Den 16. Dezember 2008 würde Rolex wohl am liebsten aus den Annalen der Krone tilgen. Damals, vor 15 Jahren, kam es bei der wichtigsten Uhrenmarke der Schweiz zur Palastrevolution. Knall auf Fall wurde der langjährige Chef Patrick Heiniger vor die Tür gesetzt. Offiziell – klar – war es ein Rücktritt «aus persönlichen Gründen»: Heiniger habe sich, liess Rolex verlauten, entschlossen, seine «persönlichen Aktivitäten» weiterzuverfolgen.

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Warum wurde Heiniger als Rolex-Chef abgesetzt?

Doch bis heute ranken sich um das Ende der Ära Heiniger die wildesten Gerüchte. Wurde er abgesetzt, weil er das Geld der Hans-Wilsdorf-Stiftung – ihr gehört die Marke – mit zu vollen Händen ausgegeben hatte und auch mitten in der damaligen Krise nicht damit aufhören wollte? Dafür spricht, dass der Bonvivant Heiniger durch den Zahlenmenschen und Banker Bruno Meier, zuvor Finanzchef bei Rolex, ersetzt wurde.

Zur Erinnerung: 2008, mitten in der Finanzkrise, brachen die Schweizer Uhrenexporte massiv ein – vor allem in die USA. Allein im November, traditionell der wichtigste Monat für die Branche, lag das Minus in den USA bei 25 Prozent. Zudem hiess es damals, dass der Rolex-Händler Tourneau – heute Teil von Bucherer – 40 Prozent weniger Rolex-Uhren verkaufen würde als im Vorjahr. Ähnlich schlecht war die Lage in Asien beim Grosshändler Hengdeli. Die Retailer in aller Welt drohten – heute undenkbar – auf riesigen Rolex-Lagerbeständen sitzen zu bleiben. Und obendrauf kämpfte, wie damals kolportiert wurde, Rolex mit Finanzverlusten von bis zu 1 Milliarde Franken. Das Unternehmen sah sich damals gar veranlasst, zu dementieren, dass es nicht beim mittlerweile verstorbenen Wallstreet-Betrüger Bernard Madoff investiert war, obwohl dieser gute Beziehungen mit Genfer Privatbanken hatte, wo natürlich auch die Genfer Rolex Kunde war.

2008 war Rolex in einer tiefen Krise

Krisenstimmung herrschte also bei Rolex. Doch Heiniger regierte bei der Krone weiter wie ein König. Er flog häufig im Privatjet, gerne von Genf nach New York, wo er sich ein Luxusapartment in New York, ausgestattet mit Kunstwerken im Wert von mehreren Millionen, gönnte und mit seiner Freundin Nina Stevens (siehe Bild unten) ein gutes Leben lebte. Offenbar bezahlte stets die Firma die Rechnungen. Es war eben eine andere Zeit, damals, 2008.

Heiniger-Freundin Nina Stevens, übrigens, geriet nach dem Tod von Heiniger in die Schlagzeilen. Sie wurde von Heinigers Tochter Alicia verklagt, weil sie Werke von Pablo Picasso, Andy Warhol, Jean-Michel Basquiat und Keith Haring aus dem Apartment gestohlen haben soll. Stevens stellte sich auf den Standpunkt, die Werke seien Geschenke gewesen. Der Fall beschäftigte die New Yorker Boulevardpresse über Wochen. Wie er ausgegangen ist, lässt sich heute aus frei zugänglichen Quellen aber nicht herauslesen.

Es kursieren noch andere, weit gravierende Versionen rund um Heinigers Rücktritt beziehungsweise seine Absetzung bei Rolex. Aber eben: Gerüchte sind Gerüchte und gehören nicht in die Medien.

Patrick Heiniger mit Freundin Nina Stevens an einem Rolex-Event in New York im Jahr 2005.

Patrick Heiniger mit Freundin Nina Stevens an einem Rolex-Event in New York im Jahr 2005: Leben im Überfluss.

