Das Umfeld für Börsengänge ist momentan vorteilhaft. Ein IPO (Initial Public Offering) ist jedoch ein grosser Schritt für ein Unternehmen. Damit dieser gelingt, braucht es sorgfältige Planung.

Das Umfeld für Börsengänge sei derzeit ausgesprochen günstig, sagt Jens Haas, Leiter Investment Banking Schweiz bei der Credit Suisse. Als Gründe nennt er unter anderem die expansive Geldpolitik der Zentralbanken, bessere Wirtschaftsdaten und Unternehmensgewinne sowie gute Aktienbewertungen.

«Die tiefen Zinsen zwingen Investoren faktisch in risikoreichere Anlagen», sagt auch Hanspeter Gehrer, Leiter Corporate Finance bei der Bank Vontobel. Dabei seien stabile Investments mit attraktiver Dividendenrendite weiterhin gesucht, aber auch Wachstumstitel hätten Chancen, so Andreas Neumann, Leiter Equity Capital Markets bei der Zürcher Kantonalbank (ZKB).

Eine hohe Volatilität und Aktienmärkte, die sich in einem Abwärtstrend befinden, sind dagegen keine guten Voraussetzungen für einen erfolgreichen Börsengang.

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Gründe für einen echten IPO

Am Markt wird von einem «echten» IPO gesprochen, wenn Aktien bei neuen Investoren platziert werden. Daneben gibt es noch reine Listings an der Schweizer Börse SIX. Klassisch öffnet sich ein bisher privates, durch einen oder mehrere Aktionäre kontrolliertes Unternehmen einem breiteren Investorenkreis.

Die Motive sind vielfältig und reichen vom Kapitalbedarf über den Ausstiegswunsch eines Hauptaktionärs bis hin zu einer Verbreiterung der Bekanntheit eines Unternehmens. Auch Bewertungsfragen oder Nachfolgeregelungen können eine Rolle spielen. In den meisten Fällen führe eine Kombination verschiedener Faktoren zum Entscheid für einen Börsengang, heisst es im «IPO Guide Schweiz» der SIX.

Für eine Kotierung an der Schweizer Börse braucht das Unternehmen ausgewiesenes Eigenkapital von mindestens 2,5 Millionen Franken sowie einen sogenannten Freefloat von mindestens 20 Prozent am ersten Handelstag entsprechend einer Marktkapitalisierung von mindestens 25 Millionen. Der Freefloat - auch Streubesitz genannt - ist der Aktienanteil eines Unternehmens, der sich nicht in festem Besitz befindet und jederzeit an der Börse handelbar ist.

Investoren begeistern

Im Vordergrund steht aus Marktsicht allerdings der «Investment Case». Er ist das A und O eines Börsengangs. Investoren müssen für den IPO-Kandidaten - anhand des Geschäftsmodells und mit Alleinstellungsmerkmalen - begeistert werden.

Vor allem müssen auch die Motive des Going Public nachvollziehbar sein, und es muss klar werden, wofür das Unternehmen die Mittel verwenden will. «Bevorzugterweise fliesst ein grösserer Teil in das Unternehmen und nicht an die verkaufenden Aktionäre», so Neumann von der ZKB. Gehrer von Vontobel verweist daneben noch auf vernünftige Bewertungserwartungen und eine sorgfältige Planung und Durchführung der Transaktion als essentiell.

Das Going Public ist also ein grosser Schritt für ein Unternehmen, das spätestens am ersten Handelstag alle börsenrechtlichen Kotierungsregeln erfüllen muss. Dazu gehört die Pflicht zu Ad-hoc-Meldungen bei kursrelevanten Neuigkeiten sowie die Publikation von Jahres- und Zwischenberichten.

Sechs Monate bis zum ersten Handelstag

Ein Börsengang dauert vom Kick-off bis zum ersten Handelstag nach Angaben der SIX üblicherweise vier bis sechs Monate. Ideal für den ersten Handelstag sei die Zeit unmittelbar nach Publikation der Finanzzahlen, also von März bis Mai sowie von September bis November.

Bei einem IPO mit Platzierung von Aktien wird das Unternehmen meist von mehreren Banken und Anwälten begleitet. Eine frühe Kontaktaufnahme zu institutionellen Anlegern und die Vorbereitung dieses «Pilot Fishing» seien von entscheidender Bedeutung sowie die Präsentation vor Analysten, sagt Haas von der CS.

20 Handelstage vor dem Start des sogenannten Bookbuilding muss ein Kotierungsprospekt bei der SIX eingereicht werden. Dieser enthält Finanzabschlüsse der zurückliegenden drei Jahre sowie ausführliche Angaben zum Unternehmen, zur Strategie und zum geplanten IPO.

Faktoren beim Emissionspreis

Jetzt geht das Management auf Roadshow (Anwerben von Investoren), und das Bookbuilding startet. Bei diesem Verfahren können Investoren innerhalb einer bestimmten Zeichnungsfrist - in der Regel zehn Börsentage - für die zum Verkauf stehenden Aktien bieten. Zuvor legt die federführende Bank eine Bandbreite für den Preis fest. Nach Fristablauf wird entschieden, welche Bieter Wertpapiere zu welchem Preis erhalten.

Letztendlich spielen bei der Festlegung des Emissionspreises auch Faktoren wie der gewünschte Investorenmix eine Rolle. Es ist zudem üblich, dass der Platzierungspreis unter dem theoretischen Wert zu liegen kommt - nach Angaben der SIX durchschnittlich rund 10 Prozent. Dieser sogenannte IPO-Discount soll Investoren für ihr Engagement, etwa beim Pilot Fishing, oder für Risiken entschädigen.

In der ersten Phase des Handels - bis zu 30 Kalendertage nach dem ersten Handelstag - kann die federführende Bank zudem grosse Schwankungen des Aktienkurses verhindern. Von Anfang an werden als Reserve mehr Aktien zugeteilt als eigentlich vorgesehen - üblicherweise bis zu 15 Prozent.

Hierbei handelt es sich um die sogenannte Mehrzuteilungsoption oder «Greenshoe». Sinkt der Aktienkurs, kauft die federführende Bank entsprechend Aktien über die Börse zurück und gibt diese an den Emittenten zurück. Steigt der Aktienkurs, wird die Mehrzuteilungsoption vollständig ausgeübt und in dem Umfang mehr Aktien im Publikum platziert.

Schweiz kein klassisches IPO-Land

Hierzulande ist es im laufenden Jahr bislang zu einem echten IPO mit Platzierung gekommen (Galenica Santé) und zu zwei reinen Listings (Rapid Nutrition als Umkotiertung von einer ausländischen Börse und Idorsia als Abspaltung von Actelion). Zudem ging die Versandapotheke Zur Rose an die Börse, und Anfang Juli kündigte Landis+Gyr einen Börsengang für das dritte Quartal an.

«Grundsätzlich ist der Schweizer IPO-Markt tendenziell durch ein begrenztes Angebot mit wenigen Neuemissionen gekennzeichnet», so Haas. Die Schweiz ist eben kein klassisches IPO-Land - mit vielen familiengehaltenen Unternehmen und einer intakten Bankenfinanzierung.

(sda/ccr)

Diese Aktien brillierten und floppten im Jahr 2016: