BILANZ: Herr Oehler, Sie waren während über zweier Jahrzehnte CVP-Nationalrat. Was ging Ihnen beim jüngsten Auftritt der ehemaligen CVP-Bundesrätin Ruth Metzler durch den Kopf?

Edgar Oehler: Das war unhaltbar. Ihre Abwahl im Dezember war ein demokratischer Entscheid. Ihre Reaktion jetzt ist unverständlich. Sie hätte besser Distanz gewonnen, statt ein Buch zu schreiben. Dieses wird voller Emotionen sein, ich kenne das aus eigener Erfahrung. Wenn Sie einen Kommentar schreiben, sollten Sie ihn nicht sofort publizieren. Sie sollten ihn besser eine Nacht liegen lassen. Ich habe als Chefredaktor der «Ostschweiz» Nationalrat Markus Ruf in einem Kommentar einmal als «70 Kilogramm Dummheit» bezeichnet. Das gab einen Riesenwirbel. Man wollte sogar meine parlamentarische Immunität aufheben. Das war wirklich ein Artikel, der emotional geladen war. Ich hatte Markus Ruf beim Heimfahren am Radio gehört, mich aufgeregt, den Kommentar geschrieben, bevor ich die Jacke ausgezogen hatte, und gleich in die Redaktion geschickt. Ruth Metzler ist jetzt noch voll geladen mit Emotionen. Da braucht es zuerst Distanz.

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Haben die Abwahl von Ruth Metzler und das Nachspiel Ihrer Partei stark geschadet?

Kommt darauf an, wie es bewältigt wird. Diskussion war in der Partei nie angesagt, wenn es um solche Dinge ging. Weil es unangenehm ist. Wahrheit tut weh.

Welche Diskussion müsste denn geführt werden?

Die CVP-Politiker sind ein bisschen in die Daumenschrauben geraten, aber da sind sie selber schuld. Die SVP geht zum Volk hinunter – die CVP sollte ebenfalls zum Volk hinuntergehen. Nehmen Sie zum Beispiel die St.-Galler Gemeinde Oberriet. Das war eine CVP-Hochburg. Dann wurde die SVP mit Abstand die grösste Partei. Das wurde als «rechtsextrem» gebrandmarkt. Ich sagte dann immer: Gopfertoori, die Leute sind doch nicht innerhalb von vier Jahren rechtsextrem geworden. Die sind einfach nicht mehr zufrieden mit eurer CVP-Politik. Büezer, Bauern, Hüslibauer werden doch nicht einfach rechtsextrem.

Sie waren in der Partei aktiv, als diese noch eine starke Kraft war. Wie kam es zum Niedergang?

Wir waren seinerzeit eine verschworene Bande. Ob linker oder rechter Flügel: Man hat sich immer auf etwas geeinigt. Heute erscheint mir die Partei als Hühnerhaufen. Wenn ich heute bestimmte Leute anschaue und denke, das sollten unsere führenden politischen Köpfe sein, dann greife ich mir an den Kopf.

Arbonia-Forster-CEO und -Mehrheitsaktionär
Edgar Oehler über seine Karrieren in Politik und Wirtschaft, über seine Lust am permanenten Bauen sowie über Metzler, Saddam und Porsche.

Welches Programm braucht die Partei für den Erfolg?

Ich habe nie Parteiprogramme gelesen. Ich habe einfach getan, was ich für richtig hielt. Punkto Ausländerpolitik wäre ich grosszügig, sonst generell aggressiver. Ich würde denen ein bisschen mehr Dampf machen.

Reicht das?

Das reicht. Ein Parteiprogramm interessiert die Leute doch nicht. In Amerika gehen die Kandidaten zu den Leuten und stehen Red und Antwort. Die ziehen mit der Musik auf einem Wagen durch die Dörfer. Da sieht der Kandidat sofort, ob die Leute mitgehen.

Wo sind bei der CVP die Leitfiguren?

Bei der CVP ist es wie auf einem Spargelfeld – wir haben ja gerade Spargelzeit. Kommt einer hoch, wird er gleich geköpft. Kommt der Nächste, wird auch er geköpft. Man tut dies aus Angst: vor den anderen, vor der Auseinandersetzung, vor dem Gespräch. Das bringt nichts. In welchem Land und in welcher Partei auch immer – überall gibt es Leitfiguren.

