Am Eingang der Werkshalle steht ein einsames Fahrgestell. Daneben hängt ein handgezeichneter Konstruktionsplan aus den Sechzigerjahren. «An unseren Gestellen hat sich seit 40 Jahren nichts geändert: Sie allein tragen die gesamte Mechanik», erklärt Enrico Mantovani, der bei dem Sportwagenhersteller De Tomaso die Kunden betreut. An dem Autoskelett, aus dem in ein paar Wochen der Superflitzer Guarà werden soll, arbeitet derzeit ein einziger Techniker. «Hier ist noch alles Handarbeit. Der Kunde weiss, wer seinen Wagen gebaut hat», sagt Mantovani. Der Kunde ist ein Schweizer. Er wird selbst nach Modena kommen, um seinen Luxusrenner abzuholen.

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Die Gegend zwischen Modena und Bologna ist das Mekka all jener, die der Leidenschaft für Extreme verfallen sind. In keinem anderen Landstrich der Welt werden so viele schnelle und schöne Autos gebaut. Namen wie De Tomaso, Lamborghini, Ferrari und Maserati standen einst für den einzigartigen Erfindungsgeist einer Tüftlergeneration. Heute sind sie der Inbegriff für Sportwagen der Luxusklasse. Nur das Unternehmen De Tomaso ist heute noch im Besitz der Familie des argentinischen Granden und Ex-Piloten Alejandro, der 1959 in Modena eine eigene Werkstatt eröffnet hatte. Die Erben der anderen Firmengründer haben an grosse Konzerne verkauft. Es kostet ein kleines Unternehmen zu viel Geld, in dieser Preisklasse mit immer neuen Modellen auf den Markt zu kommen. Lamborghini gehört heute zu Audi, Ferrari und Maserati zum Turiner Fiat-Konzern. Die Fabriken sind aber alle im Tal der Motoren geblieben, wo einst in Kuhställen die ersten Rennwagen zusammengeschweisst wurden.

Berühmt für Motoren und Küche

Die Leute aus Modena und Umgebung sind stolz auf diese Tradition. Die Alten kennen noch alle das Haus am Largo Garibaldi, wo Enzo Ferrari 1929 angefangen hat, rote Rennwagen zu bauen. Die Dom-Stadt Modena ist bekannt für ihre gute und üppige Küche, Tortellini und Aceto Balsamico haben inzwischen Weltruhm erlangt. Doch die «modenesi» wollen nicht immer nur auf ihre Küche angesprochen werden. Sie reden lieber über Motoren, Rennen und wer von ihnen eines der begehrten Automobile ergattern konnte. Ein paar wenige haben es bis zur Sammlung geschafft. Viele ihrer Oldtimer, die auf Anfrage besichtigt werden können, haben Rennsportgeschichte geschrieben. Neben den kleinen Privatmuseen stellen aber auch die Unternehmen selbst ihre alten und neuen Superschlitten für Besucher zur Schau.

Auch Alejandro De Tomaso hat neben der Werkshalle vor den Toren Modenas ein kleines Museum eingerichtet. Hier erzählt Enrico Mantovani Kunden und Sportwagenfans Geschichten aus den glanzvollen Siebzigerjahren, als den De Tomasos auch die Marken Benelli, Moto Guzzi, Maserati und Innocenti gehörten. Die Sammlung beschränkt sich aber im Wesentlichen auf die Modelle, die der Firmengründer selbst konstruiert hat. Zwischen eleganten Rennern, die exotische Namen wie Vallelunga, Mangusta und Pantera tragen, steht bescheiden ein kleines Elektroauto. Diesen City Car hat der Visionär De Tomaso schon 1967 gebaut, er ist damals aber nur viermal verkauft worden. Deutlich erfolgreicher waren die zwei Viersitzer mit Frontantrieb, die der Argentinier für weibliche Sportwagenfans, speziell aber für seine Frau Isabelle, erdacht hat. Wie ihr Mann, der dieses Frühjahr gestorben ist, war auch sie begeisterte Rennsportfahrerin. Heute führt sie das Unternehmen gemeinsam mit Santiago, 50, einem der drei Söhne aus Alejandros erster Ehe.

