Er heisst Zufferey und ist in der Öffentlichkeit praktisch unbekannt. Doch in der politischen Debatte wird der Name mehr und mehr zu einem Label wie Bonny (für Bonny-Beschluss), Hofer (für Hofer-Club) oder Friedrich (für Lex Friedrich). Der Zufferey-Bericht schlägt Revolutionäres vor: die Eidgenössische Bankenkommission (EBK), das Bundesamt für Privatversicherungen (BPV) und allenfalls weitere Gremien zu einer Superaufsichtsbehörde zu fusionieren.

Hinter dem Papier steckt ein kluger Kopf: Jean-Baptiste Zufferey, ein gebürtiger Walliser mit drei auffallenden Merkmalen – er ist vergleichsweise jung (Jahrgang 1960), hat klare Vorstellungen und ist, so Ständeratspräsident Anton Cottier, «im Gegensatz zu vielen Professoren ein Macher». Seit einem Jahr zählt der Freiburger Professor für öffentliches Recht, internationales Privatrecht, Banken- und Finanzmarktrecht zum erlauchten Kreis der Bankenaufseher.

Wie manchen Expertenpapieren drohte auch dem Zufferey-Bericht das Schicksal der stillschweigenden Schubladisierung. Auftraggeber Kaspar Villiger, der Finanzminister, wusste anfänglich nicht so recht, was er damit anfangen sollte. Doch jetzt bringen Börsencrash, Ebner-Debakel, die Krise der Privatversicherungen sowie die hitzige Debatte um den Mindestzinssatz für Pensionskassengelder Bern in Zugzwang. Eine neue Kommission unter Professor Ulrich Zimmerli versucht derzeit, Zuffereys 42 Empfehlungen in Gesetzestexte zu giessen. «Nach den Ereignissen der letzten zwei Monate ist unsere Aufgabe nicht gerade einfacher geworden», seufzt der ehemalige SVP-Ständerat. Dafür sind die Stärken und Schwächen der Aufsichtsorgane geradezu schonungslos zu Tage getreten.
Paradoxerweise hat der Kollaps von Martin Ebners BZ-Holdung die Stellung der
Bankenkommission noch gestärkt. Sie hat getan, was rechtlich möglich ist.

Paradoxerweise hat der Kollaps von Martin Ebners überschuldeter BZ-Holding die Stellung der Bankenkommission noch gestärkt. Sie hat getan, was rechtlich möglich ist. Daran ändert auch die Kritik wenig, wonach die EBK schon vor knapp einem Jahr hätte aktiv werden müssen, als die UBS Ebner den Viermilliardenkredit kündigte. «Für eine vife, bewegliche EBK hätte dies ein Signal sein sollen», moniert SP-Nationalrat Rudolf Strahm, doch jetzt müssen die Bankenwächter die Konsequenzen aus dem Debakel ziehen und die Gesetzeslücken im Insiderbereich und bei den Beteiligungsgesellschaften aufzeigen, fordert CVP-Nationalrat Felix Walker.

Allerdings hätte das Scheitern von Ebners «Visionen», die riskante Fokussierung auf wenige Firmen, wohl nicht verhindert werden können, wenn Beteiliungsgesellschaften schon heute dem Anlagefondsgesetz und damit der EBK-Aufsicht unterstellt wären, glaubt Professor Peter Forstmoser, Präsident der Expertenkommission Anlagefondsgesetz. Denn auch das revidierte Gesetz werde «keine breite Risikoverteilung» postulieren.

Tatsache ist: Die Bankenwächter haben, gewitzt durch Abacha-, LTCM- und andere Affären, ihr Instrumentarium sukzessive ausgebaut. Neuerdings operieren sie mit quasi verbindlichen Verordnungen wie jener gegen die Geldwäscherei. «Für viele Banken ist die EBK eine harte Nuss», urteilt Professor Hans Geiger, Mitglied der Zimmerli-Kommission. SVP-Nationalrat Christoph Blocher doppelt nach: «Sie ist ausserordentlich streng, eher zu streng.» Jedenfalls empfinden die Banken die Aufsicht heute als Gütesiegel für den Finanzplatz. Früher hatten sie sich gegen ethische Minimalstandards, die Gewähr für einwandfreie Geschäftsführung etwa, noch gewehrt.

