Energiemangellage? Die sommerliche Hitze lässt das Thema nach hinten rücken, doch der nächste Winter kommt bestimmt. Zwar umging die Schweiz in der vergangenen, überdurchschnittlich milden Heizperiode den befürchteten Engpass. Aber die Situation bleibt angespannt: In den hiesigen Speicherseen fehlt Wasser, die französischen Kernkraftwerke kämpfen mit technischen Problemen und Deutschland hat seine letzten drei KKW’s im April ausser Betrieb genommen. Wie hoch der Füllstand der europäischen Gasspeicher im Herbst sein wird, lässt sich momentan nicht vorhersagen. Jetzt sei der richtige Zeitpunkt, um Massnahmen gegen mögliche Mangellagen zu treffen, mahnten deshalb die Bundesräte Guy Parmelin und Albert Rösti kürzlich an einer Konferenz. 

Der Bund führt die im letzten Jahr gestartete Kampagne «Nicht verschwenden» fort – und spricht dabei direkt KMU an. Diese sparten im letzten Winterhalbjahr weniger Energie ein als andere Gruppen, wie das Energiedashboard Schweiz zeigt. Neben Tipps für Sofortmassnahmen, mit denen sich bereits bis zu 15 Prozent Energie einsparen lassen, bietet der Bund im Rahmen der Kampagne Unterstützungsangebote für Massnahmen, die langfristig einen Unterschied machen. 

Ein Beispiel für solch ein Angebot ist «ProKilowatt». Das Förderprogramm vergibt Gelder an Unternehmen, Gemeinden und Haushalte, die bestehende durch effizientere Anlagen ersetzen und damit den eigenen Stromverbrauch senken. Uwe Freißlich, Technologieleiter beim Zuckerhersteller Schweizer Zucker im bernischen Aarberg, hörte bereits 2016 an einer Infoveranstaltung in Bern von ProKilowatt. «Strommangellage» – das Wort des Jahres 2022 – war noch Zukunftsmusik. Doch die Zuckerherstellung ist seit jeher energieintensiv und die Energiekosten machten auch damals schon einen Drittel der gesamten Betriebskosten aus. Denn um Zucker zu gewinnen, muss das Wasser aus den Zuckerrüben verdampft werden. Das geschieht in Anlagen, in denen mehrere Verdampfer hintereinandergeschaltet werden – das sind riesige Wärmetauscher in denen Dampf mehrfach als Heizmedium genutzt wird. Zudem kommt ein Brüdenkompressor – eine übergrosse Wärmepumpe – zum Einsatz, mit dem mit Hilfe von Elektroenergie Wasser verdampft werden kann. 

Idee gut, Realisierung teuer

Freißlich, ausgebildeter Zuckertechniker, kam eine Idee: Wenn er einen zusätzlichen Verdampfer in die mehrstufige Verdampfungsanlage integrierte, könnte er pro Stunde 50 Tonnen mehr Wasser verdampfen, ohne dabei zusätzliche Energie einsetzen zu müssen. 1,16 Kilowattstunden pro Tonne Rüben und 162'000 Franken pro Jahr liessen sich so einsparen, berechnete er anhand des damaligen Strompreises. Die Idee war gut, die Realisierung teuer. 1,85 Millionen Franken sollte ein neuer Verdampfer kosten, liess Freißlich sich offerieren, eine Massanfertigung. Rentieren würde sich das Projekt erst in zwölf Jahren. «Das hätte niemand im Vorstand gegengezeichnet», sagt Freißlich – und reichte bei ProKilowatt einen Antrag für einen Zuschuss von 450'000 Franken ein.
 

Wettbewerb mit internationaler Vorbildfunktion

«Der Antragsteller bestimmt selbst die Fördersumme, die er benötigt», erklärt Grégoire Blanc, Geschäftsleiter bei ProKilowatt. Bis zu 30 Prozent der Investitionskosten darf sie ausmachen. «Je kleiner der gewünschte Förderbetrag  und je grösser das erwartete Einsparpotenzial, desto höher die Chance, den Zuschlag zu bekommen.» So entstehe anders als bei klassischen Subventionen ein Wettbewerb, sagt Blanc, und fügt an, dass auch andere Länder Interesse an dieser neuen Art der Förderung zeigen würden. Etwa Deutschland habe ein vergleichbares Programm nach Schweizer Vorbild lanciert. «Wir fördern 85 Prozent der eingereichten Anträge», sagt der Westschweizer. «Es gibt also nicht viele Verlierer.»

Zu den Gewinnern zählt Schweizer Zucker. Das Unternehmen mit 250 Mitarbeitenden erhielt die Zusage für die beantragten Fördergelder. Zwei Jahre, eine umfassende Projektarbeit und eine Baubewilligung später stand der neue Verdampfer. Grégoire Blanc machte sich mit den Kollegen vom Bundesamt für Energie vor Ort ein Bild. «Als wir in Aarberg ankamen, wussten wir, dass wir richtig sind, weil gerade mehrere Traktoren mit Anhängern voller Zuckerrüben vorfuhren», erinnert er sich. Der Verdampfer selbst: eindrücklich, mehrere Etagen hoch. Uwe Freißlich sagt stolz: «So eine Verdampfstation ist 18 Meter hoch. Man fühlt sich darin, als stünde man in einer Kathedrale.» Die Energieeinsparungen mit dem neuen Verdampfer waren letztlich sogar höher als im Vorfeld geschätzt. Die Fördersumme wurde ausbezahlt.

