Die Autoindustrie verändert sich derzeit schneller und stärker als in den letzten 50 Jahren. Wo sehen Sie die grössten Herausforderungen?

Wilko A. Stark: Die Automobilbranche gehört zu den spannendsten Technologieindustrien unserer Zeit. Die Geschwindigkeit der Innovation und der grundlegende Wandel vom Fahrzeughersteller zum Mobilitätsanbieter sind es, was mich fasziniert. Denn Vernetzung, Autonomes Fahren, Sharing und elektrische Antriebe werden unsere Industrie fundamental verändern. Diese Zukunftsthemen haben wir intern unter dem Begriff CASE (Connected, Autonomous, Sharing & Services und Electric) zusammengefasst. Die eigentliche Revolution dieser vier Felder liegt darin, sie perfekt miteinander zu verzahnen und dem Kunden das überzeugendste Gesamtpaket zu bieten – und genau da streben wir die Führungsrolle an.

Wie sieht die Mobilität der Zukunft aus und wie organisiert sich ein global tätiger Konzern wie Daimler?

Die Mobilität der Zukunft wird massiv von diesen CASE-Zukunftsfeldern bestimmt. Vom Kunden her gedacht, heisst unsere Vision der Zukunft «Intuitive Mobilität». Intuitiv bedeutet komfortabel, einfach zu bedienen, individuell und flexibel. Das heisst: in jedem Moment das, was für mich gerade passt, elektrisch und autonom. Der Kunde kann zwischen einem breiten Angebot wählen, um von A nach B zu kommen. Und das alles mit nur einem Fingertipp auf dem Smartphone: entweder die Fahrt mit eigenen Auto oder durch Mobilität als Dienstleistung. Die Zukunft der Mobilität wird zunehmend elektrisch und autonom sein. Dann kann der Kunde während der Fahrt im vollvernetzten Fahrzeug seine Zeit so nutzen, wie er möchte, und ist gleichzeitig lokal emissionsfrei unterwegs.

Was ist ihre Aufgabe?

Die Entwicklung dieser neuen Zukunftsfelder haben wir in einem eigenen Bereich mit der Bezeichnung CASE gebündelt. Damit können wir eine enge Verzahnung dieser vier Felder herstellen. Gleichzeitig ist CASE eng an die Unternehmensstrategie gekoppelt, um so konzernweit Synergien zu heben und gegenseitig voneinander zu lernen. Die Innovationen im Bereich der CASE-Felder sind für unsere Produkte im ertragreichen Kerngeschäft wichtig, gleichzeitig finanzieren wir mit unserem heutigen Kerngeschäft die Investitionen in die CASE-Felder.

Als Chef der Sub-Marke EQ sind sie verantwortlich für die Elektromobilität im gesamten Konzern. Wie sieht der EQ-Fahrplan aus?

Wir haben den Schalter bereits umgelegt: die  Zukunft ist elektrisch. Neben Pkw elektrifizieren wir auch Vans, Trucks und Busse. Mit unseren faszinierenden Studien wie dem Concept EQ und dem kompakten Concept EQ A, über den elektrisch angetriebenen «Vision Van» bis hin zum Mercedes-Benz Elektro-LKW für den schweren Verteilerverkehr zeigen wir in eindrucksvoller Weise, dass wir zukünftig Elektromobilität in einer Vielfalt bieten werden, die kein anderer Premiumhersteller erreicht. Schon heute können Kunden in der Schweiz die neuen Modelle smart EQ fortwo und forfour kaufen und Elektromobilität speziell in der Stadt jeden Tag erleben.

Der smart EQ fortwo und forfour.

Und wie geht es weiter?

Bis 2022 werden wir das gesamte Mercedes-Portfolio elektrifizieren. Das bedeutet, dass wir unseren Kunden in jeder Mercedes-Baureihe mindestens eine elektrifizierte Alternative anbieten werden – vom Kompaktwagen bis zum grossen SUV. Wir planen hier mit mehr als 50 elektrifizierten Fahrzeugvarianten im Markt. Davon werden alleine mehr als 10 Modelle reine Elektro-Pkw sein – In allen Segmenten, vom smart bis zum grossen SUV.  Die Weltpremiere des ersten Modells auf Basis eines sportlichen SUV mit dem Namen EQ C findet noch in diesem Jahr statt. Die Markteinführung folgt dann im Jahr 2019. Bis 2025 soll der Anteil an rein-elektrischen Fahrzeugen am Gesamtabsatz von Mercedes-Benz zwischen 15 und 25 Prozent ausmachen.

Ein Hauptproblem der E-Mobilität sind Preis, Reichweite und Ladeinfrastruktur. Was braucht es, bis die Kunden ein E-Auto als «vollwertiges» Auto akzeptieren?

