Edouard Meylan, die Marke H. Moser & Cie. hat es in den exklusiven Kreis der gefragten Kreativlabels geschafft, bekannt, begehrt, cool und sexy. Dabei hatte sie vor zehn Jahren den eisigen Wind des Konkurses zu spüren bekommen. Wie erklären Sie das Comeback?

Wir haben es tatsächlich geschafft, uns auf dem Radarschirm der schönen Uhrmacherei zu positionieren. Aber wir sind immer noch klein. Wie wir das geschafft haben? Das war eine Frage der Mischung: Innovation, Kommunikation, neue Universen.

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Eigentlich haben Sie nicht wirklich mit dem gebrochen, was die Marke vor der Übernahme durch die familieneigene MELB Holding war.

Als wir das Unternehmen wenige Tage vor dem Stichtag für den Konkurs übernahmen, war es nicht die Idee, alles über Bord zu werfen. Wir wollten auf den bestehenden Grundlagen aufbauen, das Gute übernehmen und die Verbindung zur Geschichte der Moser-Uhren bewahren. Das ist eine grosse Geschichte, über 190 Jahre alt. Wir haben uns bemüht, das Bestehende zu verbessern, und wir hatten überdies das Glück, dass wir auf Unternehmer folgten, die Risiken eingegangen waren.

«Mein Traum war es, Moser zu einer aktuellen Marke zu machen und gleichzeitig die Verbindung zur Geschichte zu halten, Produkte aus allen Epochen miteinander zu verbinden.»

Die Grundlagen sind geblieben, aber die Wahrnehmung der Marke hat sich diametral verändert. Wie erreicht man das?

Man weiss nie genau, wie die Marke wahrgenommen wird. Es ist ein langwieriger Prozess, und es gibt kein Wunderrezept. Es ist wie beim Sponsoring, das bei manchen Marken funktioniert und bei anderen nicht. Mein Traum war es, Moser zu einer aktuellen Marke zu machen und gleichzeitig die Verbindung zur Geschichte zu halten, Produkte aus allen Epochen miteinander zu verbinden.

Eine Art weiche Wissenschaft?

Man muss, bildlich gesprochen, vor allem das Werkzeug verstehen, das man in der Hand hält – man muss sich eine Marke aneignen. Die ersten Jahre waren diesem Ziel gewidmet: lesen, mit der Familie sprechen, versuchen zu entschlüsseln, bevor man auf einem soliden Fundament wiederaufbaut. Wir hatten eine industrielle Basis, die wir saniert haben. Die Marke verkaufte Uhren mit Verlust, wir haben wieder Produkte, die Gewinn erwirtschaften. Unser erstes Ziel war es, zum Wachstum zurückzufinden.

Und es scheint, dass Ihr Ewiger Kalender, der minimalistischste, den es auf dem Markt gibt, eine entscheidende Rolle bei Ihren Überlegungen spielte. Richtig?

Der Ewige Kalender war tatsächlich das Herzstück meiner Analyse. Eine Art Inbegriff der Philosophie, einerseits mit Haute Horlogerie im alten Stil, gleichzeitig aber mit einer extrem schlichten Anzeige: Wir wollen alles mit drei Zeigern ausdrücken, sogar bei grossen Komplikationen.

Was gibt es da sonst noch?

Die rauchfarbenen Zifferblätter, die Form der Zeiger, die Indizes, die Moser-Punze, die Moser-Endbearbeitungen, die dreidimensionalen Gehäuse. Einem Künstler steht es frei, in einem bestimmten eigenen Kontext zu kreieren. Aber der Aufbau einer Marke ist ein Werk, das durch die Hände verschiedener Führungskräfte geht, die aufeinanderfolgen.

Im Idealfall sollte man also alles beibehalten?

Ja. Und das ist nicht einfach. Als wir ankamen, befand sich das Geschäft in einer schwierigen Situation. MELB ist kein grosser Konzern, wir mussten schnell reagieren, Entscheidungen treffen, bestimmte Vermögenswerte verkaufen. Wir mussten unbedingt effizienter, zuverlässiger und qualitativ hochwertiger werden, sowohl beim Industrieapparat als auch bei den Produkten.

Edouard Meylan & Eric Cheng_Streamliner von H. Moser & Cie.

Edouard Meylan und Eric Cheng von Undefeated: «Wir wollen alles mit drei Zeigern ausdrücken.»

