Wenn man Aurelia Figueroa gegenübersitzt, will man plötzlich alles besser machen. Mit ansteckender Begeisterung erzählt sie über die Herausforderungen, die der Weg in eine nachhaltigere Zukunft mit sich bringt, über die kleinen Erfolgserlebnisse und – mit viel Verständnis – darüber, warum uns Menschen die nötigen Veränderungen in unserem Verhalten so unglaublich schwerfallen. Man kann kaum anders, als sich zu fragen, warum man selbst dem Thema nicht das gleiche Mass an Enthusiasmus entgegenbringt. Ist dies das Geheimnis ihres Erfolgs? Noch keine drei Jahre im Amt, ist es der gebürtigen Amerikanerin bereits gelungen, in der sonst eher konservativen Uhrenbranche neue Standards zu setzen – medienwirksame Standards, mit denen Breitling weltweit Schlagzeilen schreibt.

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Sie haben Politik, Philosophie, Wirtschaft, internationale Beziehungen und Journalismus studiert. Wie führten all diese Lehrgänge zu einer Karriere im Bereich Nachhaltigkeit?

Eine gute Frage. Ich bin letztlich wohl in diesem Bereich gelandet, weil mir das Thema von klein auf am Herzen lag. Ich bin ein Millennial: Als ich zur Schule ging, gab es keinen Abschluss in Nachhaltigkeit – oder zumindest keinen, von dem ich gewusst hätte. Ich habe schlicht versucht, einen Lehrplan zusammenzustellen, der meinen Neigungen entspricht. Und hatte später das Glück, immer im Bereich Nachhaltigkeit arbeiten zu können, sei es als Teenager bei einem Versorgungsunternehmen oder später für verschiedene Projekte im privaten und öffentlichen Sektor.

Und jetzt in der Uhrenbranche.

Ich hätte nie damit gerechnet, mal in dieser Industrie zu arbeiten. Aber hier kann ich alles, was ich auf meinem Weg gelernt habe, verbinden.

Dann war der Wechsel in diese Branche also mehr Zufall als Kalkül?

Was ich wollte, als ich vom öffentlichen Sektor in die Uhrenindustrie wechselte, war, Nachhaltigkeit nicht mehr nur zu erforschen, sondern aktiv zu fördern. Meine Position bei Breitling ermöglicht es mir, eine effektive Veränderung zu bewirken, sei es intern oder extern unter Einbezug unserer Partner in der Wertschöpfungskette. Und allgemein in der Gesellschaft: Meiner Meinung nach besteht eine unserer wichtigsten Aufgaben als Marke im Luxussektor darin, die gesellschaftlichen Vorstellungen von Status positiv zu beeinflussen.

Schwarz-Weiss-Bild von Aurelia Figueroa auf einem Stuhl sitzend.

Der gebürtigen Amerikanerin ist es gelungen, in der Uhrenbranche neue, medienwirksame Standards zu setzen.

Quelle: Nadine Ottawa

Gegenüber dem «Standard» bezeichneten Sie die Luxusindustrie entsprechend als «Gatekeeper von gesellschaftlichen Statusvorstellungen». Es scheint, als sei der Druck, nachhaltiger zu produzieren, im Hochpreissegment besonders hoch.

Ich verstehe, was Sie andeuten. Und ich stimme Ihnen zu: Es ist wichtig, dass Nachhaltigkeit nicht nur dann Thema ist, wenn es sich um ein Premiumprodukt handelt und der Kunde sich die Nachhaltigkeitsprämie leisten kann. Oft ist es jedoch so, dass gerade Luxusmarken eine grosse Plattform haben und mit ihr die Chance, Teil des globalen gesellschaftlichen Dialogs zu sein und das Bewusstsein für wichtige Themen zu schärfen. Aber ja, egal ob man einen Müesliriegel oder eine Uhr kauft: Man sollte wissen wollen, woher die Rohstoffe stammen und wie die Menschen in der Produktions- und Lieferkette behandelt werden.