Und wenn die Partei in höchster Not anfragen würde, ob Sie wieder in den Ring steigen wollten?

Ich würde Nein sagen. Ich sagte gestern Abend zur Familie, dass ich in drei Jahren 65 werde. Ich habe einen Plan: Ich werde dann in China entweder den Spatenstich für eine Fabrik ausführen oder bereits die neue Fabrik eröffnen.

Sie waren lange Chefredaktor der «Ostschweiz». Damals hat man Ihnen vorgeworfen, Sie vermischten Politik und Wirtschaft.

Natürlich habe ich das getan. Es gab drei politische Zeitungen in St. Gallen: Das «Tagblatt» war freisinnig, die AZ sozialdemokratisch und die «Ostschweiz» christdemokratisch. Darum bin ich auch Chefredaktor geworden. Diese Zeit ist aber vorbei …

… und die Zeitung gibt es auch nicht mehr.

Im Frühling 1995 wollte man die «Ostschweiz» schon mal ans «Tagblatt» verkaufen. Da habe ich das Angebot gemacht, dass ich sie kaufen wolle. Nein, sagte man mir, dann hast du als Chefredaktor, Nationalrat, Inhaber der Zeitung und Unternehmer zu viel Macht im Kanton.

Wer sagte das?

Das kann ich nicht verraten, die Leute leben noch.

Politiker aus Ihrer Partei?

Nur die konnten es wissen. Ich hab gesagt, ich mache ein öffentliches Angebot, das Geld ist deponiert in einer Bank. Ich verfügte damals über einige flüssige Mittel. Dann ging es immer schlechter mit den Medien. Später sind sie zu mir gekommen und haben gefragt: Hast du dein Geld noch? Jetzt wollen wir verkaufen. Da sagte ich: Jetzt hab ich Immobilien für 30 Millionen Franken gebaut und erworben. Jetzt ist es zu spät.

Hätten Sie die Zeitung durchgebracht?

Die Frage habe ich mir auch schon gestellt, und ich stelle sie mir immer wieder. Ich gebe Ihnen jetzt eine Antwort, die im Militär verpönt wäre: eher nein. Es wäre ein Risiko gewesen, aber ich hätte es finanziell verkraftet.

Sind Sie noch Grossaktionär beim FC St. Gallen?

Ja.

Und das läuft gut?

Die Firma hat das gemacht, weil ich sah, dass der FC St. Gallen nicht vom Fleck kam. Fünf Millionen als Kapital mit Agio. Ich habe gedacht, gopf nomol, wir sind gebrannte Kinder vom FC Wil. Jetzt musste ich etwas unternehmen. Sie sind zu mir gekommen, ich solle zeichnen. Ich sagte: Einverstanden, aber ihr müsst noch zu dem, zu dem und zu dem. Nach ein paar Tagen kamen sie wieder, und dann habe ich gezeichnet. Ich buche das unter Brot und Spiele ab. Das ist kein Geschäft. Was der FC Basel in Basel ist, Servette in Genf und so weiter, das ist der FC St. Gallen für unsere Region. Da haben wir von der Wirtschaft eine Verpflichtung. Während der EM ist hier in meinem Betrieb ein Fernsehstudio eingerichtet, dann wird eine Leinwand aufgestellt, und die Fahnen der Mannschaften werden aufgezogen. Ich schaue gerne Fussball, die Büezer auch.

Während der Arbeitszeit?

Zuerst wird natürlich ausgestempelt. Es gibt keinen Missbrauch, und es gibt auch keinen Alkohol. Fussball schauen zu dürfen, gibt der Belegschaft einen Motivationsschub.

Wie haben Sie Patron Jakob Züllig erlebt, als Sie bei Arbonia-Forster einstiegen?