Santiago hat die Tüftlerleidenschaft seines Vaters geerbt. «Früher sassen wir bis spät in die Nacht über Konstruktionsplänen», schwärmt er. Seit 30 Jahren kennt er die Welt der Motoren. Als junger Mann lernte er Enzo Ferrari und den Star-Piloten Niki Lauda kennen. Doch die Zeiten sind vorbei. Die alten Modenenser Trattorie – wo sich früher Piloten, Ingenieure und Techniker trafen, um sich zu später Stunde gegenseitig Betriebsgeheimnisse zu entlocken – gibt es nicht mehr. Die De Tomasos sind heute die einzigen, die alle ihre Strassenflitzer noch in liebevoller Handarbeit zusammenbauen. Mit den wenigen Wagen, die sie produzieren, können sie das Unternehmen aber nicht am Leben halten. Deshalb hat die Familie jetzt neue Pläne. Sie will, zusammen mit einer russischen Firma, künftig auch Geländewagen bauen. «Wir bleiben auf jeden Fall im Autogeschäft», versichert Santiago De Tomaso.

Für einen anderen Sohn sind die Dinge anders gelaufen. Tonino Lamborghini fährt zwar Jaguar, hat aber sonst mit schnellen Autos nichts mehr zu schaffen. Sein Vater, Ferruccio Lamborghini, hat die Sportwagenproduktion bereits in den Siebzigerjahren verkauft. Dem Sohn ist nur das Markenzeichen mit dem schnaubenden Bullen geblieben. Davon lebt er jetzt. Unter dem Dach des dreieckigen, leicht geänderten Labels vertreibt Lamborghini junior eine bunte Mischung von Lizenzprodukten: Bekleidung, Uhren, Parfums, Fahrräder, Lederwaren, Brillen und Möbel. Seit einiger Zeit hat er auch Lebensmittelspezialitäten in seinem Sortiment und eröffnet Cafés in aller Welt.

Sportwagen und Traktoren

Tonino Lamborghini pflegt aber auch das Andenken an seinen erfinderischen Vater, dem er unlängst ein Buch gewidmet hat. In dem Örtchen Dosso, das zwischen Modena und Bologna liegt und nur mit dem Auto zu erreichen ist, hat er das «Centro Polifunzionale Ferruccio Lamborghini» eingerichtet. In dem hochmodernen Bau stehen berühmte Modelle wie die roten Raser Miura und Countach, aber auch Traktoren und Hubschrauber, die der Firmengründer selbst konstruiert hat. «Mein Vater war ein Multitalent. Was er sich in den Kopf setzte, funktionierte», erzählt der Sohn. An den Wänden hängen viele Fotos, auch aus der Zeit, als sich Ferruccio Lamborghini noch selbst ans Steuer seiner Rennwagen setzte. Das Museum ist nicht ständig geöffnet, Besichtigungstermine müssen vorab telefonisch vereinbart werden.

Maranello ist Ferrari-City

Fährt man durch die grünen Felder zurück Richtung Modena, liegt das Dorf St. Agata Bolognese auf dem Weg. Dort produziert der Audi-Konzern auch heute noch alle Lamborghini-Modelle. Vor dem Eingang steht das neue Superauto. Es heisst Gallardo und war einer der Höhepunkte der diesjährigen Frankfurter Automobilmesse. Die Höchstgeschwindigkeit dieses eleganten Strassenflitzers liegt bei 300 km/h. Das Design kombiniert puristische Formen mit hochtechnologischen Details und bleibt damit dem unverkennbaren Lamborghini-Stil treu.

