Wo andere gerne mal flirten, macht Beat Weinmann beste Geschäfte – auf dem Smartphone-Chatkanal WhatsApp. Beat Weinmann ist eine prominente Grösse im Schweizer Uhrenbusiness mit beruflicher Vergangenheit bei Embassy und Ochs und Junior, vor allem aber ist er seit bald drei Jahren Head of Operations bei der Luzerner Uhrenmarke Chronoswiss und als solcher verantwortlich für die Sparte «Persönlicher Handel». Dieser persönliche Handel findet zunehmend ganz unkompliziert über das Smartphone statt.  

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Da war zum Beispiel ein Interessent in Singapur, der via WhatsApp mit Weinmann Kontakt aufnahm. Was ganz einfach geht, es reicht für den Start, auf der Internetseite über das Team den entsprechenden Button anzuklicken. Der Interessent stellte eine erste Frage zum Modell Open Gear Resec Chameleon, er erhielt seine Antwort, stellte eine weitere Frage, erhielt eine neue Antwort, es gab ein Hin und Her, man tauschte auch mal ein privates Foto aus – und bald schon zückte der Mann für die Uhr seine Kreditkarte.

Vier Wochen später wiederholte sich das Spiel. Diesmal kaufte der Mann eine SkelTec Pitch Black. Und aktuell, nochmals vier Wochen später, gehen die Nachrichten zwischen Weinmann und dem Mann in Singapur erneut hin und her. Wiederum geht es um eine skelettierte Uhr, diesmal um die Deklination namens Azur. Die Chancen, dass der Deal zustande kommt, stehen bestens. Drei verkaufte Uhren innert dreier Monate sind ein gutes Geschäft, zumal die Uhren der einst von Gerd-Rüdiger Lang in München gegründeten Marke heute immerhin zwischen 9000 und 40’000 Franken kosten. Und die Marge in diesem Fall nicht mit einem Händler zu teilen ist.  

Es gab beim WhatsApp-Chat übrigens eine Frage, die Beat Weinmann nicht beantwortete, er ignorierte sie schlicht und einfach. Es war die Frage nach einem möglichen Discount. «Rabatte gewähren wir nicht», sagt Weimann. «Punkt.»  
 

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Chronoswiss war vor zehn Jahren von Oliver Ebstein übernommen und nach Luzern transferiert worden. Und gerade in den letzten Jahren, also seit Weinmann an Bord ist, hat die Marke ein deutlich klareres Gesicht erhalten – in der Anmutung irgendwo zwischen Abraham-Louis Breguet, Richard Wagner und Jimi Hendrix, mit einem Abstecher ins Psychedelische, punkigen Farben, einem Hauch Rock Opera – und dies alles im Savoir-faire-Vokabular der Haute Horlogerie konjugiert.  

Geblieben aus der Gründerzeit der Marke sind drei Ingredienzen, die Gerd-Rüdiger Lang seinerzeit zur DNA von Chronoswiss gemacht hatte: die grosse Zwiebelkrone, die Regulator-Anzeige und die geraden, parallel verlaufenden Bandanstösse. Für alles Weitere darf sich Designer Maik Panziera austoben – und das tut er auch. Die Uhren sind in der jüngeren Zeit frecher geworden, mit einer Prise Candy Glam: «Ich habe mich langsam reingesteigert», sagt der Designer. Es sei ihm total egal, wenn die Uhren nicht gefallen, schön aber sei, wenn die Leute ihm sagen: «Wow – das habe ich noch nie gesehen.» Ein Satz notabene, den er öfters mal hört.  