Wenn wir nun nochmals spezifisch auf die Uhrenbranche zu sprechen kommen: Was sind Ihrer Meinung nach deren schwerwiegendste Probleme in Sachen Nachhaltigkeit?

Transparenz. Die Luxusgüterindustrie ist eine verschwiegene Branche. Das ist ein Aspekt, der sich grundlegend ändern muss. Wir müssen unsere Praktiken offenlegen, damit Kundinnen, Kunden und alle weiteren Interessengruppen unsere Massnahmen einordnen und entscheiden können, ob sie ihren eigenen Werten entsprechen.

Der «Sustainability Mission Report 2022» verleiht den Unternehmenswerten von Breitling Ausdruck. Etwa dem verantwortungsvollen Sourcing von Gold und Diamanten …

… aktuell unserem Hauptaugenmerk in Sachen Produktoptimierung.

So haben Sie unter anderem den Wechsel zu ASM-Gold vollzogen – Gold aus sogenannten «artisanal and small-scale mines», Kleinbergbau. Diese Art des Abbaus gilt als low-tech und somit als extrem arbeitsintensiv. Warum schien es Ihnen dennoch die beste Lösung?

Ausgehend von der Produktintegrität wollen wir, dass unser Gold zu hundert Prozent rückverfolgbar ist. Das bedeutet, dass wir recyceltes Gold als Option ausschliessen müssen – weil wir die Bedingungen, unter denen es gewonnen worden ist, nicht kennen. Recyceltes Gold ist ein wichtiger Bestandteil der Goldbeschaffung insgesamt, aber es ist keine Grundlage, auf der man soziale und ökologische Auswirkungen nachweisen kann. Wenn wir hingegen beim frisch geförderten Gold ansetzen, können wir den Übergang zu einer nachhaltigeren Industrie aktiv unterstützen.

Breitling Super Chronomat Automatic 38 Origins

Die Breitling Super Chronomat Automatic 38 Origins mit nachhaltigem Gold und Labordiamanten.

Quelle: ZVG

Weshalb der Wechsel zu Labordiamanten? Die Technik hat Kritiker.

Der hohe Energieverbrauch für die Herstellung ist uns bewusst, aber man muss dabei verschiedene Faktoren berücksichtigen. Die Verwendung von Labordiamanten verschafft uns die Gewissheit, dass dieser Rohstoff nicht mit Konflikten oder Menschenrechtsverletzungen in Zusammenhang steht. Auch hier lautet unser oberstes Ziel vollständige Rückverfolgbarkeit, die in der Uhrenindustrie, in der kleine Meléediamanten verwendet werden, selten gegeben ist. Wir haben eine Lieferkette eingerichtet, bei der wir nicht nur die Rückverfolgbarkeit gewährleisten können, sondern auch darauf achten, dass die Lieferanten klimaneutral sind oder einen Plan für den Übergang zur Produktion mit erneuerbaren Energien und kohlenstoffarmen Energiequellen haben.

Dennoch dürfte es schwierig sein, gewisse Kunden von diesen neuen Steinen zu überzeugen. Natürliche Diamanten haben für Menschen einen emotionalen Wert. Sie gelten als rar, kostbar, als kleines Wunder der Natur.

Auf genau diese Prämisse baut die Diamantindustrie seit fast einem Jahrhundert. Aber Breitling setzt wie gesagt auf andere Werte: die Schonung von Ressourcen, die Rückverfolgbarkeit und die Wahrung von Menschenrechten.

Das Etablieren neuer Techniken und Denkweisen kostet Zeit und Geld. Im Sustainability-Mission-Report zitieren Sie die Solar Impulse Foundation, die Stiftung des Breitling-Explorer-Squad-Mitglieds Bertrand Piccard: Nachhaltigkeit muss dem Aspekt der Profitabilität gerecht werden. Wie profitiert Breitling von den Veränderungen, die Sie implementieren?