Er hat als Metzgermeister aus nichts eine Superfirma aufgebaut. Angeblich hatte er ein gestörtes Verhältnis zu Akademikern und Obersten. Dabei war genau das Gegenteil der Fall. Allerdings mochte er Akademiker nicht, die klugköpfig auftreten und belehrend sind. Er war ein Motivator und eine herausragende Figur. Aber er konnte lange nicht ausbrechen aus der Region und aus der Schweiz. Ausbruch heisst für mich, dass man auch im Ausland Betriebe hat. Jakob Züllig wollte das zu meinen Zeiten nicht. Das war der Grund, weshalb ich mit ihm nicht mehr zugange kam und wir uns trennten.

Sie sind ja auch Oberst und Akademiker.

Ich war beides, Oberst und Akademiker, und ich wollte unternehmerisch aus der Schweiz ausbrechen. Wir haben ganz intensiv miteinander gesprochen. Ich habe ihn aber immer geachtet, Sie haben von mir über ihn nie ein böses Wort gelesen oder gehört. Später bin ich zu ihm gegangen. Ich stehe vor der Tür und strecke ihm die Hand entgegen. Er sagt: So einen Mist habe ich noch nie gemacht.

Wollte er sich entschuldigen? Wofür denn?

Dafür, dass er mich nicht hat machen lassen. Da sagte ich: Du, das ist Schnee von gestern. Er: Du hast Engländer und Amerikaner hier gehabt, hast mit ihnen in ihrer Sprache gesprochen. Er meinte, ich hätte sehr lange mit denen geredet – und dann alles in zwei Minuten übersetzt. Er habe nie verstanden, was ich mit ihnen wirklich besprochen hätte, und sei misstrauisch geworden. Ich wollte nach Frankreich expandieren, nach Amerika. Ich ging in Amerika zur Schule, in Japan, bin immer rund um die Welt gedonnert. Das prägt halt.

Sie selber haben ja auch einen gewaltigen mentalen Sprung aus einer Malerfamilie heraus gemacht.

An sich hätte ich Maler werden müssen. So wollte es mein Vater. Der Lehrer an der Sekundarschule in Widnau sagte mir, ich solle mehr werden als Maler. Ich sagte ihm, dass ich halt Maler werden müsse, weil das Geschäft schon da sei. Der Lehrer ging zu meinem Vater und erklärte ihm, ich solle die Matura machen. Der Vater meinte, das sei schade, dann müsse halt eine der Töchter Malerin werden. Aber er hat innert Minuten zugestimmt, und ich durfte ans Gymnasium.

Das spricht für Ihren Vater.

Mein Vater war immer sehr grosszügig. Aber wir hatten natürlich ein besonderes Verhältnis. Ich hatte ja sechs Schwestern, wir waren in der Familie also zwei gegen sieben. Dann habe ich die Übergangsklasse gemacht fürs Gymnasium – dort hat es mir dann aber rasch gestunken. Dann war ein Stipendium für die USA ausgeschrieben, und ich hab die Prüfung bestanden. Vater meinte, wenn du nach Amerika willst, dann gehst du. Ich war dann ein Jahr in Amerika, habe die Highschool gemacht, bin zurückgekommen und habe die Matura bestanden.

Was war Ihre Ambition: Politiker, Journalist, Unternehmer? Wir sehen keinen roten Faden.

Ich habe neben diesen Tätigkeiten auch immer Häuser gebaut. Ich habe noch heute immer irgendwo eine Baustelle. Ursprünglich wollte ich Diplomat werden, und ich habe an der HSG öffentliche Verwaltung studiert. Dann habe ich realisiert, dass ich Beamter irgendwo im Ausland geworden wäre – und ich bin kein Beamtentyp. Also hörte ich auf und wechselte die Studienrichtung. Aber ich habe immer gebaut, egal, wo ich war. Deshalb hatte ich als Student ein Gipsergeschäft. Gleichzeitig faszinierte mich die Politik. Das ergibt sich einfach, wenn man einmal John F. Kennedy im Garten des Weissen Hauses getroffen hat. Wenn Sie rund um die Welt kommen, dann interessiert Sie Politik. Dann habe ich schliesslich beides gemacht: Politik und Wirtschaft.

Warum ging Jakob Züllig seinerzeit mit Arbonia-Forster an die Börse?

