BILANZ: Intel musste im zweiten Quartal dieses Jahres mit einem Gewinneinbruch von 82 Prozent gegenüber dem Vorjahr das schlechteste Quartalsergebnis seit Jahren präsentieren. Was läuft schief beim grössten Chiphersteller der Welt?
Craig Barret:
Gar nichts. Das Quartalsergebnis widerspiegelt nur die derzeitige Wirtschaftslage und hat mit unserem Unternehmen im eigentlichen Sinne nichts zu tun. Zehn Jahre lang erlebten wir in den USA ein unglaubliches Wirtschaftswachstum. Wir wussten, dass es nicht immer so weitergehen konnte. Die gegenwärtige Krise kommt daher nicht überraschend. Von der Krise sind übrigens alle Hightechunternehmen betroffen, nicht nur Intel.

Trotzdem hat Intel in letzter Zeit sehr oft mit Negativmeldungen auf sich aufmerksam gemacht. Produkte kamen zu spät auf den Markt oder mussten wegen Mängeln zurückgenommen werden.
Ja, sicher gab es da und dort einige Schwierigkeiten bei der Markteinführung gewisser Produkte, doch im Vergleich mit der Konkurrenz waren die harmlos. Wenn Sie wüssten, mit welchen Problemen beispielsweise AMD zu kämpfen hatte, sind unsere nicht der Rede wert.

AMD ist mit ihren Hochleistungsprozessoren meist schneller auf dem Markt als Intel. Ferner sind AMD-Produkte viel billiger bei gleicher Qualität.
Wenn ich die Produktpalette von AMD mit unserer vergleiche, möchte ich keine Sekunde mit AMD tauschen. Mit ihrer Preispolitik schadet AMD nur sich selbst. Uns berührt das nicht. Sie sagen, AMD ist mit leistungsfähigeren Prozessoren schneller auf dem Markt. Zurzeit hat Intel die schnellsten Prozessoren.

In ein paar Monaten wird es allerdings wieder AMD sein …
… die erneut die Führung im Prozessorenmarkt übernimmt? Und was glauben Sie, was Intel in der Zwischenzeit tun wird? Come on, wir werden immer die Nase vorn haben. Wie viel wollen Sie wetten?

Den Vorsprung schaffen Sie doch nur, weil Intel mit Microsoft ein Quasi-Duopol aufrechterhalten kann – die Branche spricht von Wintel, zusammengesetzt aus Windows und Intel. Neue Microsoft-Produkte verlangen nach immer mehr Leistung, die Sie mit Ihren immer schnelleren Chips liefern wollen. Doch wie lange lässt sich dieses System noch aufrechterhalten?
Es wurde schon viel über dieses vermeintliche Duopol berichtet. Wintel ist im Übrigen ein Begriff, den die Medien geprägt haben, nicht wir. Wenn Sie den PC-Markt betrachten, glaube ich, dass Mircosoft mit ihrem Betriebssystem Windows einen Standard gesetzt hat. Es gibt so viele Programme, die für Windows geschrieben wurden, dass ich mir nicht vorstellen kann, dass es jemals vom Markt verdrängt wird. Und Intel liefert gute und leistungsfähige Produkte. Dass sich dies ergänzt, ist ja klar.

Windows läuft aber auch auf anderen Prozessoren.
Der Markt ist kompetitiver als noch vor zehn Jahren. Andere Anbieter sind in den Markt getreten und haben auch Marktanteile gewinnen können.

Intel hat zurzeit noch einen Marktanteil von rund 80 Prozent. AMD und Transmeta teilen sich rund 17 Prozent, Tendenz steigend. Wann wird Intel ihre führende Marktposition verlieren?
Ich soll vorhersagen, wann Intel ihre Marktanteile verliert? Nie!

AMD und Transmeta haben kürzlich bekannt gegeben, dass sie enger zusammenarbeiten wollen. Beunruhigt Sie das nicht?
Seit Jahren verteidigt Intel ihren Marktanteil von über 80 Prozent. AMD und Transmeta gewinnen nicht, weil Intel Anteile verliert, sondern weil kleinere Konkurrenten Prozente einbüssen. AMD hat gestern ihre Gewinnprognosen für das nächste Quartal massiv nach unten korrigieren müssen. AMD versucht schon seit 25 Jahren erfolglos, Intel zu konkurrenzieren. Wenn ich die Firmenentwicklung von AMD oder Transmeta mit der von Intel vergleiche, beunruhigt mich diese Kooperation überhaupt nicht.

