Nein, es ist nicht so, dass Christian Gafner mit dem Design der Uhr unzufrieden wäre, die er seinerzeit für das Musée international d’horlogerie (MIH) gestaltete. Ganz im Gegenteil: Das mitunter als Kultuhr bezeichnete Stück bleibt ein herausragender Wurf und darf in Bezug auf seine Anmutung wohl als eine der puristischsten je gebauten Zeitmesser gelten.

Dennoch, so sagte sich der Industriedesigner, würde sich eine leichte Überarbeitung vielleicht lohnen. Eine Frage stand bei seinen Überlegungen im Zentrum: Was war damals zwar durchaus logisch, könnte aber heute eventuell noch logischer gelöst werden? 

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Es wurden, so viel sei verraten, nur «ein paar subtile Details» modifiziert: Die AM/PM-Anzeige mittels zweier Punkte links vom Datum – ein Punkt für den Morgen, zwei für den Nachmittag – ist zum Beispiel künftig weiss statt rot. Denn die Signalfarbe bleibt jetzt den Anzeigen vorbehalten, die mit der Chronographen-Funktion der Uhr zu tun haben.

Jahreskalender-Funktion für das Musée international d’horlogerie (MIH)

Rückblende: Für das Uhrenmuseum MIH hatte der geniale Uhrmacher und damalige Museumskonservator Ludwig Oechslin eine Uhr mit einem Jahreskalender konzipiert, der seinen Hang zum Purismus auch technisch umsetzte.

Die Jahreskalender-Funktion kam nämlich mit nur gerade neun Komponenten aus – üblich sind 40 bis 50. Seine Variante habe zwar beim Entwickeln etwas mehr Hirnschmalz benötigt als Lösungen mit möglichst vielen Teilen, pflegt Oechslin zu sagen, beim Produzieren der Uhren falle dann dafür viel weniger Arbeit an.

Gebaut wurde das Stück von Uhrmacher Paul Gerber in Zürich, der auch technisch seine Handschrift hinterliess. Oechslin hatte als Basiswerk nämlich ein ETA 2824 oder etwas Ähnliches vorgesehen, das aber schien Gerber etwas schwächlich für die Aufgabe – er schlug als Motor ein Valjoux 7750 vor.

Und weil das bekanntlich ein Chronographen-Kaliber ist, hat die Uhr auch die entsprechende Funktion parat. Allerdings sieht man dies erst auf den zweiten Blick: Der Drücker bei 2 Uhr macht die Uhr zum Monopoussoir-Chronographen.

Ein sehr kleiner springender Minuten-Totalisator ist auf der Rückseite am Gehäuseboden durch ein Fensterchen zu sehen. Die technische Lösung für den Jahreskalender ist übrigens open source und darf ohne Einschränkungen kopiert werden.

Steckbrief Mechanik2

Durchmesser: 42 Millimeter

Preis: 6420 Franken plus Mehrwertsteuer (in der Schweiz 6900 Franken)

Speziell war die Uhr aber auch wegen ihres Designs: «Ich schaue bei einem neuen Produkt immer wieder, was man wegnehmen kann», sagt Christian Gafner über seine Gestaltungsphilosophie. Und so kommt das Zifferblatt der MIH-Uhr im Titangehäuse schier nackt daher.

Ein Logo ist zum Beispiel erst nach längerem Betrachten auszumachen: Es bildet den Stundenbalken bei 9 Uhr. Generell ist die Uhr optisch aufs Wesentliche reduziert.

Gehaltvollste täglich erscheinende Produkt der Schweiz

Den Verkauf organisierte Embassy – auf marktschreierisches Marketing sollte dabei nach dem Willen von Ludwig Oechslin verzichtet werden. Lieber setzte er auf ein paar witzige Details: Auf der Schliesse etwa sind Längen- und Breitengrad des Musée international d’horlogerie eingeprägt.

Und ausgeliefert wurde das gute Stück jeweils in der tagesaktuellen Ausgabe der «Neuen Zürcher Zeitung»: «Damit verwenden wir das seit über 235 Jahren gehaltvollste täglich erscheinende Produkt der Schweiz und geben noch mehr Inhalt dazu», erklärte Oechslin.

Nur gibt es diesen Inhalt jetzt nicht mehr: Die Produktion wird eingestellt, weder das MIH noch Embassy waren an einer Weiterführung interessiert. Und so beschloss Christian Gafner, motiviert von Anfragen von Uhrenfans, der Uhr ein zweites Leben einzuhauchen.

Kleine Veränderungen bei der «Mechanik2»

Die zweite Auflage heisst «Mechanik2», das Kürzel dafür – MII – figuriert wieder als Logo auf dem 9-Uhr-Stundenbalken. Auffälligste Veränderung ist ein grosser Kreis von 30 Punkten auf der oberen Zifferblattseite. Betätigt man den Chronographen-Drücker, wird hier bis Position 29 mit einem roten Punkt jeweils die Zahl der verstrichenen Minuten angezeigt – diskret und dennoch sehr gut lesbar.

Rot ist, wie beim Urmodell, die Spitze des Sekundenzeigers, der sonst in Schwarz gehalten ist und fast unsichtbar bleibt. Technisch gibt es ein leichtes Update, Markus von Allmen, der als Uhrmacher an Bord ist, habe seine Erfahrungen einfliessen lassen.

Christian Gafner, nach einem kurzen Intermezzo als Designer bei Ochs und junior wieder ganz selbstständig, hat zwei Jahre in das Projekt investiert. Jetzt kommt Phase zwei, der Verkauf der Uhr.

Der Designer setzt dabei auf ein Subskriptionsmodell und schrieb diese Woche via Newsletter potenzielle Kunden an, die das Projekt mit einer Vorleistung ins Rollen bringen sollen. Eine Zürcher Bankerin und ein Ingenieur aus Leipzig bilden mit Christian Gafner die GmbH, die hinter dem Projekt «Mechanik2» steht. 

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