Nach einigen Jahren aussergewöhnlicher Performance erlebten Aktien mit Dividendenzahlung im ersten Halbjahr 2020 eine besonders schwierige Phase. Die Covid-19-Krise hat ihnen einige Rückschläge beschert.

Die schwere Beeinträchtigung der Weltwirtschaft durch die Pandemie zwang nicht nur eine Reihe von Unternehmen zu erheblichen Kürzungen ihrer Auszahlungen. Auch das Eingreifen externer Akteure verstärkte diese Bewegung über die üblichen Rezessionsphasen hinaus.

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Auf den ersten Blick könnte dieser Rückschlag für die Anleger beunruhigend sein: Seit 1926 stammen mehr als 40 Prozent der Gesamtrendite der im S&P 500 notierten Unternehmen aus Dividenden.

Auf dem Höhepunkt der Krise von Mitte März rechneten die Märkte in Europa und den USA für 2020 mit einem Rückgang von 57 Prozent beziehungsweise 35 Prozent. Seitdem sind dieselben Märkte ein wenig optimistischer geworden. Ende Juni rechneten sie lediglich mit Rückgängen von 31 Prozent beziehungsweise 5 Prozent.

Damien Weyermann, CFA, ist Lead Portfolio Manager bei Decalia Dividend Growth Fund.

Grössere Widerstandsfähigkeit

Unabhängig vom Kontext der vielfältigen und unterschiedlichen Wendepunkte bleiben die meisten Dividendenstrategien weiterhin relevant, insbesondere wenn sie langfristig verankert sind.

In der Tat bieten sie im heutigen Niedrigzins- und Niedriginflationsumfeld eine solide Alternative zu den blutarmen Renditen traditioneller Anleiheprodukte. Ihre grössere Widerstandsfähigkeit, geringere Volatilität und höhere Erträge verleihen ihnen ein attraktives risikobereinigtes Ertragsprofil.

Für Unternehmen, die die Aktionärsvergütung durch Dividendenausschüttung begünstigen, hatte die beispiellose Natur der Covid-19-Krise tatsächlich eine unverhältnismässig grosse Auswirkung. Trotz der Schwere hätte das Ereignis in einem klassischen rezessiven Kontext wahrscheinlich einen solchen Dividendenrückgang nicht gerechtfertigt.

Zusätzlich zu den Auswirkungen auf die Gewinne verzerrten jedoch auch die aussergewöhnlichen restriktiven Interventionen einer grossen Zahl von Regierungen und Regulierungsbehörden das historische Muster des Widerstands gegen höhere Dividendenrenditen erheblich.

Langjährige Ausschüttungspolitik

Im Nachhinein scheint es jedoch, dass die meisten der während der Krise angekündigten Kürzungen vor allem Unternehmen betrafen, die Liquidität nur opportunistisch zurückgaben. Das heisst ohne langjährige Ausschüttungspolitik oder nachweisliche Erfolgsbilanz.

Folglich sollten die Grundlagen von Dividendenstrategien nicht in Frage gestellt werden, auch wenn die Selektion bei den Investitionen noch nie so viel Gewicht erhielt wie heute.

Daher war es in diesem Jahr durchaus möglich, einige Enttäuschungen in den Portfolios zu vermeiden, indem man sich auf grosse Unternehmen mit gesunden Bilanzen und einer nachgewiesenen Erfolgsbilanz mit steigenden Ausschüttungen konzentrierte.

Mehr als die Quantität ist es daher die Qualität der gezahlten Dividenden, die sich als Teil einer wirksamen langfristigen Strategie durchsetzen muss.

Anlageprozess anpassen

Angesichts dieser ungewöhnlichen Krise ist es auch notwendig, den Anlageprozess für Dividendenpapiere anzupassen - insbesondere um nicht in die Falle systematischer Ausschlüsse zu geraten.

Ziel ist es nicht der automatische Ausschluss aller Unternehmen, die aufgrund externer Eingriffe gezwungen sind, ihre Dividenden in diesem Jahr zu kürzen oder zu streichen. Es ist eine flexiblere Vorgehensweise zu wählen.

Deshalb sollten - bevor sie möglicherweise ausgeschlossen werden - Fälle von «erzwungenen» Reduzierungen weiter untersucht werden. Nur so kann beurteilt werden, ob die grundlegenden Risiken des Unternehmens eine solch drastische Entscheidung gerechtfertigt hätten.

Qualitative Analyse

Daher ist eine detaillierte qualitative Analyse potenzieller Investitionen als Ergänzung zu einem rein quantitativen Ansatz von entscheidender Bedeutung. Mehr denn je hat die Unmittelbarkeit und Geschwindigkeit dieser Krise die Grenzen allzu starrer Dividendenstrategien aufgezeigt.

Die meisten von ihnen sahen sich als Geiseln vorzeitig veralteter Strukturen und waren nicht in der Lage, die Auswirkungen von Notfallmassnahmen von Unternehmen sowie Regierungen und Zentralbanken in Echtzeit einzubeziehen.

In einem solchen Kontext wird es in erster Linie darum gehen, Value Traps zu vermeiden. Das heisst jene Wertpapiere, deren reduzierte Bewertungen und nicht nachhaltige Dividenden fälschlicherweise attraktiv erscheinen.

Pandemie als Mahnung

Die Dividendenstrategien werden die gegenwärtige Krise wie in der Vergangenheit überleben. Die Pandemie sollte jedoch als Mahnung für Portfoliomanager dienen, die sich in den letzten Jahren durch grosszügigere, aber nicht nachhaltige Ausschüttungen hätten verführen lassen können.

Die Vorhersehbarkeit und Nachhaltigkeit von Dividenden sind keineswegs selbstverständlich und müssen ständig neu bewertet werden. Letztlich bleibt das Streben nach Rendite angesichts des derzeitigen Kontextes der extrem niedrigen Zinssätze stärker denn je.

Denn die tiefen Zinsen werden von Dauer sein. Paradoxerweise werden «echte» dividendenzahlende Aktien aus dieser Krise in grossem Stil hervorgehen. Die Selektion bleibt daher sowohl in Bezug auf Wertpapiere als auch auf Strategien für diese Art von Investitionen wichtiger denn je.