«Es gibt Börsenzeiten, die scheinen nur für Masochisten, Suizidgefährdete oder Hedge-Fund-Manager geeignet zu sein», sagte kürzlich ein Händler. Und dennoch gibt es Lichtblicke. Denn parallel zu den purzelnden Börsenkursen formiert sich eine Mini-Hausse im Immobiliensektor. Immobilienfonds legten in den letzten sechs Monaten 6,19 Prozent zu, die Häuserpreise stiegen im Gesamtjahr um 5,4 Prozent.

Am heftigsten hat das Immobilienvirus in den angelsächsischen Ländern zugeschlagen. Der amerikanische Hauspreisindex stieg im letzten Halbjahr um 9 Prozent, der für Grossbritannien relevante Halifax-Immobilienpreisindex kletterte um 19,3 Prozent. Den Vogel schiesst London ab, wo sich die Preise für Häuser im Zentrum der Stadt innerhalb von nur drei Monaten um 150 Prozent erhöhten. Solche Übertreibungen sind jedoch keineswegs eine Erfindung des neuen Jahrtausends. Auch nach dem Börsencrash von 1987 flüchteten die Anleger auf Teufel komm raus in den Immobiliensektor. Das Motto lautete: Die Preise können nur steigen.

Das Immo-Abc: Aufbruch, Boom, Crash
Das taten sie auch – innerhalb von drei Jahren musste für ein Einfamilienhaus ein Drittel mehr hingeblättert werden. Bis dann 1990 drastische Zinserhöhungen auf über neun Prozent dem lustigen Treiben ein Ende setzten. Das war jedoch nichts im Vergleich zu Japan, wo sich zur gleichen Zeit die grösste Immobilienblase der Weltgeschichte blähte. Allein das Areal des Kaiserpalasts in Tokio entsprach etwa dem Wert von ganz Kalifornien. Doch auch über Nippons Bodenpreisen ging die Sonne schnell wieder unter. Was zurückblieb, ist ein Japan, dessen Wirtschaft sich nie mehr richtig erholte. Und auch die Bodenpreise taumeln heute wieder auf demselben Niveau wie vor 22 Jahren.

Wiederentdeckung der Immobilien
Das neu erwachte Interesse an Immobilienfonds und Direktanlagen in Immobilien inmitten des Börsendilemmas lässt aufmerksame Beobachter bereits Parallelen zu 1987 ziehen. Doch diesmal gibt es einen bedeutenden Unterschied zum letzten Crash: Die Preise für Immobilien verändern sich nur moderat – Eigentumswohnungen über das Jahr gesehen –0,3 Prozent, Einfamilienhäuser 5,4 Prozent, wie das Informations- und Ausbildungszentrum für Immobilien IAZI erhoben hat. Nur führt diesmal eine starke Nachfrage zu einem lediglich geringen Wachstum der Preise. Wie ist das möglich?

Der Grund liegt im grossen Angebot an Ein- und Mehrfamilienhäusern. Bedanken kann sich Otto Normalhauskäufer bei den Versicherungen, Pensionskassen und Grossunternehmen. «Institutionelle Investoren waren gezwungen, grosse Immobilienportefeuilles auf den Markt zu werfen, um ihren Verpflichtungen nachkommen zu können», erklärt Donato Scognamiglio, Geschäftsführer des IAZI. Das führt dazu, dass die Preise wieder verhandelbar sind. «Teilweise wird wieder gehandelt wie auf dem Bazar», doppelt eine Immobilienmaklerin aus Basel nach. «Je länger jemand Geduld hat, desto billiger wird das Haus», fügt sie hinzu.

Wenn diese paradiesischen Zustände auch nicht in allen Kantonen vorherrschen, so ist der Zeitpunkt für einen Kauf dennoch günstig. «Die Hauspreise sind, auch wenn der absolute Tiefststand von 1998 bereits überschritten ist, noch immer günstig. Über die nächsten Jahre werden die Preise vermutlich weiter steigen», prognostiziert Donato Scognamiglio. Rekordtiefe Zinsen – 3,15 Prozent für Festhypotheken – runden das ganze Bild ab.