Investoren sind mit Blick auf den Kurszerfall der Intel-Aktie in letzter Zeit nicht gerade verwöhnt worden. Wie wollen Sie die Aktionäre beruhigen?
Der einzige Weg, Aktionäre zufrieden zu stellen, besteht darin, ihnen einen Mehrwert für ihre Investitionen zu geben. Diesen Mehrwert erhalten sie dann, wenn der Aktienkurs wieder steigt. Wenn Sie vor zehn Jahren in Intel investiert haben, besitzen Sie heute das Dreissigfache. Was glauben Sie, wie viel Sie heute besitzen würden, wenn Sie in AMD investiert hätten? Vier, fünf Prozent, wenns hoch kommt. In der Tat gibt der aktuelle Aktienkurs keinen Anlass zur Euphorie. Doch müssen wir auch analysieren, was in den letzten Jahren im Hightechsektor geschehen ist. Der Internethype hat zu völlig übertriebenen Bewertungen von Firmen geführt, die weder Gewinne erzielten noch ein eigentliches Produkt anzubieten hatten. Im Sog dieser Euphorie waren sämtliche Hightechunternehmen an der Nasdaq überbewertet. Mit dem Zusammenbruch dieser Hysterie gerieten aber auch alle Hightechtitel unter Druck. Ich bin überzeugt, dass sich bereits Ende Jahr die Kurse wieder stabilisieren werden.

Glauben Sie noch ans Internet?
Ja, sicher. Das Internet verfügt nach wie vor über ein gewaltiges Potenzial. Bis jetzt surfen nur gerade zehn Prozent der Weltbevölkerung über den Daten-Highway. Die meisten davon leben in den Industrieländern. Das Internet verbindet Millionen von Computern. Das Internet entwickelt sich zum wichtigsten Kommunikationsinstrument in diesem Jahrhundert, und im Zentrum dieser Entwicklung stehen Mikroprozessoren. Davon will Intel profitieren.

Was sind denn profitable Geschäftsmodelle im E-Business?
Noch vor nicht langer Zeit genügte es, einen Internetauftritt zu haben und darüber irgendwelche Produkte zu verkaufen. Risikokapital für solche Geschäftsmodelle gab es an jeder Strassenecke. Nun ist das Vergangenheit. Unglücklicherweise zog der Dotcom-Crash alles mit in die Tiefe. Darunter leiden vor allem solide Internetfirmen. Wir sehen die Zukunft des E-Commerce nicht im Business-to-Consumer-Markt. Wir glauben, dass sich der Internethandel nur im Business-to-Business-Bereich profitabel entwickeln lässt. Bis das Vertrauen in den E-Commerce allerdings wieder hergestellt ist, wird sicher noch einige Zeit vergehen.

Das Beispiel des Silicon Valley hat deutlich gezeigt, dass vieles schneller in die Brüche gehen kann, als die Leute glauben. Was bedeutet für Sie der Zusammenbruch im Technologiesektor?
Das Silicon Valley wird immer eine führende Rolle in der Hightechentwicklung einnehmen. Trotz dem Zusammenbruch. Nach wie vor gibt es dort hervorragende Unternehmen und ein hohes Potenzial an Know-how. Die Dotcom-Krise hat in der Internetwirtschaft sicher die Spreu vom Weizen getrennt. Vom totalen Zusammenbruch zu sprechen, würde allerdings zu kurz greifen. Das Silicon Valley hat im Laufe seiner Geschichte immer wieder Einbrüche erlebt und wird immer wieder Negativentwicklungen ausgesetzt sein. Der gegenwärtige Einbruch hat aber auch einen Vorteil: Es ist wieder einfacher geworden, ein Taxi zu bekommen.

Wann kommt der nächste Hype im Technologiesektor?
Ich hoffe nie. Im Ernst – denn im Technologiesektor ist nicht so sehr der Einbruch das grosse Problem, sondern der Hype, der dem Einbruch vorangeht. Die Leute sprechen nur noch von Produkten, die sie gar nicht haben, und von Businessmodellen, bei denen man nur noch den Kopf schütteln kann. In keiner anderen Branche entstehen dermassen gefährliche Hypes wie im Technologiesektor. Keine Ahnung warum, aber ich denke, die Technologiebranche ist sehr schnelllebig, was möglicherweise viele Leute dazu bringt, eine Entwicklung übertrieben positiv zu beurteilen. Ich wünschte mir wirklich, es würde viel weniger Hypes im Technologiesektor geben. Die Schäden, die solche Prozesse verursachen, sind einfach zu gross.