Durch die neuen Praktiken können wir die Beziehung zu unseren Zulieferern zum Positiven verändern. Wir möchten unsere Geschäftsbeziehungen auf der Grundlage von gemeinsamen Werten und gegenseitigem Vertrauen aufbauen. Und Vertrauen, so meine Erfahrung, macht jegliche Interaktion einfacher und effizienter. Auch wenn wir die Wertschöpfungskette weiter nach unten verfolgen und uns Breitling selbst ansehen, sind wir überzeugt, dass sich die Investitionen auszahlen – etwa, indem wir uns vor dem Hintergrund des ständig wachsenden Bewusstseins für Nachhaltigkeit optimal auf eine zukünftig gesteigerte Nachfrage vorbereiten. Eigentlich mag ich diesen Begriff nicht, aber: «We are future-proofing.» Denn egal ob Jung oder Alt: Konfrontiert mit den grossen Herausforderungen, vor denen wir stehen, wollen wir alle dasselbe.

Ein besseres Morgen. Der Weg dahin scheint klar. Warum, glauben Sie, ist es für uns Menschen dennoch so schwierig, Gewohnheiten zu ändern?

Veränderungen machen Angst. Gleichzeitig spüren wir als Gesellschaft die Dringlichkeit, zu handeln. Interessant ist, dass wir bei der Nachhaltigkeitsdiskussion immer in erster Linie an die Natur denken, dabei sind auch die Menschen selbst ein wichtiger Faktor. Man muss sicherstellen, dass sie nicht ausgebeutet werden. Und dafür sorgen, dass sie einen Anreiz haben, sich zu bessern. Meiner Meinung nach wird dieser menschlichen Seite von Nachhaltigkeit oft nicht genug Beachtung geschenkt.

Aurelia Figueroa

Aurelia Figueroa zählt zum Thema Nachhaltigkeit auch die Wahrung von Menschenrechten.

Quelle: Nadine Ottawa

Einige der Nachhaltigkeitsziele von Breitling betreffen entsprechend auch die Angestellten in der Schweiz.

Eine unserer diesbezüglich grössten Aktivitäten in diesem Jahr war die Breitling-Klimawoche, während der unsere Mitarbeiter in Zürich, Grenchen und La Chaux-de-Fonds zu verschiedenen gemeinnützigen Aktivitäten motiviert wurden. Und diese Woche hatten wir hier in Zürich einen Workshop zum Thema Plastikmüll.

Das macht Sinn. Gemäss Sustainability-Mission-Report ist das erklärte Ziel von Breitling, als Unternehmen bis 2025 komplett plastikfrei zu sein.

Richtig.

Ambitioniert!

Ich weiss.

Welches Ihrer vielen Ziele bereitet Ihnen denn die meisten schlaflosen Nächte? Und worauf sind Sie jetzt bereits besonders stolz?

Ich bin auf alles stolz, was wir bisher erreicht haben. Wir haben die Latte hoch gelegt und sind auf einem guten Weg. Was ich mir aber durchaus bewusst bin: Die letzten Meilen stellen immer die grösste Herausforderung dar. Und sind normalerweise mit den höchsten Kosten verbunden.

Und auf der letzten Meile unseres Gesprächs eine letzte Frage: Was könnten wir als Gesellschaft in Sachen Nachhaltigkeit besser machen? Wünschen Sie!

Am einfachsten nimmt man sich die persönlichen Alltagsgewohnheiten vor – Energie, Ernährung, Transport. Aber darüber hinaus haben wir alle, jede und jeder als Einzelperson, die Möglichkeit, an einer Veränderung im grösseren Sinne mitzuwirken – indem wir uns über all die verschiedenen Aspekte von Nachhaltigkeit bewusst werden und nicht davor zurückschrecken, die damit verbundenen Diskussionen – auch mit uns selbst – zu führen.

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