Realitäten als Sicherheit
Dass sich ein Teil der Anleger derzeit auf Schnäppchenjagd im Immobilienmarkt befindet, zeigt ein Blick auf die Kreditstatistik der Schweizerischen Nationalbank: Seit Anfang 2000 wurden um elf Prozent mehr Hypotheken an Private vergeben. Im letzten Jahr entsprach das einem Plus von rund 17 Milliarden Franken. Doch bei aller Flucht in die Sicherheit gilt es eine Besonderheit bei Immobilien zu beachten. Die Rendite des selbst bewohnten Eigentums fällt nicht in Geld an wie bei Aktien oder Obligationen, sondern in Form von Lebensqualität und Freude am Wohnen.

Zum Investitionsobjekt wird ein Haus also nur dann, wenn es wieder verkauft wird. «Und da ist es mit Häusern wie mit Autos – mit viel Glück behalten sie den Wert», schränkt Lorenz Heim, Hypothekenberater vom VZ VermögensZentrum in Zürich, ein. «Die goldenen Zeiten von hohen Wertsteigerungen bei Immobilien sind längst vorbei», fügt er hinzu. «Heute darf man zufrieden sein, wenn beim Verkauf der Liegenschaft überhaupt eine bescheidene Rendite resultiert.» So mancher Investor, der Anfang der Neunzigerjahre ein Haus kaufte, fällt heute beim Blick auf die Wertentwicklung seiner Liegenschaft aus dem Immobilienkuckucksheim. Denn der Immobilienindex für Einfamilienhäuser ist zwischen 1990 und Ende 2001 um rund 20 Prozent gesunken. Wer hingegen 1999 auf Einkaufstour ging, kann die Korken knallen lassen – seither beträgt die Wertsteigerung nämlich rund zwölf Prozent.

Eigenheim mit Pensionskassengeld
Immer mehr von der Börse enttäuschte Anleger flüchten in das Betongold. Lorenz Heim trifft immer wieder auf solche Bekehrte: «Bei einem Haus ist zumindest kein Totalverlust möglich», gibt er deren Aussagen wieder. Enttäuscht zeigt sich auch ein 33-jähriger Kadermitarbeiter einer Grossbank: «Ich habe sie satt, diese ständige Börsentalfahrt», erklärte er im Gespräch mit der BILANZ und erdrosselt dabei die Zuckertüte neben seinem Kaffee. «Deshalb habe ich alles verkauft, und mit dem kümmerlichen Rest meines Ersparten kaufe ich mich jetzt in die Pensionskasse ein.» Die Vorteile hat er sich ausrechnen lassen: Selbst wenn die geplante Reduktion der gesetzlich garantierten Verzinsung von Pensionskassengeldern umgesetzt wird, verzinst sich sein Guthaben mit drei Prozent, zusätzlich spart er Steuern.

So streicht er bei einem Einsatz von 12 000 Franken pro Jahr nach 15 Jahren eine Nettorendite von 6,9 Prozent ein. Dass er das Geld vor der Pensionierung nur für einen Hauskauf einsetzen könne, tue ihm nicht weiter weh, sagt er, da er sowieso in den nächsten Jahren ein Haus kaufen wolle. Diese Variante steht jedoch nicht jedem offen. Zumal mit der Pensionskasse abgeklärt werden muss, ob eine Beitragslücke besteht oder nicht. Die Chancen dazu stehen gut für Arbeitnehmer, die entweder längere Zeit studierten, im Ausland waren, einen oder mehrere Arbeitswechsel hinter sich haben oder bei einem ehemaligen Arbeitgeber nur minimal versichert waren. Auch die Steuerbehörden setzen Einkaufslimiten, die vor allem ältere Semester vorgängig abklären sollten.

