Konzernleiter und -eigentümer Michael Ringier verbrachte die Neujahrstage auf Mauritius. Er hat für den kommenden Sturm Kräfte getankt. Für das grösste Schweizer Medienhaus – nicht börsenkotiert, mit mehr als 4400 Mitarbeitern und erstmals über einer Milliarde Franken Umsatz – sind die nächsten Wochen entscheidend. Bei Ringier trifft sich zum zweitletzten Mal eine interne Strategiegruppe. Sie stellt sich die gleichsam philosophischen Fragen: Was sind wir? Wohin wollen wir? Wie kommen wir dahin?
In der als «Konzernleitung Plus» bezeichneten Task-Force sind sieben Köpfe vereint: Verwaltungsratspräsident Uli Sigg, Michael Ringier, die Konzernleitungsmitglieder Martin Kall, Martin Werfeli und Beat Lauber, Asien- und Entwicklungschef Thomas Trüb und Chefpublizist Frank A. Meyer. Die Strategen sind mit ihrem Denkprozess nicht allein. Albrecht von Müllers Firma Think Tools unterstützt mit ihrer Software die Entscheidungsfindung der Gruppe. Pikant ist, dass die Finanzredaktion der Ringier-Wirtschaftszeitung «Cash» zur selben Zeit Albrecht von Müller, dessen Referenzen und Unternehmen hart kritisiert. Doch der im vergangenen Herbst gestartete Think-Tank lässt sich von den journalistischen Minenlegern im eigenen Haus nicht beirren. Nicht nur die Unternehmensstrategie bis zum Jahr 2005 will festgelegt sein. Es gilt ein Problem zu lösen.
Ringier ist ein Unternehmen, das in den letzten zehn Jahren – mit einem Überfluss an Ideen und einer durch Chefpublizist Frank A. Meyer kontrollierten Kreativität – einem Zickzackkurs gefolgt ist. Mal berichtet der News-Ticker von Akquisitionen im Osten, mal von Übernahmen in der Schweiz. Gekauft hat das Haus im vergangenen Jahr beispielsweise: 49 Prozent Springer-Anteil am Ringier-Geschäft in Tschechien für gegen 60 Millionen Franken, die Marquard-Blätter in Ungarn für geschätzte 20 Millionen Franken, zusätzliche 50 Prozent der Finanzplattform Borsalino für 17 Millionen Franken, 50 Prozent der privaten TV-Gesellschaft SAT.1 Schweiz AG für geschätzte acht Millionen Franken (wirksam bereits in der Rechnungsperiode 1999), zwei Rollenoffset-Druckmaschinen in Zofingen für rund 60 Millionen Franken.
Die Gelegenheiten beim Schopf packen, heisst und hiess Ringiers Programm. Das führt zwar zu spannenden Situationen und gipfelt in der Aussage von glücklichen Mitarbeitern, dass in diesem Haus alles möglich sei, zeitigt aber auch eine negative Konsequenz: Am Ende des Jahres weiss niemand mehr so recht, ob die Firma mit den drei Ringen nun ein Verleger mit Druckereien, ein europäisches, ein globales oder ein rein schweizerisches Gebilde sein möchte – oder alles gleichzeitig und gleich stark. Michael Ringier ist sich dieser Problematik bewusst. Deshalb versucht er zu klären: «Wir als Familienunternehmen machen weiter wie bisher. Wir sind stark im Zeitschriften-, im Wirtschaftsmedien-, im Boulevard- und im Tageszeitungsbereich. Wir werden uns nur geografisch und unternehmerisch weiterentwickeln.» Damit sagt er das eine, meint aber auch das andere. Stabilität und Flexibilität in einem. Tradition trifft auf Aufbruch. Wie und wohin soll das gehen?

