene Comex mit einem simulierten Tauchgang von 701 Metern (bei dem natürlich auch die Sea-Dweller von Rolex zum Einsatz gekommen ist), während Berufstaucher in der Praxis heute meist in einer Tiefe zwischen 30 und 300 Metern arbeiten.

Wer also gerade auf der Suche nach einer zuverlässigen Taucheruhr für die Sommerferien ist: Ein Heliumventil ist in erster Linie so «nice to have» wie eine Wasserdichtheit von mehreren tausend Metern. Wer aber tatsächlich planen sollte, seine nächsten Tauchferien in einer Tauchglocke zu verbringen: Achten Sie idealerweise auf ein Datumsfenster, sie werden es definitiv während der Dekompression zu schätzen wissen.