Für Daimler bedeutet E-Mobilität mehr als «nur» das Auto. EQ bietet ein umfassendes, elektromobiles Ökosystem aus innovativen Produkten, Services und Technologien. Das Spektrum reicht von Elektrofahrzeugen über Wallboxen, Ladeservices, bis hin zum möglichst effizienten Einsatz knapper Ressourcen und deren Recyclingkonzept. Mit unserer Elektromarke EQ sind wir immer offen für neue Partnerschaften und Kooperationen auf höchstem Niveau.

Und wer soll die nötige Ladeinfrastruktur bereitstellen?

Insbesondere die Verfügbarkeit einer umfassenden Infrastruktur und intelligente Ladelösungen bilden den Grundpfeiler für den Erfolg der E-Mobilität. Ein wichtiger Schritt ist hierbei die Gründung des Joint Ventures «IONITY» zum Aufbau von öffentlicher Schnellladeinfrastruktur in Europa. Unser Ziel ist, zusammen mit den drei Joint-Venture-Partnern (BMW, Ford, Volkswagen mit Audi und Porsche, Anm. d. Red.) für unsere Kunden die Umsetzung eines ultraschnellen Hochleistungsladenetzes mit etwa 400 Ladestationen bis 2020 an wichtigen Verkehrsachsen in Europa voran zu treiben. Eine Ladeleistung von bis zu 350 kW bedeutet eine signifikante Reduzierung der Ladezeit im Vergleich zu vorhandenen Systemen. So ermöglichen wir unseren Kunden auch das Reisen auf langen Strecken mit ihrem Elektrofahrzeug. Das Netzwerk basiert auf dem europäischen Standard Combined Charging System (CCS) und ist damit kompatibel mit den meisten Elektrofahrzeugen der heutigen und zukünftigen Generation.

Spielt die E-Mobilität dem autonomen Fahren in die Hände? Wo sehen Sie hier Potenzial?

Wir nähern uns dem Ziel selbstfahrender Autos aus zwei Richtungen. Der erste - der evolutionäre Ansatz - ist es, unsere bestehenden Fahrassistenz-Systeme kontinuierlich weiter zu verbessern, so dass sie den Fahrer in immer mehr Situationen entlasten – bis hin zum hochautomatisierten Fahren. Gleichzeitig sollen diese Autos nach wie vor alle Bedürfnisse des alltäglichen Fahrens erfüllen, die man von einem Mercedes-Benz erwartet. Der zweite Ansatz - der revolutionäre Ansatz - ist es, Autos zu entwickeln, die vollautomatisiert fahren. Zuerst wird man diese Fahrzeuge in definierten Stadtgebieten sehen. Stellen Sie sich ein Auto vor, das sich selbst parkt, wenn Sie es am Eingang eines Parkhauses verlassen, und Sie dort wieder trifft, wenn Sie es brauchen. Oder noch besser: das Auto holt Sie an Ihrem Standort ab und bringt sie fahrerlos ans Ziel.
 

Mercedes-Benz ist am 9./10. Juni 2018 offizieller Partner des Julius Bär Zürich E-Prix 2018. Und bietet an der Rennstrecke im Allianz E-Village (Gratis-Zutritt für alle) neben der Möglichkeit, das Showcar EQ A aus allernächster Nähe zu betrachten, auch die Chance, mit den rein elektrischen smart EQ fortwo und forfour auf Probefahrt zu gehen – und somit Elektromobilität hautnah zu erleben. Auf www.smart.ch/testdrives können Sie sich bereits im Vorfeld für eine Probefahrt anmelden.

Am Julius Bär E-Prix Zürich hat das Showcar Concept EQ A einen exklusiven Auftritt. Was ist das Ziel?

Die Formula E in Zürich ist eine perfekte Plattform, um nachhaltige EQ Modelle wie das Showcar EQ A der breiten Öffentlichkeit näher zu bringen.  Es handelt sich hierbei um ein innovatives und technologisch fortschrittliches Umfeld mit einer jungen, digitalen und umweltbewussten Zielgruppe.

Der Mercedes Show-Car EQ A

Mit dem Concept EQ A zeigt Mercedes-Benz wie sich die EQ-Strategie in die Kompaktklasse übertragen lässt. Das Konzeptfahrzeug besitzt je einen Elektromotor an der Vorder- und Hinterachse mit einer Systemleistung von über 200 kW. Über eine front- oder hecklastige Momentenverteilung des permanenten Allradantriebs lässt sich die Fahrcharakteristik verändern.

Geben Veranstaltungen wie der Julius Bär Zürich E-Prix beziehungsweise die ganze Serie der E-Mobilität einen Schub? Findet ein Techniktransfer vom Rennwagen zum Serienauto statt?

Mit dem Concept EQ A zeigt Mercedes-Benz wie sich die EQ-Strategie in die Kompaktklasse übertragen lässt. Das Konzeptfahrzeug besitzt je einen Elektromotor an der Vorder- und Hinterachse mit einer Systemleistung von über 200 kW. Über eine front- oder hecklastige Momentenverteilung des permanenten Allradantriebs lässt sich die Fahrcharakteristik verändern.