Expansionswunsch und Verschuldung
Michael Ringier denkt, wenn das Gespräch das Thema Weiterentwicklung erreicht, vor allem international. 15 Prozent des Umsatzes bestreitet sein Haus mit Geschäften im Ausland, auf einem Terrain, das Heinrich Oswald unter Firmeninhaber Hans Ringier in den Siebzigerjahren mit ersten Expansionen bereitet hat. Mal war es mehr (USA-Druckereigeschäft), mal weniger. Hans Ringiers jüngster Sohn, Michael Ringier, Befürworter eines Schweizer EU-Anschlusses, möchte nun den Auslandanteil auf über 50 Prozent hochfahren. Ringier nimmt heute in Europa unter den Medienhäusern umsatzmässig ungefähr den 35. Rang ein. Allein in Deutschland sind 20 Unternehmen in der Medienbranche aktiv, die grösser sind als die Schweizer. Ringier ist in Europa im Grunde genommen ein KMU, das im Ausland einer ausgeprägten Nischenpolitik folgt und das jetzt den Wunsch hat, ein Grosser zu werden. Das kommt einem Kraftakt gleich.
Ausserdem beginnt sich bei Ringier eine Schere zu öffnen: Dem Verlangen nach überdurchschnittlichem Wachstum im Ausland steht die Tatsache gegenüber, dass sich der Konzern verschuldet. Eine Tradition des Zofinger Familienunternehmens besagt: «Wir geben nur aus, was wir verdient haben.» Sie ist ausser Kraft gesetzt. Im Jahr 2000 hat der Konzern erstmals mehr investiert, als er verdient hat. Ringier kann es noch verschmerzen. Die bisher nie offen gelegte Eigenkapitaldecke sei «hoch», sagt Martin Werfeli, der als COO auch für die Finanzen zuständig ist.
Erfreulich entwickeln sich die publizierten finanziellen Kennzahlen. Da das Geschäft mit den Rubriken im Anzeigenbereich gewollt fehlt, spürt Ringier die konjunkturell schlechten Zeiten weniger stark als die Konkurrenz, profitiert allerdings auch weniger ausgeprägt von der derzeit guten Konjunktur. Der Reingewinn wächst zwar (1999: 40,4 Millionen Franken, 2000: geschätzte 50 Millionen), doch waren die Ergebnisse bisher stets geringer als jene, die beispielsweise die Tamedia auswies, das Medienhaus mit dem «Tages-Anzeiger» (Nettogewinn 1999: 137 Millionen Franken).
947 Millionen Franken Umsatz präsentierte Ringier 1999. Im Jahr 2000 werden es voraussichtlich und erstmals knapp über eine Milliarde Franken sein. Michael Ringier kommentiert die Zahlen trocken: «Vor drei Jahren habe ich uns für die damaligen Verhältnisse ehrgeizige, finanzielle Ziele gesetzt. Wir wollten einen Reingewinn, der fünf Prozent des Umsatzes ausmacht, und einen Cashflow von zwölf Prozent. Jetzt stehen wir bei fünf Prozent Reingewinn und über elf Prozent Cashflow. Das ist nicht schlecht – was meinen Sie?»
Die Antwort lautet: Die Resultate entsprechen zwar noch nicht der europäischen Spitzenklasse, aber sie sind auch nicht mehr derart unbefriedigend wie vor vier, fünf Jahren. Vor allem widerspiegeln sie einen Trend. Damit kann sich CFO Martin Werfeli einverstanden erklären: «Wir haben gewaltige Fortschritte gemacht und sind bei den Leuten. Wir stehen mit unserer Rendite bedeutend besser da als beispielsweise Bertelsmann, können uns jedoch natürlich nicht mit Schweizer Regionalzeitungen vergleichen, die sich in einem anderen Geschäftsfeld bewegen. Bei all dem wissen wir, dass wir noch Entwicklungspotenzial haben.»

Der Konzern lebt vom «Blick»
Ringier ist in der Tat nicht am Ende der Fahnenstange angelangt. Der Konzern produziert ziemlich genau ein Viertel seines Umsatzes und beinahe die Hälfte seines Nettogewinns mit dem Zeitungsbereich («Blick», «Sonntags-Blick» und «Cash»). Die Wirtschaftszeitung «Cash» trägt jedoch mit dem Break-even nicht eben viel zum Ergebnis bei, und die «Blick»-Gruppe (30 Millionen Gewinn) wirft heute 40 Prozent weniger Gewinn ab als noch vor zehn Jahren, als die Resultate geradezu paradiesisch waren. Vor allem beim kostenintensiven «Cash» scheinen Reserven vorhanden, die jedoch nicht auf Kosten des Inhaltes ausgeschöpft werden dürfen.
