Es war ein heftiger und kurzer Kampf, vor allem aber, so beschrieb es der Schweizer Fliegeroberst Walo Hörning, ein «Kampf mit ungleichen Mitteln».

Am 8. Juni 1940, «einem strahlenden Tag», waren die Schweizer Alarmpatrouillen schon um 3.30 Uhr in höchste Bereitschaft versetzt worden. Und tatsächlich: Am späteren Morgen stiegen rund ein Dutzend Schweizer Kriegsflugzeuge in den blauen Himmel auf. Eben hatte der Fliegerbeobachtungsdienst berichtet, sechs deutsche Kampfflugzeuge des Typs Messerschmitt Me 110 hätten im Pruntruter Zipfel eine Schweizer C-35 auf Grenzüberwachungsflug überrascht – und einfach abgeschossen.

Partner-Inhalte
 
 
 
 
 
 

Die Schweizer trafen auf eine Übermacht von 32 deutschen Flugzeugen. Es kam zum Gefecht – mit einer «durchaus erfreulichen Bilanz», so Oberst Hörning: Mehrere deutsche Me 110 wurden in Brand geschossen und verliessen das Kampffeld Richtung französische Ebene, eine Me 110 stürzte getroffen bei Triengen ab.

Der Luftkampf ist ein fast vergessenes Kapitel der Schweizer Geschichte. Und er ist auch eine wenig bekannte Episode in der Firmenhistorie der Uhrenmarke IWC. Denn getroffen und schwer verletzt wurde an diesem 8. Juni auf Schweizer Seite ein Spross der Schaffhauser Besitzerfamilie: Oberleutnant Rudolf Homberger, Sohn des IWC-Patrons Ernst Jakob Homberger.

Erstaunlich: IWC hat die Story bis heute nie PR-mässig ausgeschlachtet. Obwohl sie alle Ingredienzien einer Heldengeschichte hat.

34 Einschüsse

«Es scherbelte im Blech, und ich spürte zwei Einschüsse im Rücken, aber ich machte weiter», erzählte später Rudolf Homberger. Jedenfalls wurde er so in der Presse zitiert, die ihn gebührend feierte und nebenbei die Réduit-Diskussion befeuerte. 34 Einschüsse wurden an seiner Me 109 gezählt, Homberger erlitt zwei Lungendurchschüsse, ein Projektil durchbohrte seinen Oberschenkel. Nach der Landung bei Bözingen auf nur einem Rad – das andere war wegen einer angeschossenen Ölleitung ausgefallen – brach er bewusstlos zusammen. Im Spital in Biel erholte sich der Pilot dann von seinen Verletzungen.

Die Liebe fürs Fliegen hatte für Homberger schon lange vor dem Krieg begonnen. Wie sein Bruder Hans Ernst, ab 1934 Juniorchef bei IWC, war er passionierter Pilot – das Duo überzeugte den Vater deshalb davon, Pilotenuhren ins Sortiment aufzunehmen.

Bereits 1936 stellten die Schaffhauser ihre erste Spezialuhr für Flieger vor, die Pilotenuhr mit dem antimagnetischen Kaliber H/83 und der Referenz IW436. «Es war», sagt IWC-Historiker und Museumskurator David Seyffer, «gleichzeitig die erste Sportuhr überhaupt bei IWC.» Fliegen, so Seyffer, war damals «eine superexklusive Sache». Und die Fliegeruhr von IWC richtete sich primär an private Piloten, die sich diese Sache auch leisten konnten. Sie trug vom Design her schon viele Merkmale einer Fliegeruhr, aber eine echte Fliegeruhr war sie technisch noch nicht. Man kann deshalb ohne Übertreibung sagen, dass die ersten Fliegeruhren auch die ersten Lifestyle-Uhren waren.

Die Vorbilder. Die erste Pilotenuhr von IWC aus dem Jahre 1936 Und die Navigators Wrist Watch Mk 11 für die Royal Air Force von 1948.