Er hat einfach zu viel getan. Mal beteiligte er sich an dieser Firma, mal an jener – kreuz und quer. Das mussten wir straffen und in eine saubere Struktur bringen. Die Börse war irgendwie ein Wunsch von ihm. Eines Tages kam er und sagte: Jetzt machen wir einen Börsengang. Ich fand das noch originell. Das war für mich auch ein Lehrstück.

Und wie hat Sie Züllig an der Firma beteiligt?

Als ich in die Arbonia-Forster kam, sagte er: Irgendwann kannst du dich mal beteiligen, Agio will ich dann keines. Nach sechs Wochen sagte er: Du, ich sagte doch einmal, du könnest dich beteiligen. – Ja. – Machst du mit? – Ja, mit einer halben Million. – Gut, aber Agio will ich nicht. Ich habe dann einen Spaziergang am See gemacht und überlegt. Ich kannte die Bücher, ich kannte die Firma, ich kannte den Markt. Um halb drei bin ich zurückgekommen und habe ihm gesagt: Köbi, ich habe es mir nochmals überlegt wegen der Beteiligung. Er wurde grau im Gesicht und senkte die Augen. Ich sagte, ich hätte es mir überlegt, ich würde mehr nehmen. Er habe schon am Vormittag gedacht, antwortete er, ich sei doch ein «huere Chlüpperlisack». Ich nannte dann eine um einiges höhere Summe. Er sagte: Ist gut. Punkt. Der Fall war erledigt.

Hatten Sie denn damals schon so viel Flüssiges?

Bei der «Ostschweiz» habe ich als Chefredaktor vor dem Austritt 8200 Franken verdient, als ich begann, 4000. Aber ich hab ja immer gegipst daneben. Und Häuser gebaut. Nie spekuliert, nur gebaut. Und so habe ich mir das Geld zusammengschüüfelet. Ich habe gut gelebt. Als Assistent habe ich mir einen Porsche geleistet.

Wieso einen Porsche?

Es ist doch der Traum von jedem, einen Porsche zu haben. Meiner war blutorange. Dazu hatte ich drei Doppelkabinen-VW-Busse, das war die Flotte meiner Gipserei.

Wie haben die konservativen Rheintaler reagiert?

Ich bin immer mit dem Porsche bei Wahlveranstaltungen vor die Beiz gefahren, und die haben das akzeptiert. Ich habe ja nichts zu verbergen, und ich finde es ehrlicher so. Es gibt in St. Gallen Politiker, die stellen ihr Auto einen Kilometer vorher ab und kommen mit dem Velo vor die Beiz. Wenn ich das so machen müsste, dann würde ich auf den Erfolg verzichten.

Was bedeutet Ihnen der Porsche?

Es ist einfach ein tolles Auto. Ich bin manchmal nach Arosa gefahren. Wenn ich oben war, war mir schlecht. Ich habe früher vom Café Seeger in St. Gallen nach Balgach ohne Autobahn 16 Minuten gebraucht. Heute habe ich mit Autobahn 35. Wegen der Geschwindigkeitsbeschränkungen. Porsche ist für mich heute noch der Ausdruck eines sportlichen Autos.

Warum ist eigentlich Ernst Müller-Möhl bei Arbonia eingestiegen?

Jakob Züllig wollte immer Saurer kaufen – Arboner Connection eben. Einmal kamen Sasea-Leute zu ihm und erklärten, wie man Saurer kaufen könnte. Ich sagte ihm, dass das «huere Glünggi» seien, stand auf und ging. Die wollten nur, dass Jakob Züllig seine Aktien hinterlegt, um Saurer zu kaufen, und damit kaputt geht. Müller-Möhl hingegen war ein fanatischer Thurgauer. Und er hatte den Weitblick. Das war der Hintergrund.

Züllig begrüsste das Engagement?

Am Anfang, ja. Am Schluss hat er sich damit nicht mehr so beschäftigt. Er hatte immer noch seine Mehrheit. Ernst Müller-Möhl wollte im Jahr 2000 in den Verwaltungsrat. Da war Köbi schon gestorben.

Und Carolina Müller-Möhl. Kennen Sie sie?