Renditeobjekte ohne Rendite
Diejenigen mit grosssen Vermögen liebäugeln derzeit unter Umständen mit einem Renditeobjekt. Darunter versteht man ein Mehrfamilienhaus oder ein Bürogebäude, zum Zweck der Weitervermietung gekauft. «Doch eine einfache Renditerechnung nimmt den meisten Kaufwilligen den Wind aus den Segeln», erzählt Lorenz Heim. Um die Nettorendite zu errechnen, müssen sämtliche Kosten für Bewirtschaftung und Instandhaltung abgezogen werden. Ebenfalls zu berücksichtigen sind Hypothekarzinsen, Abschreibungen und Rückstellungen sowie das Mietausfallsrisiko und die Steuerbelastung.

Tobias Studer, Professor an der Universität Basel und Verfasser mehrerer Studien zum Thema Renditeobjekte, hat sein eigenes Wohn-/Geschäftshaus wieder verkauft. «In meinen Regalen türmten sich reihenweise die Verwaltungsordner. Zudem hatte ich ein riesiges Klumpenrisiko in meinem Portfolio zu tragen», begründet er diesen Schritt. Ausserdem darf die Inflation nicht vergessen werden.» In einer Langzeitstudie über 36 Jahre hat Studer errechnet, dass 25 Immobilienfonds eine durchschnittliche jährliche Wertsteigerung auf den Immobilien von 2,1 Prozent hatten. Im gleichen Zeitraum belief sich die Inflation jedoch auf durchschnittlich 3,7 Prozent. «Immobilien vermögen daher die Teuerung nicht zu schlagen», so Studer.

Mauerblümchen im Trend: Immofonds
Besser sieht es dagegen bei Immobilienfonds aus. Sie sind denn auch die grossen Profiteure der morbiden Börsenlage. Die Nettozuflüsse in Immobilienfonds betrugen im letzten Jahr rund 30 Prozent. Zwei Milliarden Franken flossen allein in den letzten sechs Monaten in dieses Segment, was exakt dem Betrag entspricht, der aus Aktienfonds abgezogen wurde – und der Trend hält weiter an. Die lange Zeit als «stinklangweilig» etikettierten Immobilienfonds lassen heute die Augen der Investoren funkeln. Grund: Die Performance inklusive Ausschüttung betrug im letzten Halbjahr 6,19 Prozent, die jährliche Performance über 20 Jahre liegt sogar bei durchschnittlich 14,44 Prozent.

Die Konstanz dieser Anlagevehikel erklärt sich damit, dass Immofonds hauptsächlich in Wohneigentum investieren. Die Bruttorenditen in diesem Sektor liegen bei durchschnittlich 6,6 Prozent, wovon rund 4,6 Prozent von den Fonds im letzten Jahr ausgeschüttet wurden. «Da die Mieteinnahmen auch in schlechten Zeiten nicht schwanken, ist dies ein solides Geschäft», erklärt Fondspezialist Rolf Maurer, Partner bei der Bevag.

Ein weiterer Vorteil: Immobilienfonds garantieren einen Rücknahmepreis und damit eine gewisse Wertgarantie. Dieser liegt leicht unter dem Net-Asset-Value, also der Summe des Wertes aller Einzelanlagen. Wer von diesem Garantiepreis profitieren will, muss allerdings mit einer Kündigungsfrist von zwölf Monaten leben. Schliesslich geht der Verkauf von Immobilien durch die Immobilienfonds nicht so schnell über die Bühne wie Wertpapierverkäufe in Aktienfonds.

So herzerwärmend auch eine steile Performancekurve nach oben sein mag – das Kursrückschlagspotenzial wird damit immer grösser. Die letzte harte Bauchlandung für die Investoren erfolgte Mitte der Neunzigerjahre. Wer auf dem Höhepunkt der Kursentwicklungen Ende 1993 einen Immofonds erstanden hatte, musste drei Jahre warten, bis er den Einstandspreis wieder sah. «Immobilienfonds sind derzeit relativ hoch bewertet», warnt Rolf Maurer. Dies ist daran zu sehen, dass die Preise der Fonds, die sich durch Angebot und Nachfrage bilden, markant höher sind als der Inventarwert.

