Welche meiner Überzeugungen sind falsch? Die Prognosekraft des Kurs-Gewinn-Verhältnisses (KGV) und weiterer Bewertungskennzahlen wird von den meisten Anlegern nicht infrage gestellt. Folglich wecken die derzeit hohen globalen Bewertungen Ängste, da sie angeblich auf eine drohende Blase hindeuten.

Bewertungen sagen jedoch nichts über die Kursentwicklung von Aktien aus. Das war noch nie der Fall. Die Erfahrung zeigt, dass die aktuell hohen Bewertungen keine Vorboten für einen Einbruch des SPI oder der globalen Aktienmärkte sind.

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Das ist keine Prognose. Meine Prognose für 2026 folgt im Januar. Aber sie wird nicht durch Bewertungen beeinflusst werden. Von Experten werden regelmässig Kennzahlen wie das KGV und das Kurs-Umsatz-Verhältnis (das ich vor über vierzig Jahren entwickelt habe) als wichtige Timing-Instrumente angepriesen. Die Logik dahinter: Niedrigere Bewertungen deuten auf «günstige» Aktien hin – also «günstig kaufen». Ein hohes KGV signalisiert angeblich eine Blase und magere Renditen in der Zukunft oder Schlimmeres. Besser «teuer verkaufen»! Daher die derzeitige Angst.

Der Gastautor

Ken Fisher ist Gründer und Executive Chairman von Fisher Investments, einer Vermögensverwaltungsfirma, die weltweit Niederlassungen hat und über 362 Milliarden Dollar verwaltet. Fisher zählt zu den einflussreichsten (und auch reichsten) Investmentmanagern der USA.

Dahinter steckt Akrophobie – keine Fakten. Die Angst vor Höhen ist fest in unserem Gehirn verankert, seit unsere Vorfahren in der Wildnis lebten. Kleine Stürze schmerzen kaum. Aber ein Sturz aus grosser Höhe birgt das Risiko schwerer Verletzungen. Oder gar des Todes. Also meiden Sie Höhen! Ein guter Überlebenstipp. Kein gutes Anlageverhalten.

Nehmen wir den MSCI Switzerland und eine gängige Statistik namens R-Quadrat. Sie zeigt, inwieweit ein wiederkehrendes Phänomen ein anderes erklärt. Ein Wert von null bedeutet keine Kausalität, ein Wert von 1,00 vollständige Kausalität.

Das jährliche Anfangs-KGV (basierend auf den Gewinnen der letzten zwölf Monate) und die erwarteten 1-Jahres-Renditen von Schweizer Aktien seit 1999 haben ein R-Quadrat von null – es besteht keinerlei Kausalität! Der R-Quadrat-Wert für drei und fünf Jahre steigt auf 0,03 beziehungsweise 0,01. Nur 3 beziehungsweise 1 Prozent der Renditen Schweizer Aktien für die nächsten drei beziehungsweise fünf Jahre stammen möglicherweise aus den Kurs-Gewinn-Verhältnissen. Winzig!

Seit 1970 weisen die Kurs-Gewinn-Verhältnisse weltweiter Aktien und die Renditen für ein, drei und fünf Jahre etwas höhere R-Quadrate auf: 0,08, 0,18 und 0,26. Aber selbst das bedeutet, dass Faktoren ausserhalb der Kurs-Gewinn-Verhältnisse 74 Prozent der Fünfjahresrenditen ausmachten.

Warum hat das KGV so wenig Einfluss? Bewertungskennzahlen sind weithin bekannt und somit bereits in den Aktienkursen eingepreist. Darüber hinaus richten sich Aktienkurse nach vorne, während Gewinne nach hinten blicken. Selbst die in einigen KGV verwendeten Gewinnprognosen basieren auf aktuellen Erwartungen. Diese können jedoch weit daneben liegen.

Beispiel: Anfang 2009 stiegen die weltweiten Aktienkurse in Erwartung einer wirtschaftlichen Erholung nach der Finanzkrise. In den rezessionsbedingt eingebrochenen Gewinnen spiegelte sich dies jedoch noch nicht wider. Das KGV des MSCI World näherte sich 30 – ein hoher Wert ... bei einer einmaligen Kaufgelegenheit!

Ja, auf hohe KGV können schlechte Renditen folgen. Globale Aktien begannen das Jahr 2000 mit einem KGV von 35 und erzielten dann über fünf Jahre eine annualisierte Rendite von minus 8,9 Prozent. Bei Schweizer Aktien war dies in geringerem Masse der Fall, da die defensive Ausrichtung ihres Marktes die anfänglichen Rückgänge abfederte.

Es gibt jedoch zahlreiche Gegenbeispiele. 2021 erzielten Schweizer und weltweite Aktien eine Rendite von 24 beziehungsweise 26 Prozent. Dies trotz einem anfänglichen KGV von 25 beziehungsweise 28 – über den heutigen Werten von 18 und 24. Schweizer Aktien starteten 2004 mit einem enormen KGV von 52, weit über dem KGV des MSCI World von 22. Dennoch stiegen sie in diesem Jahr um 6 Prozent und lagen damit weltweit an der Spitze.

Globale Aktien und US-Aktien hatten in den Jahren 2009 bis 2025 grösstenteils hohe KGV – stiegen jedoch bis Oktober um 393 Prozent beziehungsweise 622 Prozent, trotz zweier Bärenmärkte zwischendurch!

Bewertungen können bei der Auswahl von Aktien innerhalb bestimmter Bewertungskategorien hilfreich sein (dafür habe ich Kurs-Umsatz-Verhältnisse entwickelt). Aber als allgemeiner Markttreiber? Nein.

Jüngste Bedenken hinsichtlich der Bewertungen sind fehlgeleitet – aber das ist eine positive Nachricht. Die Angst vor falschen Faktoren ist immer bullisch und beflügelt den Anstieg der Märkte. Begrüssen Sie die Befürchtungen hinsichtlich hoher Kurs-Gewinn-Verhältnisse.