Die Spezialität des Hauses liegt im Zifferblatt, handguillochiert und emailliert – und zwar inhouse an der Löwenstrasse 16b in Luzern. Wobei, Maik Panziera legt Wert darauf, das Zifferblatt ein tragendes Werkteil sei, mit Schrauben, Rubinen sowie Gewinden – mit allen Funktionen einer Platine also. Nur glänzt sie mitunter changierend in oft knalligen Farben, leuchtendem Grün etwa für das Modell Open Gear Resec Jungle. Die Uhren heissen zum Beispiel Kingfisher, Chocolat, Paraibo, Black Ice oder Pink Panther – Namensgeber ist wiederum der Designer. Und als er einem violetten Modell den Namen Purple Haze verleihen wollte, kam es wegen der Cannabis-Konnotation auf dem firmeninternen WhatsApp-Kanal zu einem Shitstorm. Tenor: «Geht gar nicht!» Er habe solche Einwände «etwas bieder» gefunden, sagt Panziera – und der Name blieb.  

Mehr noch: Er hat Erfolg. Chronoswiss verkauft derzeit rund 1500 Uhren jährlich. In Bezug auf die Stückzahlen ist das zwar keine Steigerung, in Bezug auf den Umsatz aber sehr wohl. Denn aufgrund des zunehmenden Aufwands für jedes Stück sind auch die Preise gestiegen, der Durchschnitt liegt aktuell bei rund 11’000 Franken.  

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Man profitiere davon, sagt Beat Weinmann, dass viele Sammler und Kunden Alternativen zu den ewig gleichen Erfolgsmarken suchten – und das tue auch der Handel. Neuerdings ist Chronoswiss bei Cellini in New York zu haben – Eigenwerbung: «Fine Jewelry & Rare Watches» – oder beim Vorzeige-Einzelhändler Seddiqi in Dubai. Generell sind die Luzerner in Sachen Retail picky geworden: «Wir haben in Deutschland letztes Jahr 13 Verkaufspunkte geschlossen», sagt Weinmann, «es sind jetzt noch neun, darunter aber die besten, die man haben kann.»  

Voraussetzung: Die Händler müssen dem Anspruch nach Prestige und Speziell-Sein der Marke genügen und den Spirit mittragen. «Wir dürfen uns leisten, nicht mehr der Mehrheit gefallen zu müssen und auf positive Art mit etwas Neuem zu schockieren», sagt Weinmann. Und: «Wir möchten die Leute aus der Komfortzone locken.»  

Da leistet man auch mal gerne Nachhilfe. Ein Kunde in Deutschland, der von der SkelTec zwar angetan war, aber wegen des 45-Millimeter-Jumbo-Formats der Uhr Bedenken hatte und vom Kauf zurückschreckte, erhielt zur Probe einfach zwei Wochen lang die private SkelTec von Maik Panziera zum Probetragen – er zeigte sich begeistert.

Das Probetragen wurde über einen Partnerhändler eingefädelt, und Beat Weinmann will unbedingt am traditionellen Retail festhalten. Doch das Verkaufen über Direktkontakt hat mehr als nur stark Fahrt aufgenommen, das Onlinegeschäft sowieso, man war schliesslich eine der ersten Marken, die Kryptowährungen akzeptierten, auf Blockchain setzten und online verkauften. «Allerdings geht das bei uns auf einer anderen Ebene als simples Click and Pay», betont Weinmann. Online heisse zum Beispiel, dass man interessierte Kunden via Zoom-Konferenz oder Online Call virtuell treffe und auch mal mit hochauflösenden Kameras durch eine Uhr und ihr Kaliber führe. Oder, oft gewünscht, eine Privatlektion über das Wesen des Tourbillon gebe – inklusive Filme mit dem hauseigenen Flying Regulator Open Gear. Auf dass der Interessent am Abend in der Bar beim Fachsimpeln mithalten kann.  

Kunden sind zum Beispiel ein Mann, der zu seinem farbig ausgefallenen Lamborghini zwei farblich passende Uhren suchte. Oder ein Unternehmer, der in einer Nobelvilla namens Paraiba ein Fest veranstaltete und beim Googeln dazu über die Chronoswiss Open Gear Flying Tourbillon Paraiba stolperte. Generell seien es Leute, so Beat Weinmann, die vorab einen Wunsch klar formulierten: «Ich will nicht das, was alle anderen haben.» 

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