Die Differenz zwischen Inventarwert und Börsenpreis wird Agio genannt und stellt prinzipiell ein Verlustrisiko dar. Denn geht die Nachfrage für Immofonds zurück, kann der Börsenpreis bis auf den Inventarwert sinken oder sogar darunter fallen. Zurzeit am stärksten überbewertet ist der Kantonalbanken-eigene Swissca-Ifca-Fonds mit einem Agio von 21 Prozent. «Der Aufpreis hingegen sollte nicht höher als zehn Prozent sein», schränkt Maurer ein. Der nächste Kursrückschlag ist vorprogrammiert, wenn die Zinsen wieder steigen. «Denn Anleger bewerten Immobilienfonds nicht auf Grund der Immobilienentwicklung, sondern je nach Zinsentwicklung», so Tobias Studer. Steigen die Zinsen, wechseln Investoren wieder in Obligationen.

Zu guter Letzt sollten Anleger, die sich für Immofonds entscheiden, ein Auge auf die Kauf- und Rücknahmegebühren werfen. Die Ausgabeaufschläge liegen je nach Fonds zwischen vier und sechs Prozent und sind somit relativ hoch. Da muss der Fonds schon ein paar Jahre gehalten werden, bis sich die Kosten wieder amortisieren.

Immogesellschaften: ewige Verlierer
Nun gibt es jedoch neben den gut laufenden Fonds auch Anlagevehikel, die vom Immobilienboom so gut wie gar nicht profitieren: Immobiliengesellschaften. Sie stehen mit Ausnahme von Warteck nicht auf der Einkaufsliste der Anleger. Da nützt es auch nichts, wenn sie im Vergleich zu Fonds viel günstiger sind.

Während für Immobilienfonds, wie oben beschrieben, derzeit hohe Aufschläge zu berappen sind, werden Immobilienaktiengesellschaften mit einem Abschlag zum inneren Wert gehandelt. Allen voran Maag mit einem Abschlag von 34 Prozent. Mangels Interesses durch Institutionelle bleiben die Privatanleger bei den Immobiliengesellschaften aber auf tiefen Kursniveaus sitzen. Die Gründe dafür sind vielfältig. Immobilienaktiengesellschaften sind viel mehr als Fonds in Geschäftshäusern investiert. Daher sind sie auch viel stärker konjunkturellen Einflüssen unterworfen. Nun hat die Konjunkturkrise die Leerstände in den Ballungszentren erhöht, was auf Preise und Mieten drücken wird.

Ein weiterer Punkt: Immofonds schütten fast ihre ganzen Gewinne in Dividenden aus. Bei Immoaktiengesellschaften hingegen liegt die Aussschüttung durchschnittlich bei zwischen 30 und 70 Prozent ihrer Profite. Auch in Sachen Bilanzierung haben die Unternehmen und deren Gutachter ordentliche Freiheiten. Je nach Gutachten kann der Wert einer Immobilie um bis zu 20 Prozent schwanken. «Die ‹fair open market values›, nach denen bewertet wird, basieren auf der aktuellen Markteinschätzung. Entsprechend ändern sich diese Werte laufend, je nach Angebot und Nachfrage am Immobilienmarkt, der Einschätzung der Investoren punkto Konjunkturentwicklung und Renditeerwartungen an den Finanzmärkten», gibt Werner Richli, Analyst bei der Credit Suisse, zu bedenken.

Doch damit nicht genug. Mit dem latenten Steuersatz kann ebenso jongliert werden wie mit den Zinsaufwendungen für Bauprojekte, die oft nicht in der Erfolgsrechnung als Aufwand erscheinen, sondern in der Bilanz aktiviert werden. Dennoch sieht Richli vor allem für Gesellschaften mit vorwiegend Bestandesimmobilien im Portefeuille Chancen: «Wenn wir keine Krise bekommen und das Zinsniveau tief bliebt, sollte der Net-Asset-Value dieser Gesellschaften in der Tendenz steigen. Damit werden diese Gesellschaften zunehmend attraktiver.» Noch ist davon jedoch ausser bei Warteck nichts zu spüren.
Partner-Inhalte