Im Mittelpunkt der Recherchen steht ein mutmasslicher Bilanzierungsskandal beim Shooting Star der deutschen Fintech-Branche. Nun holt Wirecard zum Gegenschlag aus und beauftragt die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG mit der unabhängigen Prüfung der Ordnungsmässigkeit ihrer Bilanzen.

Gleichzeitig erhebt das Unternehmen mit Sitz im bayerischen Aschheim die Anschuldigungen der Kursmanipulation gegenüber der «Financial Times». Wer trägt am Ende den Schaden?

Partner-Inhalte
 
 
 
 
 
 

Der Name Dan McCrum dürfte der Geschäftsleitung von Wirecard bereits seit längerem schlaflose Nächte bereiten. McCrum ist der «Financial Times»-Journalist, der hinter der Berichterstattung über Wirecard steckt und bereits seit Jahren kritisch über den bayrischen Zahlungsdienstleister berichtet.

Bislang ging es dabei um fragwürdige Geschäftspraktiken insbesondere in Asien, die McCrum bereits in einem Artikel im Jahr 2015 adressierte. Seither liess der Rechercheur nicht locker und sorgte mit seinem Artikel im Oktober 2018 erstmals für Verwerfungen am Aktienmarkt — seither sind die Anteilsscheine an Wirecard um mehr als 40 Prozent eingebrochen.

Seit dem Bericht vom Oktober 2018 folgten weitere Artikel des britischen Journalisten. Sie sind gestützt auf Informationen von Whistleblowern aus Kreisen des Wirecard-Konzerns, die der Geschäftsleitung massive Manipulationen der Bilanzzahlen unterstellt, um die Geschäftslage deutlich besser dastehen zu lassen als diese in Wirklichkeit ist.

KPMG soll Sachverhalt unabhängig prüfen

Nachdem sich Wirecard im Laufe dieses Jahres vehement gegen die erhobenen Vorwürfe gewehrt hat, gipfelte der letzte Artikel der «Financial Times» darin, dass McCrum nicht nur konkrete Zahlen lieferte, sondern auch Auszüge von Chatverläufen führender Angestellter des Unternehmens veröffentlichte, welche die Vorwürfe bekräftigen.

In diesem Artikel wurde zudem der Vorwurf laut, dass der aktuelle Wirtschaftsprüfer Ernst & Young bewusst hinters Licht geführt wurde, um die Machenschaften zu vertuschen. Um diesen Vorwürfen nun einen Riegel vorzuschieben, hat der Vorstand von Wirecard diese Woche verkündet, dass die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG den Sachverhalt unabhängig prüfen wird und die Ergebnisse veröffentlicht werden.

Der richtige Schritt – jedoch mit einem leichten Beigeschmack: Bevor Markus Braun den Posten als CEO bei Wirecard annahm, arbeitete dieser selbst bei KPMG Consulting als Projekt Manager.

Der Autor

Christos Maloussis ist Market Analyst und Premium Client Manager bei der IG Bank.

Christos Maloussis
Quelle: ZVG

Gegenvorwurf der Kursmanipulation

Als weitere Reaktion auf den jüngsten Artikel und nach Durchsicht der gelieferten Zahlen wurde McCrum seitens Wirecard vorgeworfen, dass seine Anschuldigungen auf falschen Zahlen basieren. Darüber hinaus steht nach wie vor der Vorwurf der Kursmanipulation im Raum, welche Wirecard gegenüber der «Financial Times» bereits Anfang des Jahres erhoben hat.

Diesbezüglich ermittelt aktuell sowohl die Staatsanwaltschaft München als auch die deutsche Finanzmarktaufsicht Bafin. Dabei geht es um mögliche geheime Absprachen zwischen der «Financial Times» und Marktspekulanten, die mit Short-Positionen von fallenden Kursen profitiert haben.

Und auch dieses Mal liegt der Verdacht nahe, dass es zu solchen Absprachen gekommen sein könnte. Schaut man sich At-the-Money-Put-Optionen mit kurzer Restlaufzeit an, so scheint es verdächtig, dass wenige Tage vor der Veröffentlichung des besagten Zeitungsartikels sowohl das gehandelte Volumen als auch das Open Interest eben dieser Put-Optionen deutlich angestiegen ist.

Wer trägt den Schaden?

Die Lage ist schwer zu durchschauen und dürfte uns noch länger beschäftigen. Fest steht: Sollten die Vorwürfe der «Financial Times» zutreffen und die unabhängige Prüfung von KPMG ergeben, dass Unregelmässigkeiten in der Buchführung von Wirecard auftauchen, könnte es zu einer Zerschlagung des Zahlungsdienstleisters kommen und der Skandal eine neue Dimension erreichen.

Sollte auf der anderen Seite die Staatsanwaltschaft München und die Bafin zu dem Ergebnis kommen, dass es zwischen der «Financial Times» und Marktakteuren zu illegalen Absprachen kam, um von den Marktschwankungen zu profitieren, dürfte diese Story für die «Financial Times» zum Desaster werden. So oder so, bei diesem Krimi wird es wohl kein Happy End geben.