Würfel werden im Normalfall bei Glücksspielen geworfen, und wenn sie fallen, ist das Spiel aus. Anders beim Art Directors Club (ADC) Schweiz: Hier geht es nicht um Glück, und das Spiel beginnt erst, wenn die Würfel liegen. Dann, nach Bekanntgabe der Gewinner, kommt es zum emotionalen Nachbeben und zu Ausbrüchen des Neids. Eine ADC-Würfel-Vergabe ohne Dramen wäre wie Shakespeare ohne Blutvergiessen. Kein Wunder, denn hierbei handelt es sich um die prestigeträchtigste Auszeichnung für Werber.

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Die Jurierung hat Ende Januar im World Trade Center in Oerlikon stattgefunden. Das Fachgericht für die Goldprämierung besteht aus 18 ADC-Mitgliedern, darunter Reinhold Weber, Markus Gut, Valentina Hermann, Danielle Lanz, Jean-Remy von Matt und Michael Conrad, der bereits als Jurypräsident in Cannes wirkte. Wer an der Kampagne beteiligt ist, die gerade juriert wird, begibt sich eine Zigarette lang in den Ausstand.

Bei der Kategorie «Gesamtkampagne» angelangt, sagt Chairman und ADC-Vorsitzender Andreas Prokesch: «Diskussion eröffnet!» Stille im Saal. Von hinten rumort einer: «Diskussion beendet!»

Die Gesamtkampagne müsse mehr sein als die Summe ihrer Einzelteile, meint einer. «Das sehe ich hier nicht.»

«Die Kampagne gleicht einem mit Gemüse garnierten Steak.»

«Ja, aber mit Dosengemüse.»

«Sind wir hier an einer Landtagsversammlung?» Prokesch klemmt den basisdemokatischen Diskurs ab, fragt: «Ist die Kampagne Silber, oder bleibt sie Bronze?» Wer seinen Würfel wirft, ist für Silber. Die Kampagne bleibt Bronze. Gold wurde insgesamt nur fünfmal vergeben, Silber acht- und Bronze vierzigmal.

Andreas Prokesch steht der Jury zum achten Mal vor. Es erfordert Fingerspitzengefühl – schliesslich sitzen erbitterte Konkurrenten am Tisch. Heute ist man auf Harmonie aus. «Es gab nur Kratzwunden und Prellungen», meint Wirz-Werber Hanspeter Schweizer, «früher waren es auch schon Fleischwunden.»

Die Auswahl der Vor-Jury ist ein komplexes Prozedere: Jedes der rund 130 aktiven ADC-Mitglieder kann sich für eine Disziplin in einer Kategorie anmelden. Die Freiwilligen werden einzelnen Disziplinen zugeteilt; es werden sechs Jurorengruppen gebildet samt Präsident und zwei Delegierten. Die Struktur einer föderalistischen Demokratie ist ein Witz dagegen.

«Ausrutscher nach unten», urteilt Reinhold Weber über die Ausbeute 2004, «früher gingen sie nach oben.» Kunden wollten PR und Directmailings statt Anzeigenkampagnen. «Ich bevorzuge Letzteres, statt 50 000 Briefe mit falscher Adresse zu verschicken», sagt Weber.

Durch die Vielzahl internationaler Adaptionskampagnen sehen sich viele Kampagnen zum Verwechseln ähnlich. Mit goldenen Würfeln werden nur Kampagnen ausgezeichnet, die sich vom Einheitsbrei abheben. Wie zum Beispiel die Swisscom-Sitcom «Beck & Bondi» (Contexta), die NZZ-Folio-Radiospots «Bekloppte Songtexte» (Ruf Lanz), die SBB-Kampagne «Lebensstationen» (Jung von Matt / Limmat) und die Médecins-Sans-Frontières-Kampagne «Schnelle medizinische Hilfe» (Publicis).

«Wir müssen eine neue Messlatte der Creative Leadership schaffen», meint ADC-Ehrenmitglied Michael Conrad, denn der deutschsprachige Raum hinke der Werbung in den USA, England oder Skandinavien hinterher. Nachdem die Unternehmer ihre Firmen nun fit getrimmt haben, könnten sie wieder Mut zur Kommunikation zeigen. Darin sind sich im Saal alle einig.