Jawohl. Als ich die Aktienmehrheit an Arbonia übernommen hatte, rief ich sie an. Sie war ja die zweitgrösste Aktionärin. Ich habe sie nicht erwischt und deshalb auf die Combox geredet. Dann haben wir uns noch in derselben Woche getroffen, bei ihr im Büro. Sie hat zuerst lange lamentiert übers Bisherige. Ich habe ihr dann gesagt, dass ich nichts dafür könne, dass sie aber seit meinem Einstieg in einer Woche schon viele Millionen verdient habe. Da war sie zunächst ruhig, hat dann aber wieder zu lamentieren angefangen. Ich sagte ihr, dass ich der falsche Adressat sei. Ich wolle etwas Neues machen. Eine Woche später hat sie ihr Arbonia-Aktienpaket verkauft.

Auf Grund dieser Begegnung?

Ich hatte andere Ziele, als mir sagen zu lassen, was ich zu tun habe. Ich wollte das Unternehmen vergrössern und stärken. Sie hatte Recht, das Unternehmen war schlecht geführt worden. Darum sagte ich ihr auch, das sei vorbei, Schnee von gestern. Sie wollte eine Prognose für den Kurswert in zwei Jahren hören. Das könne ich ihr genau sagen, antwortete ich: zwischen einem Franken und zwei Milliarden. Kurse kann doch niemand voraussagen! Da wurde sie granatig wütend. Sie hatte das Gefühl, dass ich sie nicht ernst nahm.

Sie sind VR-Präsident und operativer Chef. Kein Konflikt mit der Corporate Governance?

Kein Problem. Ich habe Verwaltungsräte. Da bin nicht nur ich. Ich habe keine Einzelunterschrift. Seit ich dabei bin, haben alle nur profitiert, und sie werden weiter profitieren. Eine solche Firma braucht jemanden, der bestimmen kann. Wenn Sie den Jahresbericht anschauen, dann sehen Sie, dass das Management 985 Aktien hat. Ich lasse mir doch als Mehrheitsaktionär, der sehr viel Geld ins Unternehmen gepumpt hat, nicht sagen, was ich zu tun habe.

Würden Sie es begrüssen, wenn das Management sich mehr engagieren würde?

Finanziell, ja. Hoffentlich. Man kann nicht nur holen in einer Firma. Das finde ich unhaltbar. Man muss auch etwas bringen. Ich habe nicht umsonst das oberste Management und den Verwaltungsrat ein bisschen reorganisiert. Die müssen einfach etwas bringen. Wenn schon nicht finanziell, dann wenigstens mental. Nicht umsonst habe ich zwei Mitglieder freigestellt. Ein Berater hatte in zwei Jahren fast 1,5 Millionen bezogen. Ohne Verantwortung. Ein anderer hat nur Chaos angerichtet. Ich bat ihn aufzustehen und sagte ihm: Sobald Sie sich gesetzt haben, sind Sie nicht mehr Verkaufsleiter.

Sie haben dann Arbonia-Forster von der Witwe Züllig übernommen. Und jetzt haben Sie Piatti und EgoKiefer gekauft. Welches ist Ihre Strategie?

Als ich hierher kam, setze ich Prioritäten: Küche, Kühlen, interne Kommunikation und Personalwesen. Bei den Küchen sagte ich: Ihr verkauft so wenig Küchen, das ist Folge einer falschen Strategie. Entweder wir verkaufen mehr, oder wir schliessen. Da kam Piatti ins Gespräch. Ich machte eine gute, überlegte Offerte. Jetzt sind wir von der Nummer sieben zur Nummer eins geworden mit 20 Prozent Marktanteil. Das ist schon eine Chance, die man packen muss.

Alles aus Eigenmitteln?

Wir haben die Küchenfirma gekauft. Die Bank habe ich danach informiert. Wenn ich nicht gekauft hätte, hätte die Arbonia-Forster in spätestens zwei Jahren schuldenfrei sein können.

Warum arbeiten Sie – Sie könnten ja schon lange das Nichtstun geniessen?