Quelle: ZVG

«Effizienter, zuverlässiger und qualitativ hochwertiger» – nennen Sie uns ein Beispiel.

Zum Beispiel grundlegende Optimierungsarbeiten, die Arbeit an den Toleranzen, das Überdenken der Vorproduktion und das möglichst frühe Ausmerzen von Fehlern. Der Ewige Kalender ist ein gutes Beispiel: Vor zehn Jahren brauchten wir einen Uhrmacher pro Uhrwerk, die Arbeit daran dauerte 90 Stunden. Und doch kam die Uhr nach sechs Monaten wieder in den Service. Wir schafften es dann, auf 40 Stunden zu kommen, heute benötigen wir noch 25 Stunden, und die Qualität ist deutlich höher. Da unsere Kaliber viele Gemeinsamkeiten haben, wirken sich die Verbesserungen auf die gesamte Produktion aus – unser Tourbillon zum Beispiel besteht zu fast 80 Prozent aus Elementen des Automatikwerks. Und letztendlich führt die Qualität zu einer höheren Gewinnspanne.

«Verkaufen Sie Produkte, mit denen Sie Geld verdienen. Sonst geht Ihnen die Puste aus.»

Ein gutes Lehrbeispiel, obwohl Sie in Ihren Kollektionen immer noch eine grosse Anzahl von Kalibern verwenden, was nicht gerade die rationellste Lösung ist.

Ich werde oft darauf angesprochen. Meine Antwort: Verkaufen Sie Produkte, mit denen Sie Geld verdienen. Sonst geht Ihnen die Puste aus.

Hätten Sie den Erfolg ohne das Fachwissen von MELB geschafft und ohne Ihren Vater, der über 20 Jahre lang Audemars Piguet leitete?

Ja und nein. Ein Koloss wie Audemars Piguet mit seiner industriellen Macht lässt sich nicht auf die gleiche Weise verwalten, im Vergleich dazu ist unser Geschäft Peanuts. Und ehrlich gesagt hat mein Vater genauso viel dazugelernt wie ich. Wir haben Moser wirklich zu einem Familienunternehmen gemacht. Unsere besten Partner heute sind nicht mehr dieselben wie damals. Mein Bruder Bertrand, der in Dubai lebt, ist seit Beginn auf den Märkten in Asien, dem Nahen Osten und den USA tätig. In der Familie läuft alles ganz natürlich ab, das Feedback erfolgt in Echtzeit, und das hat es uns ermöglicht, uns sehr schnell anzupassen und das Team nach Bedarf präzise zu ergänzen.

Zum Geschäftlichen: Wie schätzen Sie die Entwicklung des Marktes ein?

Die letzten drei Jahre waren unglaublich, aber mit nicht immer wünschenswerten Auswirkungen. Wir beginnen, das Ende der Spekulationsblase zu spüren, die seit letztem Herbst besteht.

Spekulationsblase?

Nach der letzten Only-Watch-Auktion begannen die Preise verrückt zu spielen. Jeder ist vom Wert besessen. Aber der Markt fällt zurück, und die Korrektur scheint mir signifikant zu sein, schon seit Anfang des Jahres.

Sie sprechen hier vom zweiten Markt. Betrifft Ihre Beobachtung auch den Verkauf von neuen Uhren?

Der Primärmarkt blieb verschont. Aber man muss vorsichtig sein: Für 2022 und 2023 beruht die gesamte Produktion auf Wartelisten.

«Die Nachfrage übersteigt das Angebot bei Weitem, und wir hätten schneller wachsen können.»

Wie soll man auf diesen Nachfrageschub reagieren: Soll man auf Austerität setzen?

Zunächst einmal sollten wir nicht in Panik geraten. Was uns betrifft, so haben wir noch «Silver Bullets» in der Pipeline, Superprodukte, die wir noch nicht auf den Markt gebracht haben. Aber als Unternehmer möchte man natürlich immer wachsen, auch wenn sich das als gefährlich erweisen kann. Unser Glück besteht letztlich darin, dass wir sehr integriert sind, was unserer Produktionskapazität und mithin dem Wachstumstempo Grenzen setzt.

Eine Form der natürlichen Absicherung?

In der Tat. Die Nachfrage übersteigt das Angebot bei Weitem, und wir hätten schneller wachsen können. In dieser Hinsicht haben wir heute nach wie vor zu wenig Kapazitäten.

Ihre Produktion wird auf 2000 bis 3000 Uhren pro Jahr geschätzt. Können Sie das bestätigen?