«Das futuristische und aggressive Design war seit jeher das Besondere an unseren Wagen», erklärt Enzo Moruzzi. Er ist seit 1966 bei Lamborghini. Als er anfing, hatte Ferruccio Lamborghini gerade das Erfolgsmodell Miura auf den Markt gebracht. Heute leitet Moruzzi das firmeneigene Museum. In dem gläsernen Tempel, der über ein Fenster auch den Blick auf die Produktion freigibt, sind alle Modelle zu sehen, die seit den Sechzigerjahren gebaut wurden – auch die einst berühmten Rennwagen. Eine Gruppe Japaner drängt sich um einen Diablo. «Die Ausländer lieben Lamborghini. Die Italiener interessieren sich mehr für Ferrari, vor allem wegen der Formel-1-Rennen», weiss Moruzzi.

In der Tat dreht sich in dem Dorf Maranello, wo das Ferrari-Headquarter liegt, alles um die Gladiatoren des 21. Jahrhunderts. Die zahlreichen Merchandising-Geschäfte verkaufen Schumi-Puppen. In allen Winkeln des Ortes dröhnt Motorengeheul, auf der hauseigenen Ferrari-Piste wird immer getestet. Der Eingang zur Piste bleibt normalen Besuchern allerdings verschlossen. Das gilt auch für die Fabrik, wo die roten Renner mit dem Pferdelogo hergestellt werden. Nur besondere Kunden dürfen sie betreten. Wer sich einen neuen Ferrari der Superklasse abholt, wird in einem luxuriösen Showroom zur Enthüllung des neuen Wagens mit Champagner empfangen. Dort sind derzeit die neuen Modelle 360 Spider und Enzo Ferrari ausgestellt. Der «Enzo», wie man ihn im Hause nennt, ist derzeit das edelste Stück der Produktion. Der Strassenflitzer mit dem 12-Zylinder-Motor wurde von Pininfarina designt, die Frontpartie ist von den Formel-1-Wagen inspiriert. Die Produktion ist auf 399 Stücke limitiert.

Wer den «Enzo» bewundern will, kann dies auch ausserhalb des Fabrikgeländes tun. Er steht rot glänzend in den für Besucher offenen Ausstellungsräumen der «Galleria Ferrari», wo der Mythos Ferrari zelebriert wird. Neben den Modellen vergangener Zeiten wurden bärenstarke Motoren und das erste Büro von Enzo Ferrari aufgebaut. Ein Teil der Sammlung ist der Formel 1 gewidmet. Rennsportfans dürfen in zwei als Fahrsimulatoren ausgestatteten Rennwagen auf einer virtuellen Piste rasen. Was fehlt, ist jemand, der Tipps und Informationen gibt. Die bekommt man aber im Überfluss von den Kellnern des vor den Toren der Fabrik liegenden Restaurants Cavallino, die Piloten, Kunden und Besucher mit gefüllter Pasta und lokalen Weinen bewirten.

Verleger rettete Maserati-Museum

Maranello ist die wichtigste Etappe für die Bewunderer des Rennsports und seiner Helden. Die Liebhaber schnittiger Strassenschlitten sollten jedoch nochmal nach Modena zurückkehren. Dort werden noch heute die Wagen hergestellt, die den Namen der famosen Maserati-Brüder tragen. Die waren allerdings nie besonders geschäftstüchtig und mussten ihre Werkstatt schon in den Vierzigerjahren verkaufen. Ihr Name weckt aber heute noch Leidenschaft unter den Automobilisten. Der neue Quattroporte, der nächstes Jahr auf den Markt kommt, ist die Luxusvariante eines potenten Strassenkreuzers und der Star der aktuellen Maserati-Flotte.