Ich habe in Florida ein schönes Haus am Meer. Aber ich habe immer gesagt: Wenn Sie die Gelegenheit haben, etwas zu tun für die Wirtschaft und für neue Arbeitsplätze, dann müssen Sie es tun. Man hat die Möglichkeit, die Mehrheit eines börsenkotierten Unternehmens zu kaufen, man ist überzeugt von den Produkten, man hat das Unternehmen geführt, man kann mehr daraus machen, und man kann es sich leisten. Wenn eine solche Chance kommt, dann finde ich es schon dem lieben Gott den Tag gestohlen, wenn Sie es nicht packen.

Haben Sie sich schon Gedanken über Ihre Nachfolge gemacht?

Ich hatte mir einst fünf Jahre gegeben, um diese Frage zu regeln. Nun aber, da das Unternehmen viel grösser ist, brauche ich einen ganz anderen Menschen, der mehr kann als das, was ich ursprünglich wollte. Irgendwann möchte ich mich aber in dieser Firma vom Tagesgeschäft lösen und dann noch eine bestimmte Zeit Präsident bleiben. Ich kann heute noch nicht darauf bauen, dass eine meiner vier Töchter das tun kann – und tun will. Es wird nach heutigem Stand eine familienfremde Lösung geben.

Ihre Adoptivtöchter stammen alle aus Sri Lanka.

Wir waren früher viel im Fernen Osten. Einmal besuchte ich mit meiner Frau in Kambodscha bei den Roten Khmer ein Flüchtlingslager. Da wurde uns auch ein Kinderheim gezeigt. Darauf haben wir die vier Töchter adoptiert.

Zufall, dass es vier Mädchen waren?

Nein, ich fand einfach, Meitli hätten es einfacher bei der Integration.

Und: Sind sie integriert?

Am Anfang war es sehr schwierig, am schwierigsten im Kindergarten. Da sind sie am meisten ausgenützt worden. Am angenehmsten hatten sie es in Amerika. Sie sind dort während vier Jahren im Winter zur Schule gegangen.

Sie haben Saddam Hussein getroffen, als Sie mit SP-Politiker Jean Ziegler und Wirtschaftsprofessor Franz Jaeger nach Bagdad reisten, um Schweizer Geiseln zu befreien. Wie sehen Sie die heutige Situation im Irak?

Mich überrascht die ganze Entwicklung nicht. Ein Beispiel: Der Swissair-Chef in Bagdad war ein Iraker, verheiratet, zwei Kinder. Mit dem haben wir viel gesprochen. Er hatte es schön, guten Lohn, Familie. Ich fragte ihn: Wenn der Chef ruft, gehst du dann? – Ja. – Und was machst du dann? – Das Land verteidigen. – Und die Familie? – Die lasse ich im Stich. Ich habe das damals nicht begriffen. Wenn ich aber heute sehe, was geht, dann überrascht mich der Widerstand nicht. Und wenn Sie damals in den Gassen von Bagdad waren, wissen Sie auch, dass diese Stadt militärisch nicht einzunehmen ist.

Was haben Sie empfunden, als Sie Saddam gegenüberstanden?

Er sprach arabisch. Er fragte, ob wir das gerecht fänden, dass die Palästinenser seit 40, 50 Jahren in Lagern leben müssten. Da hab ich nichts gesagt. Ob es gerecht sei, dass der Scheich von Kuwait etwa 60 Milliarden Dollar habe. Ich sagte: Rich Man. Ob ich es gerecht fände, dass der Scheich 60 Frauen habe. Da sagte ich: Poor Man. Ich hab das locker genommen. Am Schluss sagte er: Ich will Israel zerstören. Und der letzte Satz war: Ich werde der Welt etwas antun, das sie nie vergessen wird. Das ist mir dann nach dem 11. September in den Sinn gekommen.

Haben Sie wirklich das Gefühl, Saddam habe mit dem 11. September etwas zu tun?

Der hockt so da, stolz, und sagt Ihnen so etwas ins Gesicht. Das fällt Ihnen unweigerlich wieder ein.

Hatten Sie bei Ihrer «Operation Kalif» Unterstützung vom Bund?

Die sind nicht mal gekommen, nachdem die Geiseln in der Swissair-Halle angekommen waren. Hunderte von Leuten waren da, doch niemand von der offiziellen Schweiz. Wenn heute hingegen ein Drogenhändler kommt, dann gehen sie ihn abholen.

