Wasserstoff-Aktien: Worauf Anleger setzen können

Ein Freitag im Oktober im aargauischen Zofingen: An diesem Tag wird an einer Agrola-Tankstelle eine Zapfsäule für Wasserstoff eingeweiht. Sie ist zugänglich sowohl für Lastwagen als auch für Personenwagen. Es ist bis dahin erst die dritte Wasserstoff-Zapfsäule in der Schweiz. Die beiden anderen stehen in Hunzenschwil AG und St. Gallen. Wasserstoffbetriebene Fahrzeuge gibt es noch sehr wenige in der Schweiz. Bei den Personenwagen sind es einige Dutzend. Bei den Lastwagen sollen es bis Ende Jahr fünfzig sein. Hansjörg Vock ist schon jetzt mit Wasserstoff unterwegs. Er fährt einen Hyundai Nexo, der neben dem Toyota Mirai das einzige wasserstoffbetriebene Auto im Schweizer Angebot ist. Das Fahrzeug funktioniert mit einer sogenannten Brennstoffzelle, in der Wasserstoff mit Sauerstoff reagiert. Es entsteht dabei Strom, der das Auto über einen Elektromotor antreibt. Einziges Nebenprodukt einer Brennstoffzelle ist Wasser. Abgase oder CO₂ gibt es nicht. Hansjörg Vock tankt sein Wasserstoff-Auto an der neuen Zapfsäule. Er steckt eine Art Zapfpistole in den Einfüllstutzen seines Fahrzeugs. Zuerst folgt ein Druckabgleich, denn das Wasserstoff-Gas steht unter grossem Druck. Dann strömt der Wasserstoff in den Tank des Autos, bis zu einer bestimmten Maximalmenge. Das Tanken dauert nur wenige Minuten. «Dieses Auto hat keinerlei Nachteile gegenüber einem Benzin- oder Diesel-Fahrzeug», sagt Vock. «Im Gegenteil, es fährt schön ruhig.» Gegenüber einem batteriebetriebenen Elektromobil hat Vocks Fahrzeug hingegen einige Vorteile: Die Reichweite ist mit 650 Kilometern deutlich grösser und das Gewicht ist geringer. Grüner und grauer WasserstoffEs ist sogenannt grüner Wasserstoff, den es an der Zofinger Tankstelle zu haben gibt. Dieser wird mittels einer Elektrolyse gewonnen, bei der Wasser mittels Elektrizität in Wasserstoff und Sauerstoff aufgespaltet wird. Der Strom kommt dabei aus einer erneuerbaren Quelle, im Falle von Zofingen vom Wasserkraftwerk Gösgen. Grüner Wasserstoff unterscheidet sich darum von grauem Wasserstoff, der mittels Dampfreformierung unter Einsatz von Erdgas hergestellt wird und bei dessen Produktion CO₂ anfällt.Wasserstoff-Aktien Laut Experten hat grüner Wasserstoff bis in einigen Jahrzehnten ein Billionen-Potenzial. Es ist aber nicht klar, wie schnell die Branche wächst und welche Unternehmen sich durchsetzen werden. Wasserstoff-Unternehmen, die noch keinen Gewinn schreiben und zum Teil erst geringe Umsätze erzielen, werden an der Börse hochgehandelt und mit Milliarden bewertet. Man fühlt sich an die Dotcom-Blase vor zwanzig Jahren erinnert, als Internet-Startups mit vagen Geschäftsideen an der Börse hochgehandelt wurden, bis der Absturz kam. Investitionen in Wasserstoff-Aktien bieten zwar hohe Gewinnchancen, es drohen aber gleichzeitig grosse Risiken.Investment-Möglichkeiten Nikolai Motors (ISIN: US6541101050) Ballard Power (ISIN: CA0585861085) Nel ASA (ISIN: NO0010081235) Power Cell (ISIN: SE0006425815) Der Gebrauch von Wasserstoff ist eigentlich nichts Neues. Er wird er seit langem zur Entschwefelung von Treibstoffen und zur Herstellung von Ammoniak und Dünger verwendet. Die Wasserstoff-Brennstoffzelle wurde schon 1839 erfunden. Das erste Brennstoffzellen-Auto fuhr 1966. Doch erst jetzt, wo der Verkehr dekarbonisiert werden soll, sind wasserstoffbetriebene Fahrzeuge im Aufwind. Schon bald könnte eine grosse Flotte an Lkw und PW, die mit grünem Wasserstoff fährt, auf unseren Strassen unterwegs sein. Wasserstoff könnte auch sonst bald ein tragender Pfeiler der Energieversorgung sein. Werden künftig grosse Mengen elektrischen Stroms von Windkraft- und Solaranlagen produziert, so muss diese unregelmässig anfallende Energie irgendwie gespeichert werden. Die Umwandlung mittels Elektrolyse in Wasserstoff, den man aufbewahren und transportieren kann, könnte eine Lösung sein. Wird die Energie benötigt, kann man den Wasserstoff wieder in Strom umwandeln. Bei dieser Power-to-Gas-Methode geht allerdings wegen der zweimaligen Umwandlung ein grosser Teil der Energie verloren. Zudem ist sie noch sehr teuer. Förderverein gegründetHansjörg Vock fährt nicht nur ein Wasserstoff-Fahrzeug, er ist auch Vizepräsident von H2 Energy (wobei H₂ das chemische Kürzel für Wasserstoff