Die Navigators Wrist Watch Mk 11 für die Royal Air Force von 1948.

Quelle: PD

Strenges Pflichtenheft

Das änderte sich definitiv 1948, als IWC für die britische Royal Air Force Uhren baute – und dabei ein mehrseitiges Pflichtenheft erfüllen musste.

Die «Navigators Wrist Watch Mk 11 – Stores Ref. 6B/346» wurde von den IWC-Ingenieuren mit dem für damalige Verhältnisse äusserst präzisen Kaliber 89 ausgestattet. Er hatte einen zentralen Sekundenzeiger, ein Merkmal, das wegen der besseren Ablesbarkeit künftig zum Genre der Fliegeruhren gehören sollte. Weitere Merkmale: «Das Frontglas der Uhren war speziell gesichert, damit es auch bei einem plötzlichen Druckabfall im Cockpit nicht abspringen konnte», berichtet IWC-Historiker Seyffer. Ein kontrastreiches Zifferblatt mit Leuchtmasse vereinfachte die Lesbarkeit der Uhrzeit nachts oder bei schlechten Sichtverhältnissen. Vor allem aber sorgte ein Weicheisenmantel um das Werk dafür, dass elektromagnetische Strahlen dem Kaliber nichts anhaben konnten. Die Erfindung des Radars hatte dies nötig gemacht.

Die Uhr gab es exklusiv für die englischen Armeepiloten. Maliziös machte IWC in der Werbung für das 1955 eingeführte Modell Ingenieur indes darauf aufmerksam, dass der Weicheisenmantel zum Schutz vor elektromagnetischen Einflüssen mit dem Bauteil identisch sei, das für die Uhr der britischen Air Force verwendet werde.

Schaffhausen produzierte später weitere Meilensteine für passionierte Flieger: 1992 zum Beispiel den Doppelchronographen, 1994 den Fliegerchronographen im Keramikgehäuse oder im neuen Jahrhundert die Saint-Exupéry- und die Top-Gun-Reihe. Vorab die Mark 11 gehört ins Regal jedes ernsthaften Sammlers.

IWC

Aktueller Bestseller: Pilot’s Watch Chronograph im 41-Millimeter-Gehäuse. 8'900 Franken.

Quelle: PD

Der längste Flug

Nach wie vor sind Fliegeruhren eine Raison d’être der Marke – aktuell zum Beispiel mit dem Pilot’s Watch Chronograph im 41-Millimeter-Gehäuse, ein Bestseller der Schaffhauser. Und immer wieder inszeniert IWC das Thema Fliegerei, mitunter mit spektakulären Aktionen. 2019 etwa knüpft IWC als Sponsor mit einer neuen Heldengeschichte an der Vergangenheit an – zur Lancierung der damals aufgefrischten Spitfire-Kollektion: In einer Spitfire-Maschine von 1943 brachen die britischen Piloten Steve Boultbee Brooks und Matt Jones zu einem Flug um die Welt auf – über 43’000 Kilometer waren zurückzulegen, 26 Länder wurden angeflogen.  Das war nur schon deshalb nicht ganz einfach, weil der silbrige «Feuerspucker» ohne Reservetanks eine Reichweite von nur gerade 750 Kilometern hat, weniger als ein heutiger Personenwagen.

Mit anderen Worten: Das Projekt war offensichtlich ganz nach dem Geschmack von Oberleutnant Rudolf Homberger geraten.

Dieser Artikel erschien zuerst bei "Watch Around".

BILANZ Watches Newsletter abonnieren
Erhalten Sie jeden Freitagnachmittag unseren BILANZ Watches Newsletter und erfahren Sie alles über aussergewöhnliche Zeitmesser, die Macherinnen und Macher hinter den Marken, Branchengeflüster und Trends.
BILANZ Watches Newsletter abonnieren