Wenige andere Länder haben Kryptowährungen wie den Bitcoin so früh und entschlossen willkommen geheissen wie die Schweiz. Dieser Pioniergeist hat dazu beigetragen, elektronische Währungen dauerhaft zu etablieren. Nun steht der Bitcoin kurz vor einem weiteren Meilenstein seiner turbulenten Reise: Er könnte schon bald die 100’000-Dollar-Marke durchbrechen und genau damit eine Eigenschaft unter Beweis stellen, die er eigentlich nie innehaben wollte: dass er in Wahrheit nicht nur eine dezentrale, sondern auch eine hochpolitische Währung ist. 

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Seit der amerikanischen Präsidentschaftswahl am 5. November ist der Kurs des Bitcoin um mehr als 30’000 Dollar und damit um 44 Prozent gestiegen. Ein bemerkenswerter Wertzuwachs, den Analysten wie zum Beispiel von Bloomberg vor allem politischen Gründen zuschreiben. Bitcoin-Anleger erwarten, dass der neu gewählte alte Präsident Donald Trump Kryptowährungen weiter fördert und sie tiefer ins Finanzsystem integriert. Für diese Absicht gibt es zahlreiche Anzeichen. 

Trumps designierter Finanzminister Scott Bessent, früher Chief Investment Officer bei Soros Fund Management und Gründer von Key Square Capital, gilt als fiskalisch konservativ, zugleich aber als Freund von Kryptowährungen. Er hat sie als «Waffe zur Förderung der Freiheit» bezeichnet und gibt unumwunden zu, dass er sie weiter fördern möchte. Von Bessents künftiger Politik hängt vieles ab, zum Beispiel, welchem Regulierungsregime Kryptos unterworfen werden. 

Der Gastautor

Christoph Keese ist Verwaltungsratspräsident von World.Minds sowie Unternehmer aus Berlin. Der Autor von sechs Büchern schreibt monatlich in der «Handelszeitung».

Seine Anhänger bezeichnen den Bitcoin gern als «Währung», doch mit dieser Bezeichnung bremsen sie seinen Aufstieg eher. Staaten besitzen das Monopol auf Währungen und werden nicht ohne Weiteres zulassen, dass nichtstaatliche Akteure eigene Währungen herausgeben, die als allgemeine Zahlungsmittel taugen. Viel geschmeidiger wäre die Regulierung des Bitcoin als «Security», also als Wertpapier, denn Wertpapiere gibt es viele und Staaten tun sich leichter damit, ihnen den Weg in den Markt zu ebnen. 

Ironischerweise könnte der Bitcoin viel früher ein breit akzeptiertes Zahlungsmittel werden, wenn er offiziell darauf verzichtet, eines sein zu wollen. Diese Bescheidenheit muss ihm nicht schaden. Letztlich ist es immer ein Akt sozialer Konvention, welches Finanzinstrument zur Währung wird und welches nicht. Schattenwährung ist immer das, was die Erbringer von Leistungen als Zahlungsmittel akzeptieren. Ob die Schattenwährung später einmal zur offiziellen Währung wird, ist dann nur noch ein technisch-bürokratischer Akt. 

Auch Donald Trumps designierter Handelsminister, Howard W. Lutnick, bisher CEO von Cantor Fitzgerald, setzt sich seit Jahren für Kryptos ein. Er bezeichnet den Bitcoin als «digitales Gold» und könnte eine freundliche Stablecoin-Regulierung unterstützen. Von ihm wird erwartet, dass er Kryptos stärker in den Binnen- und Aussenhandel einführt, was ebenfalls zum Aufschwung beitragen könnte.

In Erwartung breiterer Akzeptanz von Kryptos an den Finanzmärkten hat der tägliche Handel mit Bitcoins seit April 2023 massiv zugenommen. Das Volumen schwankt stark, läuft aber stetig nach oben. Seit August 2024 schliesst fast jeder Tag mit mindestens 500’000 Bitcoin-Transaktionen. Je liquider der Markt wird, desto weniger erratisch dürften die Preise künftig hin- und herspringen, was seinerseits dazu beitragen könnte, den Bitcoin noch fester als Mittel der Wertaufbewahrung zu etablieren.

Für die wachsende Stabilität spricht auch die durchschnittliche Mining-Schwierigkeit des Bitcoin. Sie liegt auf Rekordniveau. Dieser Indexwert gibt an, wie kompliziert es ist, einen Bitcoin-Block zu gewinnen. Jeder Block gibt dann 3,125 Bitcoins frei. Vor einigen Tagen überstieg der Wert erstmals 100. Vor einem Jahr hatte er bei etwas über der Hälfte gelegen, Mitte 2021 noch bei 14. Je teurer das Mining wird, desto schwerer wird es, den Kurs des Bitcoin durch Überflutung des Markts mit neuem Angebot nach unten zu treiben. 

Schwerer wird das Mining auch, weil die Gesamtzahl der Bitcoins immer langsamer zunimmt; die Obergrenze von 21 Millionen rückt näher. Es sind jetzt 19,886 Millionen Bitcoins im Umlauf; das sind 94,698 Prozent der maximal möglichen Zahl. Täglich kommen derzeit nur noch 900 Bitcoins dazu, während wie erwähnt eine halbe Million Transaktionen pro Tag stattfinden. Das steigert den Nachfragedruck.

Die kommenden vier Jahre unter Trump könnten den Bitcoin in ein reguliert gehandeltes Wertpapier verwandeln, das in immer mehr Transaktionen und Derivaten eine Rolle spielt. Aber das bedeutet nicht automatisch, dass der Kurs weiter steigt. Denn diese Zukunftsvision ist jetzt schon mit eingepreist. Wird sie auch nur leicht enttäuscht, könnten heftige Kursverluste die Folge sein.