Rolf Studer, Co-CEO der Hölsteiner Uhrenmarke Oris, weiss genau, wie er den Ausstoss von Treibhausgasen radikal reduzieren könnte: «Am ökologischsten wäre es», so sagt er, «den Betrieb ganz einfach einzustellen.»

Natürlich ist eine Einstellung oder Reduktion der Uhrenproduktion kein Thema, Oris will im Gegenteil weiterwachsen. Gleichzeitig aber, und das ist der Hintergrund von Studers Aussage, hat sich die Marke das Thema Nachhaltigkeit auf die Fahne geschrieben und dabei, wie es der Chef formuliert, «zuversichtlich ein kühnes Ziel gesetzt»: Gegenüber dem Jahr 2019 will man unter anderem ab 2022 dreimal hintereinander den Ausstoss von CO2 jährlich um jeweils zehn Prozent reduzieren.

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Das Ergebnis der Massnahmen für 2022 ist in einem 26 Seiten starken Sustainability Report festgehalten. Interessant dabei: Erstmals liegen für einen Betrieb in der Uhrenbranche umfassende Zahlen vor, die wohl weitgehend für die gesamte Branche gelten und ziemlich genau beziffern, was im Sektor die grössten Quellen für CO2-Emissionen sind. Und – fast noch brisanter – was eben nicht.

Uhren sind keine CO2-Sünder

So viel vorweg: Uhren an sich gehören, was ihre Produktion anbelangt, nicht zu den CO2-Sündern, wie Rolf Studer betont: «Uhren sind Produkte mit geringen Stückzahlen, und sie verbrauchen nur geringe Mengen an Rohstoffen.» Konkretes Beispiel: «Im Jahr 2022 haben wir neun Tonnen Stahl verbraucht. Das entspricht der Umweltbelastung von drei Hin- und Rückflügen in der Business Class von Europa nach Los Angeles.»

Ein Satz, der den engen Handlungsspielraum deutlich macht: Beim Produkt Uhr selber ist nicht viel Einsparung zu holen. Aber auch in Bezug auf die Fliegerei sind irgendwann Grenzen gesetzt, wie Rolf Studer sehr gut weiss: «China war letztes Jahr praktisch geschlossen, dieses Jahr ist für mich aber ein Flug dahin unumgänglich», sagt er. Mit anderen Worten: Ökonomische Logik kommt mitunter der ökologischen in die Quere. Wer nicht fliegt, vor Ort Events macht und Kunden trifft, bezahlt es nämlich über kurz oder lang mit sinkendem Export.

Total hatte Oris im letzten Jahr einen CO2-Fussabdruck von rund 2270 Tonnen zu verzeichnen (siehe Grafik). Der Löwenanteil davon, 31,8 Prozent oder 722,1 Tonnen, geht auf das Konto der externen Logistik, 16,5 Prozent oder 374,5 Tonnen sind dem Pendeln der Mitarbeitenden geschuldet, 14,8 Prozent wurden durch das Fliegen verursacht, und 6 Prozent gehen zulasten von Fahrten mit Miet- oder eigenen Wagen. Damit kommen diese Bereiche, die im Wesentlichen mit Mobilität und Transport zu tun haben, gemeinsam auf 69 Prozent. Weitere 5,9 Prozent haben mit dem Verbrauch von Elektrizität zu tun, der Rest, also 25 Prozent oder 567,5 Tonnen, verteilt sich auf diverse Verursacher.

Die Zahlen hat für Oris das Unternehmen Climatepartner berechnet. Die verschiedenen Emissionsquellen wurden dabei in drei Bereiche unterteilt: Der erste betrifft alle Emissionen, die direkt von Oris erzeugt werden, zum Beispiel durch firmeneigene Geräte oder Fahrzeugflotten. Beim zweiten Bereich geht es um die Emissionen, die durch eingekaufte Energie erzeugt werden, zum Beispiel Strom und Fernwärme. Dazu kommen als dritter Bereich alle Emissionen, die nicht unter der direkten Kontrolle des Unternehmens stehen, etwa die Produktentsorgung.

Für den Logistikbereich, dies als Klammer, bereitete Climatepartner die Angaben des Oris-Logistikpartners DHL auf. «Die Emissionen wurden nach Transportgewicht, Entfernung und Fahrzeug berechnet», erklärt Projektleiterin Larissa Spescha.

Weniger Flüge sind für Oris der grösste Hebel ...