Ein unvergessliches Erlebnis?

Eines von vielen. Ich handelte in meiner politisch aktiven Zeit immer nach dem Motto «Nicht nachquatschen, sondern erleben». Im Jom-Kippur-Krieg war ich in Ägypten, während der Soweto-Aufstände in Soweto, im Vietnam-Krieg in Bien Hoa und in Hue. In Kambodscha und Laos war ich bei den Roten Khmer, danach in Kuba, als es knallte, und dann in Nicaragua und Chile.

Und was haben Sie da gemacht?

Alle Politiker in der Schweiz reden so gescheit, was man in solchen Situationen machen müsse – keiner aber war je da. Die lesen Zeitung und hören Radio und gehen dann politisieren. Niemand wusste, wo Soweto war. Und was der Jom-Kippur-Krieg bedeutete. Oder Vietnam.

Aber konkret: Als Sie nach Chile gingen, wo sind Sie da hin, was haben Sie da gemacht?

Der grosse Vorteil war, dass meine zweitälteste Schwester, die im konsularischen Dienst stand, mit ihrem Mann dort war. Die beiden haben mir gezeigt, was da abging. Sie müssen ja immer einen Anschlusspunkt haben. Das habe ich immer gehabt. In Bien Hoa habe ich einen Helikopter bekommen, mit dem ich ins Vietcong-Gebiet eingeflogen wurde. Das hatte ich zuvor so organisiert.

Als was sehen Sie sich: als Journalist, Politiker, Unternehmer oder als Rheintaler?

Ein bisschen als alles. Aber jetzt mache ich etwas Unternehmerisches, jetzt bin ich in der Wirtschaft tätig. Manchmal vermisse ich es, dass ich nicht mehr schreibe. Und manchmal denke ich sogar, ich hätte in der Politik mehr leisten können, wenn ich später in den Nationalrat gekommen wäre, als ich gekommen bin. Aber das kann man nicht wählen. Man kann nicht sagen: Ich will erst in vier Jahren gewählt werden.

Sie sind jetzt der grösste Küchenbauer der Schweiz. Ihre eigene Küche zu Hause kostet 150 000 Franken. Was macht eine Küche in dieser Preisklasse besser als eine, die 20 000 Franken kostet? Das Essen wird ja kaum besser.

Nein, das Essen wird nicht besser. Ich beschreibe Ihnen meine Küche. Man kommt hinein, da ist zuerst ein Side-by-side-Kühlschrank. Kostet 10 000. Unten ist eine Schublade mit einer Küchenmaschine. Dann haben Sie eine Brotmaschine, auf Knopfdruck kommt sie heraus. Oben ist ein Fernsehapparat, den man ausfahren und abdrehen lassen kann. Gegenüber sind ein Spülbecken, die Kaffeemaschine, und dann kommt ein 90 Zentimeter breiter Gaggenau-Mikrowellenofen, darunter ein ebenso breiter Multibackofen mit allem Drum und Dran. Der allein kostet etwa 20 000. Dann öffnen Sie einen Schrank – der ist begehbar – fürs Geschirr. Dann hat es einen Spiegelschrank, darunter zwei Tagesweinkeller und den Geschirrspüler. Daneben kommen der Trash-Compacter, eine Bar, ein Induktionsherd. Dahinter alle Einstellmöglichkeiten für die B&O-Anlage, auf der Seite ein Steamer und dahinter ein Abzug. Überall Granit, und allein die Griffe haben einige Franken gekostet. Das Elektrische ist in diesen 150 000 nicht dabei. Das hat mehr gekostet als bei einem Zweifamilienhaus. Ist alles vollautomatisch. Das summiert sich gewaltig – es hat einfach alle Schikanen.

Da kocht der Hausherr noch selber?

Ich selber mag nicht in der Küche essen. Aber ich habe gedacht: vier Meitli – hoffentlich kochen die dann mal miteinander. Das ist etwas, bei dem sie sich näher kommen können. Und es funktioniert super. Dann haben wir zwei Esszimmer. Die sind so ausgerichtet, dass ich von meinem Stuhl aus auch fernsehen kann.