Wir liegen bei etwa 2000 Uhren pro Jahr. Der Durchschnittspreis liegt zwischen 40’000 und 45’000 Franken.

Hinzu kommen die Verkäufe Ihrer Tochtergesellschaft Precision Engineering.

Wir bauen unser Geschäft mit der Spiralfeder weiter aus. Wir verstärken auch unsere Präsenz im Einzelhandel. Wir haben bereits drei Filialen – Hongkong, Dubai, New York –, und wir setzen die Implementierung der Moser-Boutiquen eben in Japan, China, Hongkong sowie Dubai fort. Dazu kommen zwei Moser-Lounges in Hongkong und New York.

Wie hoch ist der Anteil des Direktverkaufs?

Wir verkaufen zehn Prozent direkt. Online, in der Manufaktur oder in unseren Lounges.

Was ist Ihr Wachstumsziel?

Vielleicht 5000 Uhren pro Jahr. Wir wollen vor allem bestätigen, dass es einen Platz für eine Marke wie die unsrige gibt. Und wir wollen wachsen, ohne unseren Familiengeist zu verlieren. Wir investieren, in die Produktion, in Innovationen und in Kreativität. Wir erweitern auch unser Gebäude in Neuhausen, wo heute fast 80 Mitarbeitende tätig sind. Im weiteren Sinne bemühen wir uns, professioneller zu werden, indem wir Best Practices, Lean Management und CRM-Tools integrieren – früher haben wir alles mit Excel gemacht.

Eigentlich erstaunlich, dass Sie solche Änderungen erst jetzt vornehmen?

Lange Zeit produzierte Moser weniger als 400 Uhren pro Jahr. Das zwingt etwas zum Basteln.

Sie haben Ihre Vorräte an «Silver Bullets» erwähnt. Wir nehmen an, dass die Zusammenarbeit mit dem Streetstyle-Label Undefeated ein Teil davon ist. Die Markenwelten sind allerdings sehr weit voneinander entfernt. Haben Sie keine Angst, Ihren Kundenstamm zu verärgern?

Man spricht gerne von seiner Fangemeinde, aber Uhrensammler sind eine sehr kleine Gemeinschaft. Ich mag es, neue Welten zu erforschen. Was eine Marke wie Moser umbringen würde, wäre das Verharren in ihrem gewohnten Bereich. Und den haben wir auch schon verlassen. Mit der Swiss Alp Watch (der rechteckigen Hommage an eine Apple Watch, Anm. d. Red.) haben wir einen Fuss in die Tür der Tech-Kundschaft bekommen – zusätzlich zum Medienecho. Mit Undefeated testen wir Subkultur sowie Streetwear. Und wir stellen fest, dass wir viele gemeinsame Werte haben. Aber es ist klar, dass dies bei manchen Kunden zu Unverständnis führen kann. Sie könnten befürchten, dass wir damit beginnen, andere Produkte zu machen. Wir müssen da Vertrauen schaffen.

Ein Erlernen der sogenannten Drop-Kultur also. Mit zeitlich begrenzten Sonderausgaben ausserhalb der üblichen Kanäle.

Ich habe in der Tat viel gelernt: den Austausch von Werten, eine Art zu arbeiten, die Gemeinschaft einzubinden, ein Produkt auf den Markt zu bringen. Alles ist so anders als das, was wir normalerweise tun. Es ist eine einzigartige Gelegenheit, gleichzeitig Sichtbarkeit zu erlangen und Verkäufe zu tätigen, eine Art selbst finanziertes Sponsoring, sehr effektiv. Und es lehrt uns, dass es so viele Dinge gibt, die wir besser machen könnten.

Streamliner Chronograph

Die Streamliner Kollektion von H. Moser & Cie. beeindruckt durch ihre Vielseitigkeit, genauso wie durch ihre Ästhetik.

Quelle: ZVG

Ist die Uhrenindustrie generell zu konservativ?

Von unserem Mikrokosmos der Uhrenindustrie aus sehen wir bei Weitem nicht alles. Wenn ich beobachte, wie stark die Kooperationen von zum Beispiel Supreme und Louis Vuitton oder Gucci und Adidas sind, muss ich sagen: In der Uhrmacherei lassen wir uns immer sehr viel Zeit.

Und was kann die Uhrmacherei zu solchen Partnerschaften beitragen?