Klar machen die Berechnungen, wo am ehesten der Hebel anzusetzen wäre. Tatsächlich konnte Oris am meisten mit weniger Fliegen einsparen: 38,1 Prozent Rückgang erreichte man mit dem Streichen von Geschäftsflügen, «einer unserer grössten Emissionsquellen». Aber auch beim Pendeln der Mitarbeitenden wurde der Rotstift angesetzt: «Die Welt hat sich seit 2019 verändert, und die Arbeit von zu Hause aus ist heute Teil der Unternehmenskultur», steht im Bericht. Dies könne die Produktivität und das Wohlbefinden der Mitarbeitenden fördern und reduziere erst noch das Pendeln. Konkrete Massnahme: «Oris hat eine Drei-zwei-Struktur eingeführt, und viele Mitarbeiter, die nicht in der Produktion tätig sind, pendeln nur noch drei Tage pro Woche nach Hölstein.»

Ergebnis im CO2-Milchbüechli: minus 11,4 Prozent (von 422,9 auf 374,5 Tonnen). Weitere minus 12,2 Prozent schaffte Oris im Bereich der firmeneigenen Fahrzeugflotte, vorab mit dem Umstellen auf Elektrofahrzeuge. Hier stünden noch «erhebliche Reduzierungen» an, vorab in den USA, wo 76 Prozent der Emissionen in dieser Kategorie anfallen. Noch in diesem Jahr strebt Oris den vollständigen Umstieg auf Strom an.

... und kleinere Verpackungen

Im Visier ist auch das Packaging – mit erstaunlichem Potenzial: Um 34,2 Prozent wurde 2022 der damit verbundene Kohlendioxid-Ausstoss verringert, von 101,7 auf 67 Tonnen. Dass man mit Massnahmen im Verpackungsbereich Punkte erzielen kann, mag zwar erstaunen, sei aber ziemlich logisch: «Es geht um das Gewicht, aber auch um die Grösse der Verpackung», sagt Rolf Studer. «Wenn Sie das Volumen um die Hälfte reduzieren, bringen Sie zum Beispiel doppelt so viel Uhren mit dem gleichen Raumbedarf in ein Flugzeug. Das schenkt dann sehr wohl ein.» Mithin will Oris auf diesem Weg weitermachen, so der Nachhaltigkeits-Report, mit leichten und kleinvolumigen Verpackungen aus recycelten und recycelbaren Materialien.

Allerdings gibt es auch Grund für einen Euphoriedämpfer – in einigen Bereichen fielen letztes Jahr mehr Emissionen an als 2019: plus 4,7 Prozent bei der Logistik, plus 15,8 Prozent beim Strom.

Geschafft hat die Marke das Jahresziel 2022 ohnehin nicht ganz: Statt minus 10 Prozent blieben es unter dem Strich minus 7,8 Prozent. «Immerhin», sagt man dazu bei der Hölsteiner Marke, zumal gleichzeitig das Personal von 180 auf 210 Personen aufgestockt wurde und Oris auch sechs neue Boutiquen eröffnete. Überdies wurde die Fussabdruck-Berechnung erweitert, erfasst wurden neue Kriterien wie zum Beispiel die verursachte Emission von elektronischen Geräten, Hotelübernachtungen, Lebensmitteln, Getränken oder Homeoffice sowie Strom. Diese Bereiche stehen für 3,8 Prozent des gesamten Ausstosses.

Erfreulich findet Studer, dass der von den Mitarbeitenden direkt beeinflussbare Ausstoss beträchtlich reduziert wurde. Die Emissionen pro Mitarbeiter sanken von 13,68 Tonnen CO2 im Jahr 2019 auf 10,81 Tonnen, was einem Rückgang von 21 Prozent entspricht. Erreicht wurde dies durch Heimarbeit, den Einsatz von Elektroautos und weniger Flüge.

Rolf Studer, Co-Chef von Oris: «Der Schlüssel zu weniger CO2 liegt nicht im Produkt, der Schlüssel liegt im Verhalten.»

Rolf Studer, Co-Chef von Oris: «Der Schlüssel zu weniger CO2 liegt nicht im Produkt, der Schlüssel liegt im Verhalten.»

Quelle: ZVG

Oris, dies nebenbei, ist seit Jahren zu 100 Prozent klimaneutral – was an Emission nicht eingespart wird, kompensiert die Marke durch die Unterstützung von Klimaprojekten. Das, räumt Rolf Studer ein, sei zwar durchaus sehr wichtig, es sei aber auch der simplere Weg – ein bisschen an den Ablasshandel erinnernd: «Kompensieren ist einfach, reduzieren ist schwierig.» Ganz klar sei dabei eines: «Der Schlüssel liegt nicht im Produkt, der Schlüssel liegt im Verhalten.»

Positiver Nebeneffekt: Die Bestrebungen seien gerade bei der Suche nach Talenten wichtig: «Wir spüren das Interesse bei den Bewerbungsgesprächen», sagt Rolf Studer, «die Nachhaltigkeit ist jedes Mal ein Thema – ausnahmslos.»

 

Dieser Artikel erschien zuerst bei «Watch Around».

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