Die Gunst des Anlegerpublikums ist wankelmütig. Das musste Europas Vorzeigekonzern für grenzüberschreitende Zusammenarbeit, die European Aeronautic Defence and Space Company, besser bekannt unter dem Kürzel EADS, am eigenen Leib erfahren. Als der Luftfahrt-, Raumfahrt- und Rüstungskonzern am 8. März dieses Jahres Rekordzahlen für das Geschäftsjahr 2005 präsentierte – 8 Prozent mehr Umsatz, 39 Prozent mehr Gewinn –, war die Welt der Investoren noch in Ordnung. Die Aktienkurse zogen nochmals kräftig an. Wochen später das Erwachen: Die EADS-Tochter Airbus musste Lieferverzögerungen beim weltweit grössten Passagierflugzeug, beim A-380, eingestehen. Wenig später traten beim Flugzeugbauer ein unglaubliches Führungschaos und weitere Probleme zu Tage. Die Reaktion der Börse kam postwendend: Die EADS-Aktien schmierten innerhalb kurzer Zeit um mehr als ein Drittel ab.

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Als Investor nimmt mich herzlich wenig wunder, ob nun die deutsche oder die französische Seite für das Debakel verantwortlich ist. Weitaus interessanter ist dafür, ob sich bei EADS neue Anlagechancen eröffnen. Und die sehe ich durchaus, denn für mein Gusto wurden die Titel zu heftig in den Keller geprügelt. Joe Campbell, bekannter Luftfahrtanalyst aus dem Hause Lehman Brothers, hat zwar die Gewinnschätzung für EADS deutlich zurückgenommen. Dennoch bescheinigt er den Valoren für dieses Jahr ein attraktives Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) von 8,9. Dagegen sind die Titel des Airbus-Gegenspielers Boeing eher satt bewertet; da schätzt Campbell das KGV auf 18,6.

Die Krise beim deutsch-französischen Gemeinschaftsunternehmen Airbus eröffnet risikofreudigen Anlegern also Chancen. Joe Campbell setzt das Zwölf-Monats-Kursziel für die EADS-Aktien auf 30 Euro an; gegenüber den Notizen von Mitte Juli entspricht dies einem Kurspotenzial von gegen 40 Prozent. Für die Boeing-Titel prognostiziert der Luftfahrtanalyst ein Zwölf-Monats-Kursziel von 90 Dollar; das wären zwölf Prozent mehr. Da muss ich wohl keine weiteren Erläuterungen liefern.

Die ADB-Aktien sind mit einem für dieses Jahr geschätzten Kurs-Gewinn-Verhältnis von 23 nicht überzahlt. Dennoch eignen sich die Titel nur für risikofreudige Anleger. Die Kurschancen sind zwar gross – genauso gross sind aber auch die Risiken», habe ich vor sechs Monaten an dieser Stelle geschrieben. Und ob die Risiken gross sind: Aus heiterem Himmel veröffentlichte das Management des Genfer Herstellers von Set-Top-Boxen für den Fernsehempfang Ende Juni eine Gewinnwarnung, in deren Folge die Aktien innert kürzester Zeit zwei Drittel ihres Wertes verloren.

Nun ist es nicht das erste Mal, dass eine Technologiefirma ihren Mund zu voll genommen, also zu viel versprochen hat – siehe Esmertec. Doch bei ADB wurden nicht nur die Anleger, sondern auch die Banken von der Ankündigung völlig überrascht. Zwei Tage vor der Gewinnwarnung hat Lombard Odier Darier Hentsch noch das Rating von «hold» auf «buy» hochgeschraubt. Und Vontobel bezeichnete die Titel gegenüber der Internetplattform Newratings Mitte Mai sogar als «lachhaft unterbewertet». Was mir dabei sauer aufstösst: Beide Geldhäuser haben beim Börsengang von ADB vor gut einem Jahr als Emissionsbanken mitverdient. Etwas mehr Zurückhaltung wäre angezeigt. Nach dem Kurssturz schrieb die Bank Vontobel: «Glaubwürdigkeit des Managements vernichtet.» Damit meinten die Privatbankiers übrigens nicht das eigene Management, sondern jenes von ADB.

Sowieso standen bislang bei ADB die Anlegerinteressen nicht im Vordergrund. Bei der Emission wurde die Sperrfrist noch auf zwölf Monate angesetzt; das Management hätte also erst Ende April 2006 Aktien verkaufen dürfen. Dann wurde kurzerhand die Sperrfrist auf elf Monate zusammengestrichen, und Ende März haben die ADB-Manager prompt 882 000 Papiere für knapp 100 Millionen Franken auf den Markt geschmissen. Hat das Management schon damals gewusst, dass drei Monate später eine Gewinnwarnung kommt? «Auf keinen Fall», sagt mir empört ein ADB-Sprecher. Allerdings kann er mir trotz langatmigen Ausführungen nicht schlüssig erläutern, weshalb die Sperrfrist gekürzt wurde.

Mit einem so genannten Lock-up will ein Emissionskandidat bei den Investoren Vertrauen schaffen und demonstrieren, dass das Management an das eigene Unternehmen glaubt. Doch wenn diese Sperrfrist nach Belieben geändert werden kann, hat sie jeden Sinn verloren. Das ADB-Managememt jedenfalls hat alles Vertrauen verspielt. Lassen Sie die Aktien links liegen!

Die heftige Korrektur, die im vergangenen Mai und Juni über die Aktienmärkte hereingebrochen ist, hat insbesondere den Schweizer Bankaktien zugesetzt. Zusätzlich für Abgabedruck sorgten neben der schlechten Börsenstimmung auch Inflationsängste und die anziehenden Zinsen. Denn steigt der Preis für das Geld, schlägt sich das negativ nieder im Zinsgeschäft der Banken. Dabei vergessen viele Anleger, dass Gross- und Privatbanken lange nicht mehr derart zinssensitiv sind wie auch schon. Die Kreditanstalt beispielsweise hat 1990 noch rund 50 Prozent des Ertrags im Zinsgeschäft erwirtschaftet; heute ist es nicht einmal mehr ein Drittel. Oder die einstige Bankgesellschaft verdiente damals 42 Prozent in diesem Bereich, bei der Nachfolgefirma UBS ist es noch ein Viertel. Bei der Bank Bär waren es einst 15 Prozent, heute sind es 6 Prozent.

Viele Institute – davon nehme ich die Kantonalbanken aus, denn die sind unverändert stark im Kredit- und Hypothekargeschäft verankert – sind folglich nicht mehr derart stark der Zinsentwicklung unterworfen wie einst. Die Erträge haben sich also immer mehr vom zinssensitiven Bereich ins Kommissionsgeschäft verschoben. Andererseits reagieren die Börsen auf steigende Zinsen mit tieferen Kursen, was wiederum die Kommissionseinnahmen der Geldhäuser schmälert. Letztlich schlägt sich der Zinstrend also auch bei den Vermögensverwaltungsbanken stark im Ertragsverlauf nieder.

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