Im Fall von Streetwear eröffnet die Uhrenindustrie die Möglichkeit, in der Positionierung aufzusteigen. Das ist ein Gewinn für alle.

Wirklich neu ist das aber auch nicht: Kooperationen und Capsules sind in der Uhrenbranche sehr angesagt. Besteht da nicht die Gefahr einer Übersättigung?

Im Fall von Moser geht der Wendepunkt auf die Zusammenarbeit mit MB&F zurück. Danach ist es wie mit allem, man muss sich bemühen, es intelligent zu machen. Alle unsere Kooperationen sind Teil unserer Geschichte, zu Themen, mit denen wir arbeiten können: Seconde/Seconde, The Armoury und jetzt Undefeated.

Und was macht diese Zusammenschlüsse sinnvoll?

Es sind echte Synergien, die Produkte sind cool, und die Prozesse der Zusammenarbeit sind lehrreich.

Wie steht es mit der Kommunikation, die Sie von Anfang an etwas provokativ gestalten wollten, zum Beispiel mit der Käse-Uhr?

Sie spielen auf unsere frühe Kommunikation an. Am Anfang entstanden diese Ideen auf natürliche Weise, mit Humor und einem Hauch von Provokation. Aber eine Marke ist wie ein Lebewesen, und wir sind den Teenagerjahren entwachsen. Heute brauchen wir diese Provokationen weniger, aber der Geist ist immer noch da. Ausserdem wird Moser immer noch als eine Art «Maverick» wahrgenommen, und ein schräger Ansatz bleibt der Nerv von Moser.

«Wenn man immer nur das Gleiche macht, wird es langweilig, und man verprellt die gesamte Kundschaft.»

Sie werden also weitermachen?

Ja, aber man muss vorsichtig sein. Solche Kooperationen sind nicht einfach zu handhaben. Wenn man immer nur das Gleiche macht, wird es langweilig, und man verprellt die gesamte Kundschaft. Für uns sind zwei Kooperationen pro Jahr ein gutes Mass.

Ihr Bestseller liegt ja in einem anderen Bereich, in der sportlich-schicken Ausrichtung mit den Linien Pioneer und Streamliner. Nach wie vor?

Das kann ich bestätigen. Die Pioneer-Linie, unser Einstiegsmodell, macht 35 Prozent unseres Umsatzes aus. Die Streamliner-Linie dürfte in diesem Jahr 30 Prozent des Umsatzes erreichen.

Dabei konzentrierten Sie sich auf wenige Modelle. Warum machen Sie es nicht wie alle anderen und spielen mit Variationen, Farben, Oberflächen usw.?

Im Moment haben wir das nicht nötig. Aber wir entwickeln die Kollektionen weiter. Wir werden Gold in die Streamliner-Linie bringen und noch in diesem Jahr ein viertes Uhrwerk einführen. Wir entwickeln uns weiter, aber immer mit dem Ziel, die Kollektionen zu schützen, indem wir zum Beispiel bei einem einzigen Zifferblatt pro Uhrwerk bleiben.

Kommen wir zurück zu den Märkten. Wie ist die Welt für Moser aufgebaut?

Die USA machen zwischen 30 und 35 Prozent des Umsatzes aus und verzeichnen ein starkes Wachstum. Der Mittlere Osten kommt auf fast 15 Prozent. Das ist zwar ein kleiner Absatzmarkt, was das Volumen betrifft, aber da verkaufen wir viele hochwertige Stücke. Europa macht zwischen 20 und 25 Prozent aus – leicht rückläufig. Und Asien liegt bei fast 30 Prozent. Da ist Hongkong immer noch unser Hauptzugang zu den lokalen Kunden, ein Flagshipstore wird im November eröffnet. In China haben wir noch Potenzial, da schreiten wir, ohne zu viel Druck zu machen, voran.

Und wie sieht Ihr Einzelhandelsnetz aus?

Wir arbeiten weltweit mit 85 Verkaufsstellen zusammen – und nicht alle konnten in diesem Jahr beliefert werden. Wir sind bei den ganz Grossen vertreten, wie zum Beispiel bei der Bucherer Gruppe, die uns von Anfang an begleitet hat. Für uns ist das ein Beweis dafür, dass Moser zwar klein ist, aber Potenzial hat. Ausserdem vergessen wir nicht, woher wir kommen: Intern feiern wir immer noch jede verkaufte Uhr. Eine Uhr zu verkaufen, ist kein Kinderspiel.

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