Von den Oldtimern hat sich das Unternehmen allerdings getrennt. Die hauseigene Sammlung sollte Stück für Stück verkauft werden. Das ärgerte die traditionsbewussten Modeneser. Schliesslich ist der in der Stadt ansässige Kinderbuchverleger Umberto Panini eingesprungen und hat das kleine Maserati-Museum gerettet. Dafür sind ihm seine Mitbürger – und die Maserati-Fans – immer noch dankbar.

Michaela Namuth lebt und arbeitet als Journalistin in Rom.

Reiseführer: Adressen im Autotal
Autohersteller



De Tomaso: Viale Virgilio 9, Modena, Tel. 059-848102 (auch Museum: nach Voranmeldung).


Lamborghini: Via Modena 12, Sant´Agata Bolognese, Tel. 051-6817654 (auch Museum: Mo–Fr. 9.00–12.30, 14.00–17.00).


Ferrari: Via Abetone Inferiore 4, Maranello, Tel. 0536-949111.


Maserati: Viale Ciro Menotti 322, Modena, Tel. 059-590511.




Sammlungen



Galleria Ferrari: Via Dino Ferrari 43, Maranello, Tel. 0536-943204. Täglich 9.30–18.00.


Centro Polifunzionale Ferruccio Lamborghini: Via Statale 341, Dosso, Tel. 051-6647566. Besichtigung nur nach Voranmeldung.


Museo dell’Auto Storica Stanguellini: Via Emilia Est 756, Modena, Tel. 059-361105. Mo–Fr 8.30–12.30, Sa 9.00–12.00.


Collezione Auto Storiche Panini: Via Corletto Sud 320, Modena, Tel. 059-510660. Besichtigung nur nach Voranmeldung.


Museo Ducati: Via Cavalieri Ducati 3, Bologna, Tel. 051-6413111. Besichtigung nur nach Voranmeldung.




Hotel-Tipps



Canalgrande: Corso Canalgrande 6, Modena, Tel. 059-217160.
Das Hotel der Familie De Tomaso liegt im Zentrum der Stadt. Die Zimmer sind nicht luxuriös, aber komfortabel und haben einen einzigartigen Blick auf die idyllische Terrasse und den von antikem Gemäuer umrahmten Innenhof.


Albergo delle Notarie: Via Palazzo 5, Reggio Emilia, Tel. 0522-453500.
Das geschmackvolle, in einem mittelalterlichen Palazzo eingerichtete Hotel liegt nur 30 km von Modena entfernt im Zentrum von Reggio Emilia.




Restaurants und Spezialitäten



Fini: Piazzetta San Francesco, Modena, Tel. 059-223314.
Traditionsreiches Restaurant mit lokalen Spezialitäten wie mit Kürbis gefüllten Tortellini, hauseigenem Schinken und Aceto Balsamico, die im angrenzenden Geschäft auch verkauft werden.


Giuseppe Giusti: Via Farini 75, Modena, Tel. 059-222533.
Die antike «Salumeria» existiert seit 1605. Heute servieren Laura und Nando Schweinshaxen mit Linsen und andere Spezialitäten auch in einem intimen Restaurant mit exzellenter Weinkarte.


Caffé Concerto: Piazza Grande, Modena, Tel. 059-222232.
Das Lokal in den antiken Gemäuern des Rathauses hat einen einzigartigen Blick auf den Dom. Man kann hier ausgezeichnet essen, aber auch Capuccino schlürfen, Kunstbücher kaufen und Konzerte hören.


Osteria La Francescana: Via Stella 22, Modena, Tel. 059-210118.
In dem kleinen, mit einem Michelin-Stern ausgezeichneten Restaurant bereitet Chefkoch Massimo Bottura unter anderem Seebarbenfilet mit Randenglace und Hasencarrés mit Waldbeerensauce zu.


Ristorante Cavallino: Via Abetone Inferiore 1, Maranello, Tel. 0536-941160.
Im «Rössli» vor den Toren der Ferrari-Fabrik, das auch eigene Produkte vertreibt, treffen sich Rennsportfans und Piloten.