Quelle: Patrick McMullan via Getty Image

André und Patrick Heiniger haben Rolex zu Rolex gemacht

Fakt ist: Bis 2008 haben Patrick Heiniger – und zuvor sein Vater André – bei Rolex die Basis dafür gelegt, was Rolex heute ist. André Heiniger, ein enger Vertrauter von Rolex-Übervater und Gründer Hans Wilsdorf, kam 1948 zu Rolex, übernahm 1962 als zweiter Chef den Stab nach Wilsdorfs Tod zwei Jahre zuvor. Heiniger senior stellte das Marketing von Rolex komplett um: Statt wie bislang die technischen Raffinessen der Uhren zu betonen, vermarktete er sie fortan als Luxusobjekte, die an die Handgelenke von Berühmtheiten und Abenteurern gehören. Er macht Rolex von einer Uhrenmanufaktur zu einem Luxusgüterunternehmen.

Als Vater Heiniger 1997 mit der Pensionierung die Leitung seinem Sohn Patrick übergab, war Rolex eine Marke von internationalem Renommee, aber noch keine vertikal integrierte Firma. Dies realisierte dann Patrick Heiniger: Er kaufte Zulieferer zu, integrierte die diversen Produktionsstätten, konsolidierte alles in vier hochmodernen Werken, die bis heute existieren. Dieses Erbe trug ebenfalls wesentlich zur Sonderstellung von Rolex in den Uhrenindustrie bei. Heute ist nur Grand Seiko ähnlich stark integriert wie Rolex.

Die einzige Neuheit in der Ära von Patrick Heiniger: Die Yacht-Master

Produktseitig allerdings hat Heiniger in seinen 16 Jahren an der Spitze von Rolex wenig gemacht. Er hat nämlich nur ein neues Modell lanciert: die Yacht-Master. Sie schaffte es nie unter die beliebten Modelle von Rolex, wird aber nach wie vor produziert. Und um die Yacht-Master soll es hier gehen. Genauer: um Heinigers Yacht-Master, um den von ihm in Auftrag gegebenen Prototypen. Das Einzelstück wurde am Wochenende in Monaco von der Monaco Legend Group versteigert.

Details der Yacht-Master von Ex-Rolex-Chef Patrick Heiniger.

Details der Yacht-Master von Ex-Rolex-Chef Patrick Heiniger.

Quelle: ZVG

Aufgerufen war ein Schätzpreis von 1 bis 2 Millionen Euro. Verkauft wurde das Einzelstück für 2’365’387.50 Euro. Kenner hätten einen noch höheren Preis von 3 bis 3,5 Millionen Euro erwartet. Damit wäre das Modell unter die fünfzig teuersten je versteigerten Uhren gekommen.

Wer von der Familie Heiniger will die Familien-Rolex zu Geld machen?

Warum aber geben Sammlerinnen und Sammler so viel Geld für ein so unbeliebtes Modell aus? Erstens, weil es die Uhr so nur ein einziges Mal gibt. Zweitens, weil die Uhr das zehnmillionste Chronometeruhrwerk enthält, das Rolex je gebaut hat. Die entsprechenden Verweise finden sich im Werk und auf dem Zifferblatt. Drittens ist die Uhr, inklusive Armband, komplett aus wertvollem Platin gefertigt. Und viertens schliesslich stammt die Uhr direkt aus der Familie, welche die Geschichte der Firma Rolex geprägt hat. «Es handelt sich um eine Rolex, die vom Vorsitzenden des Unternehmens für sich und seine Familie angefertigt wurde. Für mich ist das etwas wirklich Unglaubliches!», schwärmte Davide Parmegiani von der Monaco Legend Group vor der Auktion.

Tatsächlich wurde die Uhr aktuell erstmals zum Kauf angeboten. Wer sie zu Geld machen wollte, hält Parmegiani natürlich geheim. Klar ist: Die Uhr war Zeugin eines wilden Lebens.

Auch Rolex selbst dürfte für die Uhr des Ex-Chefs geboten haben

Man darf vermuten, dass auch Rolex selbst für die Uhr geboten hat. Die Marke hat bereits diverse, historisch bedeutsame Modelle für sich gekauft. In Genf ist es fast schon ein offenes Geheimnis, dass Rolex ein Marken-Museum einrichten will.