Die Zeitschriften besetzen ungefähr ein Fünftel des Umsatzes und tun mit der «Schweizer Illustrierten» überdurchschnittlich viel für den Konzerngewinn (gegen 40 Prozent Anteil). Es fehlen indes noch weitere Paradeprodukte, die das Ergebnis und die Gattung Zeitschriften stärken könnten.
Nicht zu verachten ist der Druckbereich, der seit drei Jahren in das Einzelunternehmen Ringier Print Holding ausgelagert ist (Standorte Zofingen, Adligenswil, Rotkreuz), 20 Prozent des Konzernumsatzes bestreitet und trotz wiederkehrenden Gerüchten zur Gesamtfirma gehört, wie das Amen in der Kirche. «Ein Verkauf der Druckereien steht nicht zur Debatte», sagt Martin Werfeli. Die 900 Arbeitsplätze an der Firmengeburtsstätte in Zofingen gelten als unantastbar. Höchstens Allianzen mit anderen Druckern sind möglich, wahrscheinlicher bleibt der Alleingang.
Den beschreitet Ringier derzeit in seinen Auslandgeschäften. Der Umsatzanteil von Verlag Europa und Ringier Asien ist bekannt, die Tendenz steigend. Der Bereich Europa unter Konzernleitungsmitglied Martin Kall schreibt in der Slowakei, in Tschechien, Ungarn und Rumänien seit fünf Monaten erstmals schwarze Zahlen. Kall und sein Team haben den Turnaround mit einer aggressiven Politik geschafft, doch noch immer hat Ringier in Osteuropa in den letzten zehn Jahren weit mehr ausgegeben als eingenommen. Zudem sorgen die Wechselkurse dafür, dass die Gewinne in Schweizerfranken bescheiden bleiben. Warten auf weniger Inflation und zunehmende Konsumlust in den osteuropäischen Ländern heisst die Devise.
Äusserst interessant ist Ringiers belächeltes Nebengeschäft Betty Bossi. Das Koch-, Haushalts- und Freizeitgeschäft schrammte im abgelaufenen Jahr nach unseren Schätzungen beim Umsatz erstmals die 70-Millionen-Marke. Betty Bossi ist derzeit das einzige E-Commerce-Geschäft im Konzern, das diesen Namen verdient. Im letzten Jahr sollen bereits zwei Millionen Franken auf elektronischem Weg umgesetzt worden sein. Nicht nur deswegen spricht Beat Lauber, der seit mehr als einem Jahr als Konzernbereichsleiter Neue Medien wirkt, gerne und mit Stolz von diesem Produkt. Geht es nach ihm, wird sich Ringier weiter in den Bereich E-Commerce vorwagen. «Nicht mit Inhalten oder mit Bannerwerbung, sondern mit E-Commerce macht man im Internet künftig Geld», orakelt Lauber. Dass er dabei auch das Feld E-Learning beackern will, ist kein Geheimnis.
Vorerst wird Beat Lauber mit den unter dem Konzernberereich Neue Medien zusammengefassten Aktivitäten freilich noch mehr Geld als bis anhin verbrennen. Borsalino beispielsweise gibt jährlich 3,5 Millionen Franken mehr aus, als es einnimmt. Das wirkt auf Michael Ringiers Internetgedanken indes nicht abschreckend. Der CEO will das Unternehmen in seinen internen Abläufen und mit seinen Produkten ganz auf das Internet einschwören und hat Beat Laubers Budget über die Schwelle der zweistelligen Millionenzahl angehoben. Ringier nennt sich selbst den «Firmen-Evangelisten für die Sache des Internets». Dabei weiss niemand exakt, wo diese Mission enden wird. Das ist allerdings bei der Konkurrenz nicht anders. Beat Lauber sagt: «Wir müssen zuerst bei allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in diesem Haus das Verständnis für das Internet und ein Bewusstsein für die neuen Medien wecken.»
Bleiben die TV-Aktivitäten, die mit gegenwärtig 40 Millionen Franken nur 4 Prozent des Konzernumsatzes abdecken, aber schnell wachsen (2000: gegen plus 100 Prozent!) und gewinnträchtig sowie markentechnisch betrachtet für einen Medienverbund eminent wichtig sind. Der Konzern hat im Fernsehen unter Bereichsleiter Fibo Deutsch in den letzten zehn Jahren unauffällige kleine Schritte getan, ist Kooperationen eingegangen, hat sich keinen Sender, sondern Sendungen aufgebaut und deshalb nie wirklich mit der grossen Kelle anrühren müssen.
