Am 21. Juni startete The Ocean Cleanup den zweiten Versuch, die Weltmeere von Plastik zu säubern. Ein Schiff schleppt den 600 Meter langen Schwimmkörper aus der Bucht von San Francisco aufs offene Meer. Am schwimmenden Rohr ist eine Schürze angebracht, welche den Plastikmüll bis in drei Meter Tiefe auffangen soll.

Das System dient als «schwimmende Küste» und soll dem sogenannten Great Pacific Garbage Patch (GPGP, deutsch: Grosser Pazifischer Müllteppich) den Garaus machen. In nur fünf Jahren könne das System die Hälfte des im Nordpazifikwirbel schwimmenden Plastikmülls beseitigen, versprechen die Initiatoren um den niederländischen Erfinder Boyan Slat. Gemeinsam mit Massnahmen zur Reduktion des Plastikabfalls an Land könne die Idee zu einem plastikmüllfreien Ozean bis 2050 beitragen.

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Nur 2200 Kilogramm Plastik eingesammelt

Doch bisher kämpft The Ocean Cleanup vor allem mit technischen Problemen und heftiger Kritik von Umweltschützern und unabhängigen Experten. Beim ersten Test im Nordpazifik konnten von Mitte Oktober bis Anfang Januar nur 2200 Kilogramm Plastik eingesammelt werden. Zum Vergleich: Laut einer Studie im Wissenschaftsmagazin «Science» gelangen jährlich 4,8 bis 12,7 Millionen Tonnen Plastikabfälle in die Weltmeere. Andere Schätzungen liegen noch weit höher.

Moewe

Junge Möwe mit Plastik-«Beute»: Die Verschmutzung der Meere betrifft das gesamte Ökosystem.

Quelle: Universal Images Group via Getty

Im Januar löste sich ein Stück von der Rohranlage und das gesamte System musste zur Reparatur an Land zurück geschleppt werden. Zudem musste The Ocean Cleanup einräumen, dass die schwimmende Küste teilweise langsamer war als der Abfall und diesen deshalb nicht einsammeln konnte. Das System müsse durchwegs schneller als der Plastik unterwegs sein, so das Team.

«Wir sind auf einen Traum hineingefallen»

Umweltschützer und Experten bestreiten dagegen den Nutzen und die Machbarkeit von The Ocean Cleanup grundsätzlich. «Wir alle sind auf einen Traum hineingefallen», sagte die italienische Umweltschützerin und TV-Journalistin dem Designmagazin «Dezeen». «Die Wissenschaftsgemeinde ist skeptisch.» So sei die Entsorgung mit dem Einsammeln des Abfalls noch lange nicht gelöst. Zudem sei der Müllteppich im Nordpazifik, wo The Ocean Cleanup bis zu 60 Müllsammler treiben lassen will, «eher eine Suppe als eine schwimmende Insel».

Auch der Architekt und Recyclingunternehmer Arthur Huang hält The Ocean Cleanup für keine gute Idee. Die Medienaufmerksamkeit für das Projekt lenke von realistischeren Massnahmen zur Reinigung der Meere ab und sei «sehr schlecht für viele echte Lösungen weltweit». Die über 30 Millionen Dollar, die The Ocean Cleanup von Spendern eingesammelt hat, könnten viel besser eingesetzt werden, so Huang.

Die Medien hätten das Projekt hochgejubelt, obwohl beispielsweise Netze in den verschmutzten Flüssen Chinas viel mehr bringen würden, ist Huang überzeugt. Denn in erster Linie gelte es zu verhindern, dass der Müll überhaupt erst in die Ozeane gelangt.

Plastik schwimmt tiefer unten

Die Ozeanographin Kim Martini sieht es ähnlich. Selbst wenn das System funktionieren würde, könnte es nur einen kleinen Teil der schwimmenden Plastikstücke erreichen, sagte sie dem Techmagazin «Wired». Schliesslich reicht die Schürze nur bis in drei Meter Tiefe. Viele, vor allem sehr kleine Teile, schwimmen aber tiefer unten. Doch eine tiefer reichende Auffangvorrichtung würde auch die Meereslebewesen stärker beeinträchtigen.

The Ocean Cleanup gibt gewisse Mängel zu. Durch die Tests könnten weitere technische Anpassungen nötig werden, sagt das Non-Profit-Unternehmen. Die ziemlich oberflächliche Reinigung verteidigen die Projektmacher dagegen. Es gelte die grösseren Teile, die weiter oben schwimmen, früh herauszufischen, bevor sie zu Mikroplastik zerfallen und in die Nahrungskette gelangen.

Abfallentsorgung und Gesetzgebung

Was bleibt also zu tun? Man müsse bei der Abfallentsorgung und bei der Gesetzgebung ansetzen, so Martini. Zwar seien «Gesetze zugegebenermassen weniger sexy als eine riesige schwimmende Barriere», weiss die Ozeanographin. «Doch es ist eine effektive Lösung.»

Allerdings können auch neue Umweltgesetze unerwünschte Nebeneffekte mit sich bringen. So hat das Verbot der Raschelsäckli in Kalifornien zu einem Boom der dickwandigen und grösseren Plastiksäcke geführt, die für die Umwelt noch bedenklicher sind.

Der Flop des Rascheltüten-Verbots

Ein Verbot von Plastikprodukten kann sich auch als Bumerang erweisen: Dies zeigt die Auswertung erster Erfahrungen. Den Kommentar von «Handelszeitung»-Chefökonom Ralph Pöhner finden Sie hier.

Am Ende bleibe uns nur der Verzicht auf Plastik und die Suche nach alternativen Materialien, glaubt Martini. Denn wenn man Plastik einfach aus dem Ozean fischen könnte, würde man dies schon lange tun.