Während die EBK an Prestige gewinnt, leidet die Versicherungsaufsicht unter galoppierendem Ansehensverlust. Sie hinkt der Aufsicht der Banken konzeptionell um Jahre, wenn nicht Jahrzehnte hinterher. So fehlt es an gesetzlichen Eingriffsmöglichkeiten und an einer Revisionskultur, doch die längst überfällige Revision des Versicherungsaufsichtsgesetzes ist blockiert. Spätestens seit der Kontroverse um den BVG-Mindestzinssatz ist die Autorität des BPV ruiniert. Servilität gegenüber den Versicherungen und politische Ignoranz paaren sich mit einer Bunkermentalität.

«Die Verantwortlichen haben die geltenden Transparenzbestimmungen nicht nur nicht umgesetzt, sie haben gar nicht daran gedacht, dass dies nötig wäre», kritisiert FDP-Nationalrätin Christine Egerszegi. Amtsdirektor Peter Pfund ist gleich doppelt gefordert: Einzelne Versicherungen befinden sich Schieflage, und das Amt steht unter massivem Rechtfertigungsdruck. So muss es den Filzverdacht ausräumen und die Milliardenerträge aus dem Pensionskassengeschäft eruieren, die den Versicherungen in besseren Börsenzeiten angeblich zugeflossen sind.

Gleichwohl behauptet das BPV, die Aufsicht habe sich «zum Wohle der Versicherten und im Interesse einer gesunden Versicherungswirtschaft bewährt». Die Kommission Zufferey hingegen fragte schon Ende 2000 besorgt, ob das BPV über «die erforderliche Ressourcen verfügt, um sich der Enwicklung des Marktes anzupassen und die internationale Glaubwürdigkeit bewahren zu können». Bundesrätin Ruth Metzler wurde aus dem Kreis der Kommission explizit gewarnt, die «heisse Kartoffel» BPV so rasch wie möglich auszulagern. Doch sie stellte sich taub und lief sehenden Auges ins Schlamassel.

Was niemand wahrhaben wollte: Auch bei den Pensionskassen herrscht «dringender» Handlungsbedarf. Laut Professor Geiger entwickeln sie sich in absehbarer Zeit «zum grössten Sammelbecken für die Ersparnisse von Privathaushalten». Die Aufsicht jedoch ist beschränkt, da die Kassen dem laschen Stiftungsrecht unterstehen. Der vorbestrafte Financier Werner K. Rey könnte, ein Beispiel, jederzeit eine Pensionskasse gründen – ob er die Bewilligung für eine Bank erhielte, ist eher unwahrscheinlich. Doch weder Zufferey noch Zimmerli hatten den Auftrag, dieses Problem zu prüfen. Völlig quer in der Landschaft liegt ein unveröffentlichter Bericht des Bundesamtes für Sozialversicherung (BSV). Seine brisante Forderung: Die beim BSV angesiedelte Direktaufsicht des Bundes sei zu kantonalisieren. Die grossen Sammelstiftungen würden künftig am Sitz der Versicherungsgesellschaften in Zürich, Genf oder Basel kontrolliert, was dem internationalen Trend zur Zentralisierung der Aufsichtsorgane entgegenliefe. Statt das BSV-Papier der Zimmerli-Kommission zu überweisen, beschloss der Bundesrat im März stillschweigend, eine weitere Expertenkommission einzusetzen. Das Chaos ist perfekt.

Womöglich entwickeln sich die Dinge rascher, als die Bürokratie erlaubt. In den Neunzigerjahren implodierte das legendäre Biga, heute ist die Versicherungsaufsicht reif für eine schmerzlose Übernahme durch die EBK. In einer zweiten Etappe könnten je nach Notwendigkeit die Geldwäscherei-Kontrollstelle, die BVG-Aufsicht und die Spielbankenkommission eingegliedert werden. Die Widerstände gegen ein solches Monster sind allerdings programmiert, weil die Machtballung unschweizerische Dimensionen annehmen würde. «In einem Megaamt funktioniert die Aufsicht nicht besser», warnt denn auch Christoph Blocher und verweist keck auf den tiefen Fall seines Freundes Martin Ebner: Auch ihm sei «die Grösse zum Verhängnis geworden».
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