Das TV-Business kann als Synonym für die Geschäftspolitik gelten, die Ringier bisher auf Konzernstufe angewendet hat. Einerseits würde es nicht zu diesem Traditionsunternehmen passen, ein Klumpenrisiko einzugehen. Andererseits ist der Mut zum Fokussieren bei Ringier wie auch bei anderen Familienunternehmen nur so lange eine positive Eigenschaft, wie er nicht das Gesamtgeschäft gefährdet. Wohl auch deshalb besteht stets die Gefahr des Falls ins Mittelmass, sowohl bei Managementkapazitäten wie auch bei der Produktentwicklung und den Betriebsmargen.

Die drei Antriebskräfte
Doch genau das Mittelmass will Michael Ringier vermeiden. Sein Ziel sieht er in der Marktführerschaft. Er lässt in der Strategiegruppe derzeit drei gewagte Vorhaben diskutieren, die dem Konzern neuen Schub zuführen sollen: die neuen Medien, eine frische Zeitschriftenpolitik sowie mehr Innovation im Schweizer Markt. Diese drei Felder lassen sich durchaus mit Personen verbinden: Die herausfordernden, teuren Perspektiven des Konzernbereichsleiters Neue Medien, Beat Lauber, sowie der unternehmerische Drive von Europa- und Zeitschriften-Chef Martin Kall treiben die Gruppe voran. Der ehemalige Bertelsmann-Kader Martin Kall hat letztes Jahr Ringiers Abschied vom Buchverlag und von der massiv defizitären Zeitschrift «MEX» (vormals «Musenalp-Express») durchgesetzt. Jetzt legt er die nicht taufrischen, aber immer noch einleuchtenden Pläne für eine Internationalisierung der Zeitschriftenpolitik auf den Tisch. Martin Kall schwebt der Einstieg in einen westeuropäischen Zeitschriftenmarkt vor, egal ob mittels Übernahme, Joint Venture oder Lizenzgeschäft, der billigsten Variante. Kall strebt nach Spanien, Frankreich, Grossbritannien oder Deutschland, wo sich die unsteten Vorwärts- und Rückwärtsbewegungen des Medienhauses im Rückblick nachzeichnen liessen.
Michael Ringier setzt gar noch einen drauf und spricht von den USA als neuem Markt. In all diesen Ländern sei das dem Schweizer Konzern fehlende Zeitschriften-Know-how zu Hause. «In diesen genügend grossen Märkten, nicht in der Schweiz finden die Innovationen statt», sagt Martin Kall. In der (Deutsch-)Schweiz, so rechnen Ringier und Kall unabhängig voneinander, wäre es zu teuer, eine Zeitschrift zu gründen, die später als Marke in den Ringierländern implementiert werden könnte, wie dies bereits mit «Blick» und «Cash» geschehen ist.
Wenn Martin Kalls Idee in den nächsten Wochen in der Strategiegruppe eine Mehrheit findet, wäre dies gleichbedeutend mit der Abkehr von Ringiers bisheriger Auslandpolitik, die ausschliesslich Investitionen in sich entwickelnde Märkte (Vietnam, China, Osteuropa) vorsieht. Es ist jedoch keineswegs klar, wer sich durchsetzen wird. Die Finanzfachleute im Konzern und erstaunlicherweise auch die alteingesessene, aber keineswegs homogene Journalistenfraktion (im publizistischen Ausschuss konzentriert) stehen der noch vage umschriebenen Zeitschriftenexpansion kritisch gegenüber. Abgeschreckt hat sie ein Vorfall im letzten Jahr. Ein belgischer Verlag hatte Ringier um die Lizenznahme einer Seniorenzeitschrift für die Deutschschweiz angegangen. Nach einigen Kalkulationen winkten die Schweizer ab. Ausgerechnet dieses Beispiel dürfte jedoch den Befürwortern der Auslandexpansion (Ringier, Kall, Trüb, Sigg) in der Strategiegruppe eine Bestätigung liefern. Es beweist, dass eine Zeitschriftenneuentwicklung im zu kleinen Deutschschweizer Markt kommerziell keinen Sinn macht – und der Weg ins Ausland führen muss.
