So mancher europäischer Airlinechef dürfte dieser Tag sehnsüchtig nach Nordamerika blicken. Mit American Airlines, Delta Air Lines, Southwest Airlines und United Airlines kontrollieren dort nur vier Anbieter das Geschäft mit Passagierflügen innerhalb des Kontinents. Dem Quartett ist es gelungen, Angebot und Nachfrage so zu balancieren, dass die Luftverkehrsbranche nach Jahren der Verluste heute eine gesunde Profitabilität und einen hohen Innovationsgrad aufweist. Diesseits des Atlantiks können Airlines davon nur träumen. Auf dem fragmentierten europäischen Markt herrscht nach wie vor eine hohe Wettbewerbsdynamik. Auch wenn es kurzfristig zu einer punktuellen Konsolidierung des Angebots kommen kann, ist mittelfristig mit einem anhaltend hohen Preisdruck zu rechnen.

Was die Fluggäste freut, stellt die Fluglinien vor neue Herausforderungen: Nach einer aktuellen Analyse von Oliver Wyman bleibt eine Konsolidierung nach amerikanischem Vorbild aus. Zwar verschieben sich mit der Pleite von Air Berlin Marktanteile zugunsten der Lufthansa-Tochter Eurowings sowie Easyjet. Dieser Schritt ist aber bestenfalls eine Teilkonsolidierung ohne größere Auswirkung auf den Wettbewerb.

Kapazität wächst stärker als das Passagieraufkommen

Über 40 Fluglinien werben aktuell in Europa um Passagiere im innereuropäischen Geschäft. Vor allem die Billigflieger setzen auf Expansion durch Flottenausbau, was die Konkurrenzsituation verschärft. Laut Oliver Wyman-Analyse wird die Gesamtkapazität der Airlines in Europa um etwa 25 Prozent bis 2022 steigen. Das Luftfahrtgeschäft in Europa ist von Marktirrationalitäten geprägt, denn dem Aufbau der Kapazitäten von 4,9 Prozent pro Jahr steht laut ICAO nur ein Nachfragewachstum von 2,5 Prozent jährlich gegenüber. Diese Differenz wird den Preisdruck erhöhen.

Billigflieger streben in die Zentren

Insgesamt streben die Billigfluganbieter vor allem zu den größeren Flughäfen, wo der Zugang zu Start- und Landerechten strategisch wichtig ist. Reine Billiganbieter wie Ryanair und Easyjet, die ihren Umsatz zwischen 2013 und 2016 um durchschnittlich zehn beziehungsweise drei Prozent pro Jahr steigern konnten, sind im Vorteil gegenüber Netzwerk-Carriern mit Low-Cost-Töchtern wie Lufthansa, Air France-KLM oder IAG. Die reinen Low-Cost-Carrier haben Vorteile bei der Kostenstruktur und zeigen eine höhere Geschwindigkeit bei Produktinnovationen. Allerdings kämpfen sie auch zunehmend mit Knappheit beim Flug- und technischem Personal. Das wiederum könnte die geplanten Flottenexpansionen und -modernisierungen erschweren.

Weitere Übernahmen und Zusammenschlüsse sind in den nächsten Jahren wahrscheinlich. Diese Konsolidierung wird sich allerdings auch in Zukunft deutlich langsamer vollziehen als in Nordamerika. Dort beträgt der Zuwachs bis 2022 gerade einmal 3,5 Prozent – deutlich gemäßigter als in Europa.

Weitere Infos: www.oliverwyman.ch