ist). Diese Firma mit Sitz in Glattbrugg versteht sich als Business Innovator mit dem Ziel, grünen Wasserstoff und die Brennstoffzellen-Technologie zu etablieren, um so gegen den Klimawandel zu kämpfen. H2 Energy arbeitet eng mit dem Förderverein H2 Mobilität Schweiz zusammen, in dem sich sieben Tankstellen-Ketten und 14 mit Transporten befasste Unternehmen zusammengeschlossen haben, darunter Coop, Migros, Agrola, Shell und Galliker. Der Förderverein will die Wasserstoff-Mobilität in der Schweiz vorantreiben. Konkret will der Förderverein bis 2023 tausend wasserstoffbetriebene Lastwagen auf die Strasse bringen. Bis dann soll es fünfzig bis hundert Wasserstoff-Tankstellen in der Schweiz geben. Um das zu erreichen, hat H2 Energy zusammen Hyundai das Joint Venture Hyundai Hydrogen Mobility auf die Beine gestellt. Der südkoreanische Autobauer Hyundai hat die Schweiz als Testmarkt für Wasserstoff-Fahrzeuge auserkoren und liefert dabei die Lastwagen, die an die Mitglieder des Fördervereins vermietet werden. Bis Ende dieses Jahres sollen bereits fünfzig Wasserstoff-Lkw ausgeliefert sein.Fakten zum Thema 1839: In dem Jahr erfand der Brite William Robert Grove die Wasserstoff-Sauerstoff-Brennstoffzelle, die eine elektrische Spannung erzeugt.6 Wasserstoff-Tankstellen für Lastwagen und Autos sollen bis Ende dieses Jahres in der Schweiz in Betrieb sein.1000 Wasserstoff-Lkw will das Joint Venture Hyundai Hydrogen Mobility bis Ende 2023 auf die Schweizer Strassen bringen.650 Kilometer weit kommt man mit einem vollgetankten Wasserstoff-Auto des Typs Hyundai Nexo. «Wir haben im Oktober die ersten zehn Lastwagen an unsere Kunden ausgerollt und die nächsten 36 Stück sind auf dem Weg in die Schweiz», sagt Patrick Huber, CEO von H2 Energy. Man setze bewusst auf Lastwagen, um dem Wasserstoff zum Durchbruch zu verhelfen. «Brennstoffzellen-Lkw verbrauchen rund fünfzigmal mehr Wasserstoff als Personenwagen», so Huber. Seien genügend von ihnen im Einsatz, könnten Wasserstoff-Tankstellen wirtschaftlich betrieben werden. Und ein genügend dichtes Netz an Tankstellen sei die Voraussetzung, dass sich Privatleute einen Wasserstoff-PW anschafften. Wasserstoff-Lkw fahren ohne Emissionen und bezahlen darum keine Leistungsabhängige Schwerverkehrsabgabe (LSVA). «Es ist dieser Emissionsabgabe zu verdanken, dass die Schweiz als erstes Land bald über eine Wasserstoff-Lkw-Flotte verfügt», sagt Huber.Wasserstoff-Aktien: Das rät der Spezialist den Anlegern Die Bank Vontobel bietet ein Wasserstoff-Zertifikat an. Was man mit einem Investment erreichen will, müsse jedoch jeder Anleger selbst wissen. Hier gehts zum Interview mit Heiko Geiger, Zertifikate-Spezialist bei der Bank Vontobel. Auch andere Länder treiben die Wasserstoff-Mobilität voran, setzen dabei im Unterschied zur Schweiz aber meist auf Subventionen. Deutschland hat im Juni eine nationale Wasserstoffstrategie verabschiedet und will bis 2030 Erzeugungsanlagen für grünen Wasserstoff mit einer Gesamtleistung bis zu fünf Gigawatt aufbauen, was fünfmal die Leistung des AKW Gösgen ist. Das lässt sich Deutschland 7 Milliarden Euro kosten. Kurssprünge an der BörseAuch die ganze EU will zur Vorreiterin von Wasserstoff als Energieträger werden, wie die EU-Kommission im Juli bekannt gegeben hat. 2030 soll die Produktion von grünem Wasserstoff dank finanzieller Unterstützung zehn Millionen Tonnen pro Jahr betragen. Ankündigungen wie die der EU und von Deutschland haben an Börse Wirkung gezeigt und zu Kurssprüngen von Unternehmen geführt, die mit Wasserstoff und Brennstoffzellen befasst sind. Offensichtlich erwartet man an den Märkten einen Durchbruch der Technologie. Ein Bremsklotz bei der Verbreitung der Wasserstoff-Mobilität sind die hohen Kosten – sowohl für Fahrzeuge als auch für die Bereitstellung von grünem Wasserstoff. Patrick Huber von H2 Energy ist aber überzeugt, dass bald Skaleneffekte greifen, dass also die Kosten mit grösserer Produktion sinken. «Was wir brauchen, sind mehr Fahrzeuge und mehr Konkurrenz unter den Anbietern, damit ein effizienterer Markt entsteht.» Eine Studie, die vom Hydrogen Council und der Beratungsfirma McKinsey herausgegeben wurde, sorgte zudem vor kurzem für Optimismus. Demnach sollen die Kosten für die Wasserstoff-Produktion in den kommenden zehn Jahren um 50 Prozent sinken.