Der Mann hatte bis vor Kurzem keine grosse Ahnung von Uhren – doch heute baut Martin Klocke zu Hause sozusagen am Küchentisch eine komplizierte Krone für seine Uhren selber zusammen. Der deutsche Ingenieur hat sich dafür eine kleine Hebelpresse beschafft – von Uhrmachern gemeinhin Potence genannt –, um dafür zum Beispiel eine zylindrische Dichtung auf den Tubus zu pressen.

Tatsächlich ist die Krone nicht von Pappe, wie auch Cyrano Devanthey der Aargauer Marke Oscillon bestätigt. Devanthey hat für Martin Klockes Marke Sherpa Watches existierende Pläne dafür aus den 1960er Jahren konstruktionstechnisch überarbeitet und fabrikationstechnisch auf einen neueren Stand gebracht. Fünf statt üblicherweise drei Komponenten sind für das Stück nötig, das mag nach nur wenig mehr klingen, «aber die Teile sind hochkomplex», sagt er.

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Eine Krone, die dicht macht

Martin Klocke, Gründer der Marke Sherpa Watches und von Haus aus Kunststoffexperte in der Automobilindustrie, hat sich in den Kopf gesetzt, die alten Enicar-Sherpa-Uhren von 1968 mindestens technisch wiederaufleben zu lassen – vor allem ihr Kompressor-Dichtungssystem: «Mich hat es total begeistert», sagt er, «ich fand, das müsste wieder auf den Markt kommen.»

Hauptprinzip dabei: Die Krone wird vom Wasserdruck auf die Dichtung gedrückt, das macht die Uhr je wasserdichter, je tiefer man mit ihr unter Wasser geht, weil ja der Wasserdruck mit der Tiefe zunimmt. Das Ganze sei erstaunlich robust und dauerhaft, wie Tests an den Urmodellen bewiesen hätten: Die Krone der alten Stücke habe sich auch ohne Eingriff nach wie vor als tadellos wasserdicht erwiesen.

Martin Klocke hatte bis vor kurzem noch eher wenig Ahnung von Uhren. Nun baut er sie am Küchentisch selber zusammen.

Martin Klocke hatte bis vor kurzem noch wenig Ahnung von Uhren. Nun baut er sie an seinem Küchentisch teils selbst zusammen.

Quelle: ZVG

Entwickelt hatte das Prinzip das jurassische Unternehmen Ervin Piquerez S.A., laut Historischem Lexikon der Schweiz «für seine Innovationen in Bezug auf wasserdichte Uhrgehäuse bekannt». Martin Klocke konnte sich vom Unternehmen die alten Pläne beschaffen, erfolglos hingegen war er bei der Suche nach einem Unternehmen, welches die Krone auch bauen könnte. Also liess man bei Décolleteuren die Komponenten fertigen – den Zusammenbau übernimmt jetzt der Firmengründer.

Made in Germany, aber durchaus mit Swissness

Für die übrigen Handreichungen hat er ein dichtes Netz von Zulieferern auf die Beine gestellt: Designer Laurent Auberson in Winterthur ist für die Gestaltung zuständig, ein Uhrmacher in Pforzheim baut die Zeitmesser zusammen, in Pforzheim ist auch der Gehäusebauer domiziliert. Die Nähe der beiden in der deutschen Gold-, Schmuck- und Uhrenstadt ist gewollt: Der Gehäusebauer übernimmt nach dem Zusammenbau nämlich den Test der Uhren auf ihre Wasserdichtigkeit – diesbezüglich will man die Anforderungen an Taucheruhren gemäss DIN-Norm 6425 erfüllen. Die Uhr ist «Made in Germany», in Bezug auf die Wertschöpfung schätzt Klocke, dass 40 Prozent auf die Schweiz entfallen, 60 Prozent auf Deutschland.

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Auch beim Boden der Uhr wird das Kompressorprinzip eingesetzt. Und auch hier ging man von der Ervin-Piquerez-Konstruktion aus, von Cyrano Devanthey optimiert. Anders als beim Original ist der Boden mit einer Bajonett-Lösung diesmal nicht frei drehend, sondern in einer Position arretierbar. Das ist technisch sauberer und lässt optisch das Logo stets in der gleichen Lage.

Keine Qual der Wahl

Aktuell bietet Martin Klocke zwei Uhren an, das Modell Ultradrive und das Modell OPS. Sie sind einander äusserlich sehr ähnlich und unterscheiden sich lediglich in Gehäusefarbe, Zifferblatt und Drehring. «Eigentlich sehr kleine Unterschiede», sagt der Ingenieur, «sie machen aber optisch eine erstaunliche Differenz aus.» Beibehalten wurde mit 40 Millimetern der Durchmesser des historischen Vorbilds.

Zur Technik hinzu kommt ein weltanschaulicher Überbau – die «erste spirituelle Komplikation» in einer Uhr, so Martin Klocke. Er lässt ein traditionelles tibetisch-buddhistisches Mantra – das in der Sherpa-Region sehr verbreitete «Om mani peme hung» – mikroskopisch auf zwei Rädchen lasergravieren. Um alles richtig zu machen, holte er bei seinem buddhistischen Lehrer Rat, man wählte für die Gravur das Sekunden- sowie das Ankerrad aus. Ganz im Sinne der Gebetsmühlen im Himalaya seien nämlich auch diese Rädchen fortlaufend in Rotation, «um Liebe, Weisheit und Mitgefühl direkt vom Handgelenk in die Welt zu verbreiten, 30 Millionen Mantras pro Jahr», sagt Klocke. Von blossem Auge lasse sich das Mantra zwar nicht sehen, man werde es jedoch spüren, verspricht er.

Dieser Artikel erschien zuerst bei «Watch Around».

Mantramatic nennt die Marke folgerichtig das verwendete Sellita-SW-200-1-Kaliber. Klocke bestellt es in der Premium-Ausführung, «top finissiert und vergoldet». Ohne Lehrgeld, dies nebenbei, ging es produktionstechnisch bei den Veränderungen nicht – die Lasergravur erwies sich zunächst als eigentliche Knacknuss, denn die Rädchen seinen «verdammt klein», der Platz sehr beengt. «Die ersten Beispiele sahen aus wie eine verblichene Tätowierung nach 60 Jahren Strand auf Mallorca», sagt Klocke.

Sherpa sucht für die Expansion in die USA einen Retailer

Inzwischen funktioniert die Sache, der Aufwand schlägt sich indes sehr wohl im Preis nieder, 5800 Euro kosten die Uhren. Martin Klocke setzt bisher voll auf Direktverkauf, an Anlässen oder online und verkauft vorab in Europa. Als nächsten Markt hat er die USA im Visier, da will er auch jemanden finden, der ihm den Verkauf organisiert.

Manchmal ist dabei die buddhistische Botschaft auch ein Handicap: Klar, es gebe Leute, die das als zu religiös ablehnten und das Produkt deswegen nicht kauften, gibt der Markengründer zu. Umgekehrt löse es auch aber Sympathien aus. «Wir haben Kunden, die die Uhr genau deswegen haben wollen.»