«Uns gefiel besonders, dass Schweizer Zucker nicht einfach eine neue Anlage gegen eine effizientere ersetzte», sagt Blanc, der auch Innovationsmentor ist, «sondern den gesamten Herstellungsprozess in Augenschein nahm und ihn optimierte.» Oft unterschätzten Unternehmen dieses Einsparpotenzial, weiss er: dass nicht nur eine Maschine effizienter als die andere sein kann, sondern eben auch Prozesse. 

Der neue Verdampfer in Aarberg.

Der neue Verdampfer in Aarberg.

Quelle: ZVG
Pumpen austauschen lohnt sich

Bei ProKilowatt landen jährlich rund 100 Anträge auf dem Tisch, etwa 20 Prozent mehr als noch vor zwei Jahren. «Wir merken, dass KMU mittlerweile fast gezwungen sind, in Stromsparmassnahmen zu investieren», sagt Blanc, «weil ihre Stromrechnungen so hoch geworden sind.» Unternehmen können Anträge zu jeder Zeit online einreichen. Verlangt wird eine Projektbeschreibung, eine Kostenaufstellung anhand von Offerten oder Erfahrungswerten und die prognostizierten Kosteneinsparungen anhand von Messungen oder Berechnungen. Die Palette an eingereichten Massnahmen ist breit: von automatisierten Beleuchtungs- und Lüftungsanlagen, über sparsame Klima- und Kühlanlagen bis zu effizienteren Motoren und Pumpen findet sich alles darunter. «Gerade Pumpen laufen den ganzen Tag unbemerkt im Hintergrund und verbrauchen dabei viel Strom», sagt Blanc. Sein Tipp: ersetzen, neu dimensionieren, automatisieren. Viele Anlagen seien heute zu gross, weil in der Vergangenheit vor allem wichtig gewesen sei, dass sie verlässlich produzierten. Dabei lohne es sich mehr denn je, genau hinzuschauen, wie hoch der reale Bedarf tatsächlich sei. Dass neue Technologien stromsparender und die gesetzlichen Bestimmungen strenger werden, kommt hinzu. «Als Endverbraucher merkt man keinen Unterschied, aber verbraucht deutlich weniger Strom und spart so Kosten.» 

Neben der Umstellung auf energieeffizientere Technologien fördert der Bund auch jene auf erneuerbare Energien. Neu wurde eine Infoline eingerichtet, über die sich alle Unternehmen kostenlos beraten lassen können. Es handelt sich dabei um eine Erstberatung (siehe Box). Neben Fördergeldern für konkrete Projekte finanziert der Bund auch eine vergünstigte Beratung und Begleitung durch Energieexperten, um langfristiges Energiesparpotenzial im Betrieb aufzuspüren.

Uwe Freißlich ist zufrieden mit seinem realisierten Projekt. Der Aufwand habe sich gelohnt und die Zusammenarbeit mit ProKilowatt sei unkompliziert gewesen. «Wir suchen weiter nach Möglichkeiten, um Energie einzusparen», sagt der Schweizer-Zucker-Mitarbeiter. Das Unternehmen gehört punkto Nachhaltigkeit zu den Vorreitern, bereitet das Abwasser auf, nutzt alle Produkte, die mit der Zuckerproduktion anfallen, weiter und erhält 60 Prozent seiner Energie durch ein Holzkraftwerk, das mit Holzabfällen befeuert wird. «Es ist eine verrückte Zeit», sagt Freißlich, aber sie habe auch etwas Gutes: «Jede Herausforderung macht kreativ und wer kreative Lösungen findet, kann am Ende Energie und Ressourcen so gut wie möglich nutzen.»

Das bietet das Förderprogramm ProKilowatt

Das Bundesamt für Energie hat das Förderprogramm ProKilowatt ins Leben gerufen, um Unternehmen, Gemeinden und Haushalte in der Schweiz dabei zu unterstützen, elektrische Anlagen durch effizientere zu ersetzen und so den eigenen Stromverbrauch zu senken. Zu diesem Zweck gewährt ProKilowatt Fördergelder, die bis zu 30 Prozent der Investitionskosten und maximal 2 Millionen Franken betragen können. Voraussetzung ist, dass die geplanten Massnahmen unrentabel sind, sprich sich erst in mehr als vier Jahren auszahlen, und erst noch umgesetzt werden. Bereits unterstützte Projekte sind insbesondere in den Bereichen Beleuchtung, Kälte, Lüftung, Pumpen, Motoren, Industriemaschinen und Rechenzentren zu finden.

Seit dem Start im Jahr 2010 hat ProKilowatt über 870 Projekte und Programme mit einem Fördervolumen von rund 370 Millionen Franken unterstützt. Somit konnten rund 999 GWh Strom pro Jahr eingespart werden, was in etwa dem jährlichen Stromverbrauch von  185’000 Haushalten entspricht. Mehr Informationen erhalten Interessierte online unter www.prokw.ch, telefonisch unter 058 332 21 42 oder per Mail unter ProKilowatt@cimark.ch.

Das bietet die Infoline vom Bund

Der Bund hat eine Infoline eingerichtet, um KMU über Beratungs- und Finanzierungangebote rund um das Thema Energiesparen zu informieren. Interessierte können rund um die Uhr unter 0848 444 444 anrufen. Eine automatische Telefonzentrale nimmt Fragen auf und leitet sie an Experten mit Branchenkenntnissen weiter. Diese rufen innerhalb von drei bis fünf Werktagen zurück. Die telefonische Erstberatung ist kostenlos.