Der PC-Markt sättigt sich zunehmend. Bereits wurden massiv weniger Computer verkauft als im Vorjahr. Die Preise der PCs und somit auch der Prozessoren sinken dramatisch. Wie wollen Sie diesen Preiszerfall ausgleichen?
Der Markt für Prozessoren wird weiterhin wachsen, auch wenn der PC-Markt stagniert. Intel baut auch Prozessoren für Kleincomputer und Handhelds wie den Palm oder den neuen Ipac von Compaq. Solche Geräte sind auch von PCs abhängig, da sie hauptsächlich über Desktop-Computer konfiguriert werden. Ich glaube allerdings nicht, dass der Markt für PCs so schnell zusammenbricht, wie Sie das andeuten. Doch muss sich auch Intel weiterentwickeln.

1985 geriet Intel in die tiefste Krise, weil billige japanische Speicherchips den Markt überschwemmten. Der damalige Intel-Chef Andy Grove schaffte den Turnaround, indem er die Speicherchips über Bord warf und sich voll auf die Produktion von Mikroprozessoren konzentrierte und Intel damit zehn goldene Jahre bescherte. Jetzt scheint sich eine erneute Krise abzuzeichnen. Wie werden Sie Intel retten?
1985 herrschte eine starke Rezession. Intel stand kurz vor dem Konkurs. Der Übergang von Speicherchips zu Mikroprozessoren hat uns das Überleben gesichert. Gegenwärtig ist es nicht eine Frage des Überlebens, sondern uns beschäftigt vielmehr die Frage, wie wir unser Kerngeschäft stärken können.
Intel muss heutzutage weder gerettet werden, noch glaube ich, dass die Ära der Mikroprozessoren so schnell vorbei sein wird. Diese dauert noch mindestens zwanzig Jahre. Doch Sie haben Recht: Sich nur auf die Produktion von Mikroprozessoren zu konzentrieren, wäre fahrlässig. Wir müssen wachsen. Aus diesem Grund haben wir in den letzten drei Jahren mehrere Milliarden Dollar investiert und Dutzende von Akquisitionen getätigt. Die meisten im Bereich von Netzwerktechnologie, Datenübertragung oder Mobilfunk.

Heisst dies, dass sich Intel längerfristig von den Mikroprozessoren verabschiedet?
Nein, ganz bestimmt nicht. Prozessoren werden die nächsten zehn Jahre ganz sicher die wichtigste Einnahmequelle für Intel sein. Gleichzeitig halten wir aber sicher nicht stur an der Computerindustrie fest. Wer weiss schon, was in den nächsten fünf Jahren geschieht? Keiner konnte die rasante Entwicklung im Internetbereich vorhersehen. Nehmen Sie die Entwicklung der Mobiltelefone in den letzten fünf Jahren. Aus diesem Grund investieren wir ständig in neue Hightechfirmen und Produkte, natürlich auch, um das Prozessorengeschäft indirekt anzukurbeln, weil viele dieser neuen Produkte eben auch mit modernen Mikroprozessoren laufen. Wenn Sie also unser Unternehmen in fünf Jahren nochmals analysieren, werden Sie feststellen, dass wir immer noch sehr stark im Mikroprozessorengeschäft tätig sein werden, aber gleichzeitig auch ein solides Wachstum im Netzwerk- und Kommunikationsmarkt vorweisen werden.

Andy Grove hat in seinem Buch geschrieben, dass nur die Paranoiden überleben werden. Ist denn Ihre Diversifikationsstrategie paranoid genug?
(Lacht) Andy Grove meinte damit, dass man ein wachsames Auge auf die Märkte haben soll. In diesem Sinne ist diese Strategie sicher paranoid. Die Situation heute ist vollständig anders als noch vor 15 Jahren. Das Tempo, mit dem Neuentwicklungen auf den Markt kommen, hat massiv zugenommen. Trends wechseln viel schneller als früher. Auch die Technologien entwickeln sich viel schneller. Ich glaube, es wäre sehr gefährlich, Netzwerk- oder Kommunikationsmärkte zu unterschätzen.
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