Als dritte Antriebskraft wirkt der Wunsch nach mehr Innovation auf dem Binnenmarkt. Nicht erst seit den Flops mit dem angekündigten, aber nie erschienenen Nachrichtenmagazin «Reflex» und mit den eingestellten Produkten «Schweizer-Woche» und «Ca- shual» ist die Idee nicht mehr aus einigen Köpfen bei Ringier zu verdrängen. Diesem latenten Wunsch sowie jenem nach verstärktem publizistischem Engagement im Schweizer Wirtschaftsbereich könnte in Bälde entsprochen werden. Dann nämlich, wenn sich das Projekt einer Wirtschaftsmedienplattform rechnen sollte. Das Gebilde, bestehend aus der zu kostenintensiven Wochenzeitung «Cash», ihrem Zwilling «Cash online», aus dem Internetportal Borsalino, der Sendung «Cash TV» sowie einer noch zu gründenden Wirtschafts-Tageszeitung oder -Monatszeitschrift, wäre einmalig für Ringier. Vor allem wäre dies eine logische Konsequenz, denn der im Herbst bezahlte, hohe Preis für Borsalino zwingt Ringier zum Handeln.

Die Holding bleibt der Börse fern
«Wir haben begriffen, dass jedes Geschäft, das wir heute betreiben, mehr Mittel braucht, mehr Fokussierung und mehr Kampf, um die Nummer eins oder zwei zu werden oder zu bleiben», sagt Michael Ringier. Er hat erkannt, dass sich zwischen Wünschen (Expansion, neue Medien, Innovations- und Marktführerschaft) und Realitäten (begrenzte eigene Mittel bei Bewahrung der Eigentumsstrukturen) ein Graben aufgetan hat. Der Think-Tank «Konzernleitung Plus» hat begriffen, dass nicht alles gleichzeitig finanzier- und personell realisierbar sein wird. Geradezu als Rettung erscheint da die Idee, erstmals den Eintritt in die Kapitalmärkte zu wagen und auf diese Weise die zu erwartenden grossen Finanzierungsbedürfnisse abzudecken. Die angesprochene Wirtschaftsmedienplattform dient der Strategiegruppe dabei als Testfall. Die Vorstellungen reichen vom Börsengang der Unternehmenstochter bis zum Ausbau der heute bei Borsalino bereits existierenden Beteiligungsstruktur. Kein Wunder, wälzen die sieben auch den Gedanken eines Going-public mit dem gesamten Osteuropa-Geschäft oder mit einem Nebenzweig (Betty Bossi). Selbst die Familienholding ist nicht mehr sicher vor IPO-Ideen, die angesichts des Börsenumfeldes allerdings als verwegen erscheinen.
Geht es um das Gesamtunternehmen, winkt Michael Ringier ab. «Als Familienfirma müssen wir ununterbrochen bereit sein, neue unternehmerische Möglichkeiten zu prüfen, ohne damit die Idee der Familienfirma aufzugeben», sagt er. Und noch deutlicher: «Mit der Holding will ich nicht an die Börse. Ich habe keine Lust, mich mit Analysten über den ‹Blick› zu unterhalten.»
Damit macht der Eigentümer den Mitstrategen vor allem klar, dass am Ende stets nur einer entscheidet: er selber. Ihm am nächsten steht nicht mehr Chefpublizist Frank A. Meyer, sondern Uli Sigg als Verwaltungsratspräsident. Der Freund aus Mauensee bei Luzern dient Ringier seit zwei Jahren als Sparringpartner. Seit Siggs Eintritt hat sich die Zahl der in der Vergangenheit in einem Machtvakuum geborenen, seltsam erscheinenden Ernennungen und Entscheide des Konzernleiters vermindert. Sicher eine Rolle spielt dabei, dass es Michael Ringier – das sagt er selbst – im letzten Herbst geschafft hat, den Ehrgeiz seines Spitzenpersonals in neuen Strukturen zu zähmen. Jetzt wartet die zweite Aufgabe, die ungleich schwieriger ist: das Neuverteilen der beschränkten finanziellen Ressourcen und die Einsicht, dass die verschiedenen Traumdestinationen ohne die monetäre Schubkraft einer Publikumsöffnung ausser Reichweite liegen. Der Stichentscheid liegt wie immer in den letzten zehn Jahren bei Michael Ringier.
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